Rio+20 Report - Terre des Hommes
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Die Länder <strong>des</strong> Südens fühlen sich im Green Economy-Diskurs<br />
vielfach benachteiligt, so die Kritik <strong>des</strong> South Centre. 92 Das<br />
Green Economy-Investitionsprogramm sei vor allem auf Veränderungen<br />
in den Ländern <strong>des</strong> Südens ausgerichtet, während<br />
die – auch historisch begründete – Verantwortung <strong>des</strong><br />
Nordens kaum reflektiert und mit verbindlichen Zielvorgaben<br />
belegt werde. Neue Umweltstandards für Exportgüter und<br />
Subventionen für grüne Wirtschaftszweige im Norden könnten<br />
zu neuen Wettbewerbsverzerrungen auf den Weltmärkten<br />
führen. Zudem wird mit Sorge gesehen, dass eine Grüne<br />
Wirtschaft zu einem grünen Protektionismus führen könne,<br />
der die Entwicklungsländer beim Aufbau eigener Industrien<br />
benachteiligen würde. 93 Dabei wird allerdings übersehen,<br />
dass auch Firmen aus Ländern <strong>des</strong> Südens, allen voran China<br />
und Korea, inzwischen zu den Weltmarktführern auf dem Gebiet<br />
der grünen Technologien gehören.<br />
Suffizienz statt „grünes Wachstum“<br />
Es existieren allerdings berechtigte Zweifel daran, dass mit<br />
einer grünen Technologierevolution und einer auf Ressourceneffizienz<br />
setzenden Wachstumsstrategie die absolute<br />
Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch<br />
zu erreichen ist. Alle bisherigen Untersuchungen zeigen,<br />
dass es eine absolute Entkoppelung bisher nicht gibt. 94<br />
Umfassende Nachhaltigkeitsstrategien müssen daher auch<br />
Suffizienzansätze berücksichtigen, das heißt Ansätze der<br />
Selbstbegrenzung, <strong>des</strong> Konsumverzichts und der Entschleunigung<br />
– auch wenn dies einen längerfristigen gesellschaftlichen<br />
Bewusstseinswandel voraussetzt. 95<br />
Wolfgang Sachs hatte bereits 1993, kurz nach dem ersten<br />
Rio-Gipfel, festgestellt:<br />
„Einer naturverträglichen Gesellschaft kann man in der Tat<br />
nur auf zwei Beinen näherkommen: durch eine intelligente<br />
Rationalisierung der Mittel wie durch eine kluge Beschränkung<br />
der Ziele. Mit anderen Worten: die ‚Effizienzrevolution’<br />
bleibt richtungsblind, wenn sie nicht von einer ‚Suffizienzrevolution’<br />
begleitet wird.“ 96<br />
Die Green Economy-Debatte hat dazu bislang keinen Beitrag<br />
geleistet.<br />
92 Vgl. Khor (2011).<br />
93 Vgl. Ocampo (2011).<br />
94 Vgl. Jackson (2011).<br />
95 Vgl. Jänicke (2011).<br />
96 Sachs (1993).<br />
Die Rio + 20-Agenda<br />
Neben dem Spannungsverhältnis der Green Economy zu den<br />
Konzepten nachhaltiger Entwicklung verstärken Befürchtungen<br />
einer weiteren Kommerzialisierung und Privatisierung der<br />
natürlichen Ressourcen das Misstrauen vieler Länder <strong>des</strong> Südens<br />
gegenüber den Green Economy-Ansätzen. Pablo Solón,<br />
der ehemalige UN-Botschafter Boliviens, spitzte diese Kritik<br />
auf dem Dialogforum der Vereinten Nationen zum Thema<br />
„Harmonie mit der Natur“ im April 2011 wie folgt zu:<br />
“For the green economy, capitalism’s mistake is not having<br />
fully incorporated nature as part of capital. That is why its<br />
central proposal is to create “environmentally friendly” business<br />
and green jobs and in that way limit environmental degradation<br />
by bringing the laws of capitalism to bear on nature.<br />
In other words, the transfusion of the rules of market will<br />
save nature. This proposal of the green economy is absolutely<br />
false.“ 97<br />
Ist die grüne Ökonomie also nicht mehr als ein weiterer Trick<br />
der Industrieländer, um sich neue Geschäftsfelder und Marktanteile<br />
zu sichern? Und damit ein weiterer Schritt zur Vermarktung<br />
der Natur? Wer wird am Ende zu den Gewinnern<br />
und wer zu den Verlierern gehören? Die Green Economy ist so<br />
umstritten wie es die Konzepte nachhaltiger Entwicklung seit<br />
mehr als 20 Jahren sind. Letztlich ist es eine Frage der politischen<br />
Macht, welche Deutungshoheit und damit verbundene<br />
realwirtschaftlichen Interessen sich schließlich durchsetzen<br />
werden. 98<br />
Bemerkenswert ist, dass das vom UN-Generalsekretär eingesetzte<br />
globale Nachhaltigkeitspanel (s. Kasten 3) sich vom<br />
Begriff der Green Economy inzwischen weitgehend verabschiedet<br />
hat. In seinem knapp 100-seitigen <strong>Report</strong> vom Januar<br />
2012 wird der Begriff nur ein einziges Mal am Rande erwähnt.<br />
99 Dagegen spricht das Panel an verschiedenen Stellen<br />
von Green Growth, wohl nicht zuletzt aufgrund <strong>des</strong> Einflusses<br />
seines Mitglieds Han Seung-soo, dem Vorsitzenden <strong>des</strong> Global<br />
Green Growth Institute und ehemaligem Ministerpräsidenten<br />
der Republik Korea. Das entsprechende Kapitel <strong>des</strong><br />
Berichts steht allerdings unter dem Titel „Working towards<br />
a sustainable economy“ – ein Begriff, der letztlich auch die<br />
Inhalte und den sektorübergreifenden Anspruch <strong>des</strong> Green<br />
Economy-Konzepts von UNEP besser widerspiegelt.<br />
97 Zitiert nach pwccc.wordpress.com/2011/04/20/speech-by-bolivia-at-undialogue-on-harmony-with-nature/.<br />
98 Vgl. Mittler (2011) und Brunnengräber/Haas (2011).<br />
99 Vgl. United Nations Secretary-General’s High-level Panel on Global<br />
Sustainability (2012).<br />
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