Rio+20 Report - Terre des Hommes
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Jens Martens | Rio + 20<br />
IV. Fazit: Checkliste für den Erfolg<br />
von <strong>Rio+20</strong><br />
Die Erwartungen gegenüber der <strong>Rio+20</strong>-Konferenz sind gespalten.<br />
Während die einen in dem zweiten Erdgipfel eine<br />
historische Chance sehen, die notwendige „Große Transformation“<br />
(WBGU) hin zu einer nachhaltigen Weltgesellschaft<br />
einzuleiten, befürchten andere nicht mehr als einen „müden<br />
Abklatsch“ (Jürgen Maier) <strong>des</strong> historischen Vorgängers von<br />
1992. Tatsächlich ist die Diskrepanz enorm zwischen dem,<br />
was angesichts der multiplen Krise getan werden müsste, und<br />
dem, was in der gegenwärtigen politischen Großwetterlage<br />
in einer nach dem Konsensprinzip funktionierenden Weltorganisation<br />
machbar zu sein scheint. Nach dem Debakel <strong>des</strong><br />
Klimagipfels von Kopenhagen 2009, angesichts der wechselseitigen<br />
Blockaden in der WTO und unter dem Eindruck der<br />
gescheiterten Verhandlungen über ein Abschlussdokument<br />
in der CSD 2011 wäre es für manche bereits ein Erfolg, in<br />
Rio überhaupt ein Konsensdokument zu verabschieden. Dass<br />
sich die USA zum Zeitpunkt <strong>des</strong> <strong>Rio+20</strong>-Gipfels im Präsidentschaftswahlkampf<br />
befinden, macht die Sache nicht einfacher.<br />
Die Messlatte allerdings so niedrig zu hängen oder die<br />
<strong>Rio+20</strong>-Konferenz gar bereits im Voraus für gescheitert zu<br />
erklären, wäre jedoch ein Fehler. Denn dies hieße, die Regierungen<br />
aus ihrer Verantwortung zu entlassen – und dies zu<br />
einem Zeitpunkt, zu dem einerseits der politische Handlungsbedarf<br />
angesichts der unbewältigten globalen Krisen größer<br />
ist als jemals zuvor und andererseits als Reaktion darauf in<br />
vielen Ländern bereits Prozesse <strong>des</strong> Umdenkens über zukünftige<br />
Wohlstands- und Entwicklungsmodelle eingesetzt haben.<br />
Vor diesem Hintergrund für die <strong>Rio+20</strong>-Konferenz Erfolgskriterien<br />
zu formulieren, ist ein Balanceakt. Werden die Erwartungen<br />
gegenüber den Regierungen zu hochgeschraubt,<br />
setzt man sich dem Vorwurf politischer Ahnungslosigkeit und<br />
Naivität aus. Fallen sie zu moderat aus, muss man sich politischen<br />
Opportunismus vorhalten lassen.<br />
Sinnvoll ist es, zwischen solchen Entscheidungen zu unterscheiden,<br />
die längerfristig notwendig und wünschenswert<br />
wären, und solchen, die kurzfristig (d.h. in Rio) machbar<br />
erscheinen. In die erste Kategorie gehört beispielsweise die<br />
Empfehlung an die Regierungen, eine „Charta für das Recht<br />
auf nachhaltige Entwicklung“ bzw. eine „Charta für nachhaltige<br />
Entwicklung, in der gemeinsame Verantwortlichkeiten<br />
und Pflichten der Staaten und der (Welt-)Bürger für den<br />
Schutz <strong>des</strong> Erdsystems kodifiziert würden,“ zu verabschie-<br />
42<br />
den. 173 Eine solche Weiterentwicklung <strong>des</strong> Völkerrechts wäre<br />
wichtig, ist aber bis Rio nicht realisierbar.<br />
In Rio können aber durchaus politische Richtungsentscheidungen<br />
gefällt werden. Dabei wird es um die künftige Definition<br />
von Wohlstandsmaßen und Entwicklungszielen gehen,<br />
um die Neujustierung <strong>des</strong> Verhältnisses zwischen Wirtschaft<br />
und Staat, bzw. zwischen öffentlicher Gemeinwohlorientierung<br />
und privatwirtschaftlichem Eigennutz, und um die Ausgestaltung<br />
multilateraler Zusammenarbeit unter dem Dach<br />
der Vereinten Nationen. In Rio können wichtige Weichenstellungen<br />
hin zur „Großen Transformation“ vorgenommen werden<br />
– oder aber nicht.<br />
Aus zivilgesellschaftlicher Perspektive können folgende zehn<br />
Punkte exemplarisch als Prüfkriterien für den Erfolg der<br />
<strong>Rio+20</strong>-Konferenz dienen:<br />
1. Bekräftigung globaler Nachhaltigkeitsprinzipien.<br />
Die Regierungen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten<br />
in internationalen Abkommen und Deklarationen<br />
auf eine Reihe von Prinzipien geeinigt, welche die normative<br />
Grundlage internationaler Zusammenarbeit bilden<br />
(vgl. Kasten 7). Sie haben es aber bisher versäumt, ihr<br />
politisches Handeln konsequent nach diesen Prinzipien<br />
auszurichten. Im Rio-Kontext sind vor allem drei Prinzipien<br />
besonders relevant: 1.) Das Prinzip der gemeinsamen,<br />
aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, das<br />
den Staaten entsprechend ihres Beitrages zur globalen<br />
Umweltbelastung und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />
Finanzierungsverpflichtungen auferlegt; 2.) Das<br />
Verursacherprinzip, das diejenigen, die (ökologischen,<br />
ökonomischen und sozialen) Schaden verursachen, verpflichtet,<br />
die entstandenen Kosten zu tragen; 3.) Das<br />
Vorsorgeprinzip, das Regierungen u.a. verpflichtet, Maßnahmen<br />
gegen Technologien zu ergreifen, die schwerwiegende<br />
Schäden für Mensch und Umwelt verursachen können.<br />
In der Konsequenz muss dies den Ausstieg aus der<br />
Atomenergie und die Ablehnung von neuen Formen <strong>des</strong><br />
„Geo-Engineering“ bedeuten. Die Regierungen sollten in<br />
Rio allen Versuchen einer Relativierung dieser Prinzipien<br />
173 Vgl. Reflection Group on Global Development Perspectives (2011), Pkt. 27<br />
und WBGU (2011), S. 20.