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Rio+20 Report - Terre des Hommes

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Jens Martens | Rio + 20<br />

12<br />

Nachhaltigkeitspolitik aus kinder- und menschenrechtlicher Perspektive<br />

Kasten 2<br />

Als vor 40 Jahren die globale Umweltdiplomatie mit der Konferenz von Stockholm begann, waren die Grundlagen<br />

<strong>des</strong> globalen Menschenrechtsregimes bereits geschaffen, die „International Bill of Rights“ bestehend aus Allgemeiner<br />

Erklärung der Menschenrechte sowie Zivil- und Sozialpakt verfasst. Da Umweltschutz bis dahin nahezu vollständig<br />

Gegenstand nationaler Politik war, enthalten die internationalen Menschenrechtsverträge nur an wenigen Stellen<br />

explizite Umweltrechte. Auch neuere Vertragswerke wie die Kinderrechtskonvention thematisieren Umweltherausforderungen<br />

in äußerst zurückhaltender Weise. Zwar hat die Rechtsentwicklung und -praxis der letzten Jahrzehnte<br />

gezeigt, dass eine gesunde Umwelt Grundvoraussetzung für die Ausübung einer Reihe bestehender sozialer Rechte ist<br />

(Nahrung, Wasser oder Gesundheit u. a.); dennoch fordern viele Nichtregierungsorganisationen wie terre <strong>des</strong> hommes<br />

einen umfassenderen normativen und institutionellen Schutz „ökologischer“ Rechte, um die weitreichende Verschmutzung<br />

der Umwelt, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und den Verlust biologischer Vielfalt einzudämmen. 35<br />

So wie der Menschenrechtsdiskurs hat auch die internationale Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik Umweltzerstörung lange<br />

Zeit als ein von Menschenrechtsverletzungen zu trennen<strong>des</strong> Problem betrachtet. Immerhin stellte die internationale<br />

Staatengemeinschaft schon in Stockholm fest, dass die bestehenden Menschenrechte vom Erhalt einer gesunden Umwelt<br />

abhängen (Grundsatz 1 der Stockholm-Erklärung), doch in der Realität orientierten sich viele internationale Umweltschutzverträge<br />

und -verhandlungen eher an „technischen“ Problemen als an den negativen Folgen der Umweltzerstörung für die<br />

Opfer und ihre Rechte.<br />

Wichtige Impulse für die Verbindung von Umwelt- und Menschenrechtsschutz brachte vor allem der erste Erdgipfel von Rio.<br />

Zum ersten Mal erkannten die Regierungen an, wie wichtig die Stärkung und Einbindung der betroffenen Öffentlichkeit für<br />

einen wirksamen Umweltschutz und die Legitimität umweltpolitischer Entscheidungen ist. Grundsatz 10 der Rio-Erklärung<br />

sicherte <strong>des</strong>halb die Beteiligung an Entscheidungen sowie den Zugang zu Informationen und Beschwerdemitteln in Umweltangelegenheiten<br />

zu. Die besondere Rolle wichtiger gesellschaftlicher Gruppen, der „major groups“, wurde gleich in mehreren<br />

Grundsätzen hervorgehoben. Grundsatz 21 betont entsprechend die Bedeutung der Kinder als Nachhaltigkeitsakteure.<br />

Konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Rolle junger Menschen sind in Kapitel 25 der Agenda 21 aufgeführt.<br />

Seither orientiert sich die nationale und internationale Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik zwar an den Ergebnissen der<br />

Rio-Konferenz. Insgesamt ist die Bilanz jedoch ernüchternd: Für die Opfer von Umweltzerstörung, z.B. durch den Klimawandel,<br />

gibt es nach wie vor keine Möglichkeit, ihre Rechte auf internationaler Ebene effektiv einzuklagen. Von einer<br />

menschenrechtsbasierten Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik kann daher nicht die Rede sein. Das hat besonders für Kinder<br />

gravierende Folgen: Sie werden doppelt bestraft, weil sie heute wie auch später als Erwachsene mit den Auswirkungen<br />

kurzsichtigen Handelns leben müssen.<br />

Die Kinderrechtskonvention erkennt Kinder als eigenständige Rechtsträger an und betont ihre Rolle als Akteure in der<br />

Nachhaltigkeitspolitik. Sie macht auf die Bedeutung von Machtverhältnissen aufmerksam und weist auf Ungleichheit und<br />

Diskriminierung hin. Eine (kinder-) gerechte Nachhaltigkeitspolitik stellt die grundlegenden Bedürfnisse und Rechte der<br />

Kinder in den Mittelpunkt ihrer Maßnahmen (Vorrang <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>wohls) und gewährleistet, dass Kinder in Fragen, die ihre<br />

Zukunft betreffen, Bescheid wissen und Gehör finden.<br />

Die Normen und Prinzipien der Kinderrechtskonvention, vor allem die Rechte mit starkem ökologischem Bezug, müssen zu<br />

Leitlinien der nationalen und internationalen Nachhaltigkeitspolitik werden. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Die<br />

Kinderrechtskonvention ist der am häufigsten ratifizierte Menschenrechtsvertrag und die Vertragsstaaten sind ausdrücklich<br />

verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Kinderrechte zu verwirklichen (Art. 4). Dafür ist es notwendig,<br />

dass Kinderrechte in alle Politikbereiche ausstrahlen, die Kinder betreffen. Der <strong>Rio+20</strong>-Gipfel bietet eine historische<br />

Chance, die Kinderrechte in der Nachhaltigkeitspolitik zu stärken. Jonas Schubert<br />

35 Vgl. dazu ausführlicher terre <strong>des</strong> hommes (2012).

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