Rio+20 Report - Terre des Hommes
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Business as usual ist keine Option<br />
Kasten 1<br />
Einleitung<br />
“While humankind has made enormous progress in improving material welfare over the past two centuries, this progress<br />
has come at the lasting cost of degradation of our natural environment. About half of the forests that covered the earth<br />
are gone, groundwater resources are being depleted and contaminated, enormous reductions in biodiversity have already<br />
taken place and, through increased burning of fossil fuels, the stability of the planet’s climate is being threatened by global<br />
warming. In order for populations in developing countries to achieve a decent living standard, especially the billions who<br />
currently still live in conditions of abject poverty, and the additional 2 billion people who will have been added to the world’s<br />
population by mid-century—much greater economic progress will be needed.<br />
Continuation along previously trodden economic growth pathways will further exacerbate the pressures exerted on the<br />
world’s resources and natural environment, which would approach limits where livelihoods were no longer sustainable.<br />
Business as usual is thus not an option. (…) To achieve this goal, a radically new economic strategy will be needed.”<br />
(UN World Economic and Social Survey 2011) 11<br />
Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich in den vergangenen<br />
zwei Jahrzehnten sowohl innerhalb vieler Länder als auch<br />
zwischen den Ländern vergrößert. Die sozialen Disparitäten<br />
sind gewachsen – und mit ihnen das Potential für soziale<br />
Spannungen. Einer der Auslöser für die Volksaufstände im<br />
arabischen Raum war nicht zuletzt das eklatante Missverhältnis<br />
zwischen dem maßlosen Reichtum der Herrschaftseliten<br />
und der Armut breiter Bevölkerungsschichten.<br />
Prägender Faktor der weltwirtschaftlichen Entwicklung der<br />
letzten 20 Jahre war das rasante Wachstum der globalen Finanzmärkte.<br />
Die Kombination aus politischer Deregulierung<br />
(bzw. fortbestehenden Regulierungslücken) und technologischer<br />
Entwicklung ermöglichte es, Milliardenbeträge im Sekundentakt<br />
„per Mausklick“ um den Erdball zu transferieren.<br />
Die Umsätze an den Finanzmärkten schossen in die Höhe.<br />
Allein an den globalen Devisenmärkten stiegen sie bis 2010<br />
auf vier Billionen US-Dollar – pro Tag. 12 Die Transaktionen<br />
im Weltfinanzsystem erfolgten zunehmend abgekoppelt von<br />
der realwirtschaftlichen Entwicklung, blieben für diese aber<br />
nicht folgenlos. Der zügellose „Casino-Kapitalismus“ (Horst<br />
Köhler) 13 trug zur Destabilisierung der Weltwirtschaft maßgeblich<br />
bei und verschärfte ihre Krisenanfälligkeit – mit den<br />
bekannten Folgen. Die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise<br />
ist bis heute nicht überwunden.<br />
11 UN (2011), S. v.<br />
12 Vgl. Bank for International Settlements (2010), S. 7.<br />
13 Vgl. www.welt.de/politik/article3660316/Koehler-rechnet-mit-dem-Casino-<br />
Kapitalismus-ab.html. Der Begriff geht auf John Maynard Keynes zurück und<br />
wurde bereits 1986 von der Ökonomin Susan Strange geprägt. Mit Blick auf<br />
die aktuelle Finanzkrise verwendeten ihn Joseph Stiglitz, George Soros,<br />
Hans-Werner Sinn und viele andere.<br />
Das Zusammentreffen von ökologischen, sozialen und ökonomischen<br />
Krisenerscheinungen veranlasste in wachsendem<br />
Maße Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft,<br />
über gemeinsame Ursachen und Auswege aus der „multiplen<br />
Krise“ 14 nachzudenken. Immer deutlicher wird, dass eine Politik<br />
<strong>des</strong> business as usual keine Option sein kann (s. Kasten 1).<br />
Umdenken auf allen Ebenen<br />
Auf allen Ebenen haben Prozesse <strong>des</strong> Umdenkens eingesetzt,<br />
die sich aus unterschiedlicher Perspektive mit alternativen<br />
Wohlstandsmaßen und Entwicklungsmodellen befassen. Ein<br />
Beispiel dafür ist die Arbeit der Kommission zur Messung<br />
wirtschaftlicher Leistung und sozialen Fortschritts unter Leitung<br />
<strong>des</strong> Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stiglitz. Sie war<br />
vom französischen Präsidenten Sarkozy 2008 eingesetzt worden.<br />
Die zentrale Botschaft ihres im September 2009 veröffentlichten<br />
<strong>Report</strong>s lautet:<br />
“(…) the time is ripe for our measurement system to shift<br />
emphasis from measuring economic production to measuring<br />
people’s well-being.“ 15<br />
14 So der Titel der Zeitschrift politische ökologie Nr. 118 (Dezember 2009).<br />
15 Commission on the Measurement of Economic Performance and Social<br />
Progress (2009), S. 12.<br />
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