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Reise nach Zentralfrankreich - Eberhardt TRAVEL

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sich meinem Verständnis verweigern.<br />

Ich nahm schweigend die Größe des Kirchenschiffs wahr,<br />

das uns während der Besichtigung nicht erhellt wurde und<br />

im Halbdunkel blieb. Es strahlte eine feierliche Schlichtheit<br />

aus, die ergreift. Die Bögen der hoch aufstrebenden Pfeiler<br />

nehmen den Blick bis in die Lichtfülle des Chores hinein,<br />

die mit der Nachmittagssonne durch die Fenster eindringt.<br />

Der Chor selbst war durch eine hölzerne Balustrade von der<br />

Vierung abgegrenzt. Es gab kaum Raumschmuck, der den<br />

Gläubigen ablenkt. Die einfachen Kirchenbänke bilden<br />

ebenfalls eine Blickperspektive. Alles konzentriert sich im<br />

Halbrund des Chores. Eine schöne, schlichte, sehr alte<br />

Kirche. Wir traten ins Freie, nicht ohne die Tür zu<br />

bewundern, die mehr als ein halbes Jahrtausend den<br />

Kirchenraum geschützt hat. Das rissige Holz ist mit<br />

kunstvollen schmiedeeisernen Schmuckbändern<br />

beschlagen. Die Angeln quietschen, aber sie funktioniert<br />

noch.<br />

Wir gehen ein wenig im Ort spazieren, genießen die warme seidige Luft des frühen Nachmittags,<br />

erfreuen uns an den Blumen in den Rabatten. Ein Kriegerdenkmal erinnert an die Toten des ersten<br />

und zweiten Weltkrieges, die das Dorf, das heute 360 Einwohner hat, opfern musste. Eiserne<br />

Kreuze schmücken das Ziergitter. Die Trikolore liegt dabei. Über dem Sockel des Mahnmales<br />

rahmen vier Säulen die Listen der Gefallenen. Die Säulen tragen ein Sandsteinpodest, auf dem ein<br />

gusseiserner Soldat steht, in voller Montur, eine Fahne an sein Herz gedrückt, sein Blick stolz und<br />

siegesgewiss in unmessbare Ferne gerichtet. Sein Gewehr steht in einem Lorbeerstrauch- seltsame<br />

Symbolik. Wie viel Elend und Herzeleid hat der unselige Krieg über die Menschen gebracht! Wer<br />

bannt die finsteren Mächte, die immer wieder die Menschen wie wilde Wölfe übereinander<br />

herfallen lassen? Seit es Menschen auf der Erde gibt, hat es keine Zeit ohne Kriege gegeben, keine<br />

Zeit, in der es nicht um Macht und Besitz gegangen wäre, im Kampf um Land, Nahrung, Wasser<br />

und Sklaven für billige Arbeit.<br />

Wir trafen uns wieder an der<br />

Wallfahrtskirche aus dem graubraunen<br />

Andesitstein und nahmen Abschied von<br />

Notre Dame. Sie war damals, etwa zur Zeit<br />

des Dritten Kreuzzuges 26 , ein<br />

Kristallisationspunkt für 500 Kirchen in der<br />

Region. Die Benediktiner waren rege im<br />

Kirchenbau. Die christliche Kirche<br />

versammelte ihre Schäfchen unter dem<br />

Hirtenstab der zahllosen Bischöfe, welche<br />

das wirksame Gift der von ihr erzeugten<br />

Feindbilder in sie träufelte. Da wuchsen<br />

Gotteshäuser wie Pilze auf dem neuen<br />

Humus der Gläubigkeit.<br />

In der Werbung für die Kreuzzüge wurden Muslime zu „barbarischen Heiden“ gestempelt und<br />

damit ihrer Menschlichkeit beraubt. Ihre umstandslose Enteignung und Tötung war nun erlaubt.<br />

Was machen heute die Amerikaner und Engländer im Irak? Nichts hat sich geändert.<br />

26 3. Kreuzzug: 1189 – 1192, Führer: Kaiser Friedrich I. Barbarossa (zu Lande bis Antiochia) und Richard Löwenherz<br />

(zu Wasser über Kreta, Rhodos und Zypern bis Akkon). Friedrich ertrinkt am 10. Juni 1190 in Kleinasien. Der Dritte<br />

Kreuzzug hatte sein Ziel, die Rückeroberung Jerusalems, verfehlt. Die Präsenz der Kreuzfahrer im Nahen Osten wurde<br />

aber durch die Errichtung des Kreuzfahrerstaates Zypern und die Wiedererrichtung des Königreichs Jerusalem – mit<br />

Akkon als neuer Hauptstadt – vorläufig gesichert.<br />

© R. Bührend, Sommer 2006 Seite 110

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