Reise nach Zentralfrankreich - Eberhardt TRAVEL
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XXV. Beaune<br />
S<br />
chon 15.50 Uhr saßen wir wieder im Bus und starteten zum heutigen Etappenziel <strong>nach</strong><br />
Beaune. Wir beide erinnerten uns der Stunden, die uns vor zwei Jahren hier vergönnt waren,<br />
bei dem ausführlichen Besuch des Hôtel-Dieu. Allerdings haben wir damals in Dijon<br />
gewohnt, der alten mittelalterlichen Hauptstadt des Herzogtums Burgund und des heutigen<br />
Département Côte-d’Or. Da wir von Süden nur wenige km in dieses Département eindringen, will<br />
ich mir ausführliche Bemerkungen über diesen nördlichen Teil der Bourgogne sparen. Noch waren<br />
wir aber im Dpt. Saône-et-Loire und durchfuhren im Eiltempo die Stadt Chalon-sur-Saône, etwa<br />
60 000 Einwohner. Peter Großer erzählte uns von dem über die Grenzen der Stadt hinausgehenden<br />
Ruf, dass hier ein gewisser Nicéphor Niepce (1765 – 1833) gelebt und gewirkt hat, ein Pionier der<br />
modernen Fotografie. Ihm ist es 1827 erstmals gelungen, auf einer mit Asphalt bestrichenen<br />
Zinnplatte ein haltbares positives Lichtbild zu erzeugen. Neben Apparaten und historischen<br />
Lichtbildern wird in einem Museum am Ufer der Saône in Wechselausstellungen das Werk<br />
berühmter Fotografen gezeigt.<br />
Er schult unser Wissen weiter, als wir an einer Straßenkreuzung den Hinweis lesen, dass es <strong>nach</strong><br />
Westen etwa 40 km bis Le Creuzot sind. Warum ist dieser Ort wichtig? Hier ein kurzer Abriss<br />
seiner Geschichte: (Wen das nicht interessiert, der blättere weiter!)<br />
Le Creuzot war in allen drei großen Kriegen, die Frankreich gegen Deutschland zu führen hatte,<br />
eines der wichtigsten Zentren der Stahlindustrie und lieferte alle Arten schwerer Waffen.<br />
Bis 1782 ist Creusot nur ein kleines Dorf ohne Industrie. 1782 wird eine königliche Gießerei in<br />
Creusot gebaut, um von den Kohlevorräten der Region zu profitieren, es ist die erste Fabrik der<br />
Stadt. Die königliche Familie beschließt ebenfalls, 1786 in Creusot die Kristallfabrikation der<br />
Königin zu bauen. Nach der Revolution wechseln 1818 die Gießerei und die Kristallfabrikation<br />
ihren Eigentümer. Die Schmieden werden 1826 zurückgekauft, aber machen 1833 Konkurs.<br />
1836 findet die lothringische Industriellen- Familie Eugène und Adolphe Schneider hier einen<br />
Standort für die Errichtung von Stahlwerken. Sie beschließen, die Schmieden von Creusot<br />
zurückzukaufen, die besaßen die kohlehaltigen Reserven, die für die Verwirklichung ihres Projekts<br />
unentbehrlich sind. Es mangelte in der Region nicht an Eisenerz. Die Schneiders schaffen einen<br />
industriellen und städtischen Entwicklungsplan von Creusot und bauen ein Fabrikgelände so groß<br />
wie eine Stadt.<br />
1870/71, 1914/18 und bis zur deutschen Besetzung am 18. Juni 1940 produzieren die Franzosen<br />
ihre Kanonen, und ihre Modelle werden unter Schneider- Creuzot jedem Militär gut bekannt. Man<br />
denkt an Krupp in Essen. Auch Panzer im ersten und U- Boote im 2. Weltkrieg werden zusätzlich<br />
produziert. Die Boote werden in Chalon-sur-Saône montiert und zu Wasser gelassen.<br />
Die Deutschen verschonten die Schneider- Werke und den Ort bei der Besetzung, aus gutem Grund,<br />
die Alliierten jedoch bombardierten Le Creuzot am 17. Oktober 1942 (63 Tote und mehr als 250<br />
Verletzte). Die Bombardierung durch die Royal Air Force in der Nacht vom 20 zum 21. Juni 1943<br />
traf Stadt, Werk und Zivilbevölkerung noch schwerer: Es gab mehr als 300 Tote und 1000 Verletzte,<br />
das Krankenhaus, das Rathaus, das Schloss, die Glaserei und drei Kirchen wurden zerstört. Das<br />
war das Schicksal einer Waffenschmiede. Doch fragen sich heute viele Franzosen: Warum haben<br />
gerade die Verbündeten ihren französischen Freunde solche Verluste zugefügt?<br />
Um das negative Image aufzuhellen: Die Fabriken von Creuzot stellten neben Kriegsmaterial auch<br />
folgendes her:<br />
� Dampflokomotiven, insbesondere die Gironde (1838), einer der ersten französischen<br />
Lokomotiven.<br />
� Elektrische Lokomotiven wie die BB 9004, 1955 Inhaberin des Geschwindigkeits-<br />
Weltrekordes auf der Schiene mit 331 km/h.<br />
� Spezielle Stähle mit Nickel als Legierung (1889).<br />
� Den Dampfpresslufthammer von Creusot, der eine sehr präzise Arbeit des Stahls erlaubt.<br />
© R. Bührend, Sommer 2006 Seite 128