Reise nach Zentralfrankreich - Eberhardt TRAVEL
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2000 eingeweiht wurden und von dem bekannten Architekten Jean Nouvel (Oper Lyon 1993)<br />
stammen.<br />
Eine flache Treppe führt zum Alten Rathaus hinauf. Auf der<br />
Steinbrüstung hockt ein <strong>nach</strong>denklicher junger Mann aus Bronze.<br />
Sinnend blickt er auf das bunte Gewimmel der sommerlich<br />
gekleideten Menschen da unten. Wir steigen langsam die<br />
podestartigen Stufen hinauf und schlendern weiter. Ich nehme<br />
meinen Stadtplan. Wir folgen der Rue des Consuls, an der die<br />
berühmtesten Häuser von Sarlat stehen, allen voran das Maison des<br />
Consuls. Alle Häuser haben viele Jahrhunderte überdauert. Einige<br />
sind aus dem 14., dem 15. oder 16. Jahrhundert. Ockergelb<br />
leuchtet ihr Sandstein im Licht der späten Nachmittagsonne.<br />
Immer wieder bin ich ergriffen von diesem Licht. Wir erreichen<br />
die breite Rue de la République, die Hauptverkehrsader der<br />
Altstadt. Sie ist im Juli bis August von 11 Uhr mittags bis<br />
Mitter<strong>nach</strong>t zur Fußgängerzone erklärt. Sie schneidet als Sekante<br />
die Altstadt in zwei ungleiche Teile. Eine Menge Geschäfte locken<br />
zu Einkehr und Umschau.<br />
Mich zieht es in die engen Gassen jenseits dieses knapp 400 m<br />
langen Boulevards. Dort ist es still, sie atmen den Geist der<br />
Vergangenheit. Das Licht spielt mit den Mauern Verstecken,<br />
durchglüht Laternen, lässt sie ohne Strom brennen. Eine Katze<br />
läuft vor uns davon. Interessant sind die steinernen<br />
Fensterkreuze, die vielfach geteilten Fensterscheiben, das alte<br />
Fachwerk, Holzbalkone, die Schieferdächer. Efeu klettert an<br />
der Mauer empor, Blumenranken fallen aus den Kästen auf die<br />
Fassaden, hängen aus Töpfen und verschönern alles mit<br />
anderen Farben. Es sind Bilder des Friedens.<br />
Es geht etwas aufwärts, durch ein Tor der alten Stadtmauer<br />
hindurch und noch ein Stück weiter; oben braust von weitem<br />
der Verkehr auf der südlichen Umfahrungsstraße, dem<br />
Boulevard Eugène le Roy. Doch der Plan rät, wieder die<br />
nächste Gasse zurück zu wählen. Sie führt auf die Rue Jean-<br />
Jacques Rousseau, die wir nun entlang wandern, um am Ende<br />
wieder über einige kleine verträumte Plätze zum<br />
Ausgangspunkt zurückzukehren.<br />
Am liebsten wäre ich in ein kleines Antiquariat eingetaucht, das am Wege lag und in den<br />
Bücherkästen gekramt. Mein Französisch ist zwar recht mangelhaft, doch die alte Folianten,<br />
abgegriffen, in unansehnliches Leder gebunden, manche zweihundert Jahre alt, die haben<br />
Generationen überlebt, sie sprechen von der Vergangenheit. Vergilbte Fotos aus der Gründerzeit,<br />
Xylografien …Friedhöfe erzählen viel aus alten Zeiten und- Bücher. Alle haben sie einen Besitzer<br />
gehabt, der mit ihnen alt geworden ist. Schließlich haben sie ihn überlebt. Ein nächster stellte sie in<br />
seinen Bücherschrank. Manches Buchschicksal war es auch, im staubigen Regal eines Antiquars<br />
Jahrzehnte zu verdämmern. Fachliteratur ist darunter über heute vergessenes Handwerk, alte<br />
Kochbücher, belehrende Haushaltbücher für die jungen Mädchen und einst populäre<br />
„Doktorbücher“, die immer vor den Kindern unter Verschluss gehalten wurden wegen der<br />
ausklappbaren Bilder, sündhaftes erstes Aufklärungsmaterial. Das ist in Frankreich nicht anders als<br />
bei uns gewesen. Und das alles zu entdecken und dem <strong>nach</strong>zuspüren…<br />
Der Strom der Passanten nahm uns wieder auf. Der Zauber der stillen Gässchen war vorbei. Wir<br />
trafen nun auch bekannte Gesichter aus unserer Gruppe. Die Auslagen eines Delikatessengeschäftes<br />
warben neben anderen Köstlichkeiten für foie gras und miel de pays. Wir verkniffen es uns, etwas zu<br />
kaufen, wurden wir doch gut verpflegt. Das Gepäck war schwer genug.<br />
© R. Bührend, Sommer 2006 Seite 70