Reise nach Zentralfrankreich - Eberhardt TRAVEL
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Unterstützt werden diese Weisungen durch die Gesten seiner Arme. Der rechte zeigt zum Gruße an<br />
die Seligen <strong>nach</strong> oben, der linke stößt die Verdammten in das Reich des Teufels hinab.<br />
Mit diesen Gesten scheint Christus das großartige Geschehen um ihn herum zu lenken, das sich nun<br />
bereits seit acht Jahrhunderten auf dem Kirchenvorplatz abspielt.<br />
Christus thront in einem Rahmen aus Sternen und Wolken, die durch Reihen von Girlanden<br />
dargestellt sind. Er ist von allen seinen Engeln umgeben. Zu seiner Linken schwenkt ein Engel einen<br />
Weihrauchkessel, ein anderer hält das aufgeschlagene Buch des Lebens. Zwei weitere Engel, die mit<br />
Schwert und Lanze bewaffnet sind, haben die Aufgabe, die wimmelnde Masse der Teufel und<br />
Verdammten am Eingang zur Hölle unter Kontrolle zu halten.<br />
Zu Füßen von Christus tragen zwei aus einer Wolke herausragende Engel Fackeln, denn vom Tag<br />
des Jüngsten Gerichts heißt es: „Die Sonne wird sich verdunkeln, und der Mond wird nicht mehr<br />
scheinen…“ In den Ecken rechts und links des oberen Registers blasen zwei Engel die Trompete<br />
zum Jüngsten Gericht. In der Mitte ganz oben halten zwei weitere Engel das riesige Kreuz über<br />
Christus. Der Zug der Auserwählten, der sich auf die Rechte des Herrn zubewegt, wird von der<br />
Jungfrau Maria angeführt, gefolgt von Petrus mit dem Schlüssel zum Paradies. Beide tragen im<br />
Gegensatz zu den irdischen Gläubigen, die sich hinter ihnen drängen, einen Heiligenschein.<br />
Eingeweihte bestätigen, dass der Künstler die Kühnheit besaß, die wichtigen Persönlichkeiten des<br />
Klosters von Conques in diesen triumphalen Zug einzubeziehen: den Einsiedler Datus als Gründer<br />
des Klosters, dann einen Abt mit seinem Hirtenstab, der an der Hand Kaiser Karl den Großen, den<br />
legendenhaften Förderer des Klosters an der Hand <strong>nach</strong> sich zieht. Da aber der Kaiser durchaus mit<br />
Sünden beladen ist, tragen zwei Mönche hinter ihm Schätze, die auf himmlischen Ablasshandel<br />
abzielen.<br />
Unter Christus ist die Szene des himmlischen Wägens dargestellt, in der sich der Erzengel Michael<br />
und ein spöttischer Teufel herausfordernd anblicken. Obwohl der Teufel zu mogeln versucht, indem<br />
er seinen Zeigefinger auf die Waagschale drückt, fällt das Wiegen zugunsten der guten Taten aus.<br />
Links ist die Auferstehung der Toten so lebendig dargestellt, als handele es sich um einen Film: Mit<br />
Hilfe der Engel, die den Sargdeckel hochheben, steigen die Toten einer <strong>nach</strong> dem anderen aus ihren<br />
Sarkophagen.<br />
Das untere Register besteht aus zwei Teilen: Links die Darstellung des Paradieses in Form einer<br />
idealisierten Architektur, die mit ihren Zinnen, Säulen und Arkaden das „Himmlische Jerusalem“<br />
symbolisiert. In der Mitte sitzt Abraham und hält in seinen Armen zwei Kinder, die deren Unschuld<br />
bedeuten sollen. Er ist von mehreren Figuren umgeben, die streng in Zweiergruppen geordnet<br />
jeweils unter einer Arkade stehen: die weisen Jungfrauen mit ihren Lampen, die Märtyrer mit ihren<br />
Palmenzweigen und die Apostel mit ihrem Buch. An der Pforte zum Paradies empfängt ein Engel<br />
die Auserwählten.<br />
Hinter einer Wand sieht man einen mit einer Keule bewaffneten Teufel, der die Verdammten in den<br />
entsetzlichen Schlund der Hölle treibt.<br />
In krassem Gegensatz zum himmlischen Frieden stellt der Bildhauer und Schöpfer dieses Werkes<br />
das Chaos und Durcheinander in der Hölle dar. Satan sitzt als Pendant zu Abraham in der Mitte der<br />
rechten Szene. Die Füße auf den Bauch eines Verdammten gestellt, liegt er in den Flammen und<br />
dirigiert, wie gesagt wird, als Faulpelz die wahnsinnigen Folterungen, die die Verdammten zu<br />
erleiden haben. Um ihn herum sind zahlreiche Teufel damit beschäftigt, die Todsünder mit<br />
sichtbarer Freude zu quälen. Eine buhlerische Frau und ihr Liebhaber werden, mit Stricken<br />
aneinander gebunden, vor den Satan geschleppt und warten auf sein Urteil. Der Geizhals mit seiner<br />
Geldbörse am Hals und einer Kröte unter seinen Füßen wird weit über dem Boden an einem kurzen<br />
Strick erhängt. Ein Teufel reißt die Zunge aus dem Mund einer kleinen sitzenden Figur, die die<br />
Verleumdung oder üblen Nachrede symbolisiert.<br />
© R. Bührend, Sommer 2006 Seite 84