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© Wiener Tafel/Alexandra Kromus; Wiener Tafeln (2); Wiener Tafel/Andreas Scheiblecker; fej<br />
16 – medianet retail TiTelsTory Freitag, 7. Dezember 2012<br />
City Tour Die freiwilligen Helfer Robert und Elmar erzählen, warum sie für die Wiener Tafel Lebensmittel ausliefern<br />
Tiefkühl-Fertigfisch fürs<br />
Wiener Männerwohnheim<br />
Handel & Industrie immer spendenwilliger, Entscheidung über Lebensmittelverbleib oft eine Zeitfrage.<br />
N<strong>at</strong>alie OberhOlleNzer<br />
Wien. Einmal in der Woche rücken<br />
die beiden Pensionisten Robert und<br />
Elmar mit einem Lieferwagen der<br />
Wiener Tafel aus. Diesmal sind es<br />
knapp 50 Kartons Schlemmerfilets<br />
von Iglo, die die beiden in einem<br />
Kühlhaus abholen. Laut Plan hätten<br />
es nochmal so viele Einheiten<br />
mit Hühnernuggets sein sollen,<br />
doch die waren dann doch nicht<br />
mehr im Lager.<br />
„Das ist eine heute sehr <strong>at</strong>ypische,<br />
unterdurchschnittliche<br />
Menge“, sagt Elmar, als er sich<br />
auf den Weg zu den verschiedenen<br />
Standorten macht, für die der Fisch<br />
bestimmt ist: Obdachlosenheime,<br />
Frauenhäuser, Flüchtlingsheime,<br />
Männerwohnheime oder Häuser<br />
der Heilsarmee. Wenig Ware heißt<br />
umdisponieren.<br />
Die beiden überlegen, ob sie die<br />
ganzen geplanten Orte abfahren<br />
und geringere Mengen geben oder<br />
die letzten auf der Liste streichen,<br />
um den restlichen mehr ausliefern<br />
zu können. „Ich gebe lieber wenigen<br />
viel als vielen wenig“, sagt Elmar.<br />
Bei der ersten St<strong>at</strong>ion, einer Stätte<br />
für in Not ger<strong>at</strong>ene Männer, wird<br />
klar, warum. Ein Zivi kommt, um<br />
die Ware in Empfang zu nehmen.<br />
„Und die Nuggets?“, fragt er und<br />
schaut enttäuscht in den Wagen.<br />
Normalerweise, erklärt Robert,<br />
hätten die Leute aber ein Lächeln<br />
in den Augen, wenn er ihnen die<br />
Ausbeute überreicht. Das sei auch<br />
der Grund, warum er sich für die<br />
Freiwilligenarbeit entschieden habe:<br />
„Es gibt dem Tag mehr Sinn.“<br />
Bis zu drei Tonnen Lebensmittel<br />
liefert die Organis<strong>at</strong>ion jeden<br />
Tag an Bedürftige in über 80 verschiedene<br />
Sozialeinrichtungen im<br />
Großraum Wien. Sie ist dabei angewiesen<br />
auf die Spenden von Handel<br />
und Industrie, auf Ware, die<br />
sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
im Müll landen würde. Rund<br />
120 Sponsoren machen mit, darunter<br />
der äußerst freigiebige Bäcker<br />
buchtipp Auftakt der kulinarischen Heftsammlung „Rezepte mit Sinn“<br />
Kochbüchlein mit Anti-Verschwendungsauftrag<br />
Wien. Gemeinsam mit N<strong>at</strong>halie Pernstich vom Wiener Buch- & Ess-<br />
Laden Babette‘s kreierte die Wiener Tafel drei ganz spezielle Kochbücher:<br />
In der Sammeledition „Rezepte mit Sinn“ werden Anleitungen<br />
für Speisen gegeben, die für einen bewussten Umgang<br />
mit Lebensmitteln stehen. Die ersten drei Ausgaben<br />
widmen sich den Themen Suppe, Rezepten mit Erdäpfeln<br />
und Festmenüs. „Ziel der Büchlein ist, den Wert der Nahrungsmittel<br />
freudvoll und positiv besetzt zu vermitteln“, erklärt<br />
Wiener Tafel-Pressesprecher Markus Hübl. Von jedem verkauften<br />
Exemplar geht 1 € Spende an die Organis<strong>at</strong>ion, die damit bis zu<br />
zehn Armutsbetroffene mit Lebensmitteln versorgen kann. Firmen,<br />
die ihren Mitarbeitern solche Kochbüchlein zu Weihnachten schenken<br />
möchten, haben ab einer Bestellung von 100 Stück sogar die Möglichkeit<br />
eines individuellen Drucks im Inneren des Hefts.<br />
Geier, der jeden Tag bis zu 50 Kisten<br />
verschenkt. Die Interspar-<br />
Märkte im Döblinger Einkaufszentrum<br />
Q19 und in Korneuburg zählen<br />
ebenfalls zu den Großzügigen, dazu<br />
einige Billa- und Lidl-Filialen. Oft<br />
ist es schlicht eine Zeitfrage: Ob die<br />
Zuständigen im Lager dazu kommen,<br />
die Ware auszubuchen entscheidet,<br />
ob sie weggeworfen oder<br />
den Bedürftigen zugeführt wird.<br />
Süßes, Krummes, Kleines<br />
Womit die Tafel den Speisezettel<br />
der Armen bereichert? „Die in der<br />
Suchthilfe wollen meistens nur<br />
Süßes, es ist oft das einzige, was<br />
sie essen können“, erklärt Elmar.<br />
Beim Süßen sind es oft Saisonartikel,<br />
derzeit Adventkalender oder<br />
Nikoläuse. Trockensortimente wie<br />
Nudeln, bei denen die Verpackung<br />
kleine Depscher h<strong>at</strong>, sind beliebt,<br />
oder Gemüse von den LGV-Gärtnern,<br />
die berühmten krummen Gurken<br />
oder zu klein ger<strong>at</strong>ene Erdäpfel,<br />
die in Wahrheit sogar besser<br />
schmecken als die großen. Nicht<br />
tiefgekühltes Fleisch nimmt man<br />
aus Hygienegründen weniger gern.<br />
Auch mit allzu vornehmem Essen<br />
wie bei Edelc<strong>at</strong>erings übriggebliebenem<br />
Räucherlachsscheiben ist<br />
man vorsichtig. Viele der Kunden<br />
kennen, ergo mögen, so was nicht.<br />
Hygieneartikel wie Duschgel & Co<br />
sind dagegen sehr gefragt. Zweimal<br />
die Woche geht die Tafel auf<br />
Sammeltour am Naschmarkt oder<br />
am Brunnenmarkt: Dort gebe es<br />
sTadTbekannTe<br />
Fixgrösse<br />
Alles begann vor über zehn Jahren mit<br />
einem geliehenen Kleintransporter und<br />
einem Pkw. Heute verfügt die Wiener<br />
Tafel über fünf Wägen und versorgt an<br />
die 12.000 armutsbetroffene Menschen<br />
im Großraum Wien mit Lebensmitteln.<br />
Events wie jener unter dem Motto „Suppe<br />
mit Sinn“ und der dortigen prominenten<br />
Unterstützung (letztes Bild) helfen der<br />
Organis<strong>at</strong>ion beim Spendensammeln und<br />
sorgen für noch mehr Bekanntheit.<br />
besonders spannende Sachen abzustauben<br />
und die Leute behandelten<br />
einen meist ganz herzlich.<br />
Priv<strong>at</strong>e haben vor Weihnachten<br />
die Möglichkeit, Spenden an<br />
die Organis<strong>at</strong>ion abzugeben. Dann<br />
stellt der Lageranbieter „My Place“<br />
Abteilungen zur Verfügung; die Dinge,<br />
die vorbeigebracht werden, verteilt<br />
die Tafel rund um die Feiertage<br />
in den Einrichtungen. Zu den Fixpunkten<br />
bei den Belieferten gehört<br />
indes das Haus der Missionarinnen<br />
der Nächstenliebe am Mariahilfer<br />
Gürtel. Im Ort, in dem früher einmal<br />
ein Bordell untergebracht war,<br />
werden heute Tag für Tag um die<br />
200 Bedürftige mit Essen versorgt.<br />
„Es war früher ein Haus der Liebe<br />
und es ist jetzt ein Haus der Liebe“,<br />
soll Dompfarrer Toni Faber die Lokalität<br />
kommentiert haben.<br />
facts<br />
Die von Martin Haiderer im Jahr 1999 gegründete<br />
Organis<strong>at</strong>ion „Wiener Tafel“ leistet<br />
tägliche Transferarbeit. Der spendenfinanzierte<br />
Sozial- und Umweltverein rettet jeden<br />
Tag bis zu drei Tonnen Nahrungsmittel und<br />
Hygieneartikel vor dem Müll und führt sie<br />
rund 12.000 armutsbetroffenen Menschen<br />
in über 80 Sozialeinrichtungen im<br />
Großraum Wien zu.<br />
An die 160 Partnerunternehmen, vorwiegend<br />
aus Handel und Industrie, überlassen<br />
der Organis<strong>at</strong>ion bestimmte Waren, weitere<br />
Firmen leisten Hilfestellungen in Sachen<br />
Werbung, EDV oder Logistik.