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Prudens Bewohner - Siebenbuerger.de

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müssen und die meisten von uns waren wie auch ich schon einmal nur mit knapper Not<br />

davongekommen. Ich hatte ein Loch von einer Kugel in meinem Mantel, eine an<strong>de</strong>re<br />

Kugel hatte meinen Helm gestreift: Das En<strong>de</strong> war immer sehr nahe. Wenn ich von<br />

brenzligen Situationen spreche, hätte ich schon zwei an<strong>de</strong>re erwähnen sollen: von<br />

einer aus O<strong>de</strong>ssa und von einer aus Leningrad. Unsere Division wur<strong>de</strong> im Tiefflug von<br />

<strong>de</strong>utschen Stukas und Messerschmitts angegriffen, weil sie unsere ihnen frem<strong>de</strong>n<br />

rumänischen Uniformen als russische Uniformen verkannten. Wir mussten rasch eine<br />

große rumänische Fahne auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n ausrollen und Raketen in die Luft schießen,<br />

damit sie uns erkennen konnten.<br />

In Stalingrad waren wir ständige Zielscheibe. Raketen wur<strong>de</strong>n über uns abgefeuert Tag<br />

und Nacht. Russische Flugzeuge warfen nachts Leuchtbomben, um unsere Positionen<br />

fotografieren zu können und wir wur<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>n Tag bombardiert. Es war<br />

nervenaufreibend. Es war ein Wun<strong>de</strong>r, dass jemand überlebte und ich kann nicht<br />

glauben, dass irgendjemand dieses Schlachtfeld unbescha<strong>de</strong>t verlassen hat. Ich habe<br />

wirklich an <strong>de</strong>n Toren <strong>de</strong>r Hölle gelebt und Worte können nicht beschreiben, was das<br />

wirklich be<strong>de</strong>utete. Noch zwölf Jahre später hatte ich je<strong>de</strong> Nacht immer noch<br />

Albträume von Stalingrad.<br />

So viel zu <strong>de</strong>n Raketen, <strong>de</strong>n Kugeln und <strong>de</strong>n Bomben. Sie waren nur ein Teil unserer<br />

Tortur. Da gab es auch das Wetter. Es war unvorstellbar kalt; wir verloren mehr<br />

Soldaten durch <strong>de</strong>n Frost als durch Waffengewalt. Nachts kauerten wir in unseren<br />

Löchern, mit einer Decke und einer Zeltleinwand über <strong>de</strong>m Loch. Am Morgen lagen<br />

oft mehrere Zentimeter Schnee auf uns und wir fan<strong>de</strong>n viele unsere Kamera<strong>de</strong>n<br />

erfroren. Je<strong>de</strong>r von uns trug unter seinem Helm eine Pelzmütze und unter unserer<br />

Uniformjacke eine Weste aus Schafspelz. Trotz allem spürten wir die grimmige Kälte.<br />

Wenn wir einen Handschuh auszogen, erfror die Hand sofort, so kalt war es. Mir selbst<br />

waren die Füße erfroren und ich ging wie ein Krüppel. Aber die Kommandanten<br />

hielten mich noch nicht krank genug, um ausgeflogen zu wer<strong>de</strong>n. Man brauchte hier<br />

je<strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Mann. Bis zu einem bestimmten Punkt hatten wir uns gewöhnt, mit<br />

allgegenwärtiger Gefahr zu leben, an <strong>de</strong>n Frost jedoch konnten wir uns nie gewöhnen.<br />

Er schnitt uns buchstäblich <strong>de</strong>n Atem ab. Am Tag hatten wir wenig Zeit, Feuer<br />

anzuzün<strong>de</strong>n und in <strong>de</strong>r Nacht durften wir nicht. Gelegentlich konnten wir ein ganz<br />

kleines Häufchen getrocknetes Gras zusammentragen und anzün<strong>de</strong>n, um uns unsere<br />

Hän<strong>de</strong> zu erwärmen. Es war jedoch nicht leicht, <strong>de</strong>nn alles brennbare lag unter einer<br />

dichten Schnee<strong>de</strong>cke. Ohne je<strong>de</strong>n Zweifel: es war nicht die Tapferkeit <strong>de</strong>r Roten<br />

Armee, die uns besiegte, es war <strong>de</strong>r unerbittliche russische Winter, in <strong>de</strong>n uns Hitler<br />

hineingetrieben hatte.<br />

Wir hätten vielleicht auch <strong>de</strong>n Frost und <strong>de</strong>n Schnee ertragen, wenn wir nur genug zum<br />

Essen gehabt hätten, aber wir litten ständig Hunger. Wir starben nicht nur <strong>de</strong>n<br />

Erfrierungstod, wir starben auch <strong>de</strong>n Hungertod. Die Rationen waren so gering, daß<br />

wir um eine Kruste Brot kämpften. Hungernd und frierend wur<strong>de</strong>n wir in dieser<br />

Eiswüste langsam aber sicher wie verzweifelte wil<strong>de</strong> Tiere und <strong>de</strong>r Mensch als Tier ist<br />

das schrecklichste Tier, das es gibt. Bei vielen Gelegenheiten musste ich an folgen<strong>de</strong><br />

Verse <strong>de</strong>s berühmten <strong>de</strong>utschen Dichters Friedrich Schiller <strong>de</strong>nken:<br />

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