Prudens Bewohner - Siebenbuerger.de
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Wir wussten, dass wir faktisch umzingelt waren, obwohl man uns sagte, dass es noch<br />
eine enge Bresche gäbe, wo wir noch durchmarschieren könnten, wenn es notwendig<br />
sein sollte. Wir waren jedoch offensichtlich in Schwierigkeiten. Wo war unser<br />
Nachschub? Vielleicht war es gut, dass wir nicht alles wussten. Wahrscheinlich wäre<br />
die Wahrheit für uns nicht gera<strong>de</strong> ermunternd gewesen. Am12. Dezember machten die<br />
Deutschen einen verzweifelten Ausbruchsversuch durch <strong>de</strong>n russischen Gürtel, um<br />
uns zu befreien. Es gelang ihnen nicht. Wir waren in <strong>de</strong>r Belagerung, <strong>de</strong>m Untergang<br />
geweiht. Große Anstrengungen unternahm man, uns aus <strong>de</strong>r Luft zu versorgen, aber es<br />
war schwer durchzukommen und die Verluste an Flugzeugen waren hoch. Wir saßen in<br />
<strong>de</strong>r Falle am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stadt, die wir vergebens zu erobern versucht hatten. Nun war<br />
alles nur eine Frage <strong>de</strong>r Zeit.<br />
Unsere Nahrungsrationen schmolzen zu nichts zusammen und es blieb unerbittlich<br />
kalt. Einige von uns suchten nach ein wenig Stroh, um ein Feuer anzuzün<strong>de</strong>n. Plötzlich<br />
ent<strong>de</strong>ckten wir ein großes Fass mit Weizen, das ein russischer Bauer im Bo<strong>de</strong>n<br />
versteckt und mit Stroh getarnt hatte. Je<strong>de</strong>r durfte sich täglich zwei Handvoll Weizen<br />
nehmen und dieser glückliche Umstand erhielt uns am Leben, wenigstens vorläufig.<br />
Bis Weihnachten war nur noch eine Woche und es schien, als hätte ich zu feiern wenig<br />
Anlass. Aber für mich sollte ein Wun<strong>de</strong>r geschehen, ein teures Wun<strong>de</strong>r fürwahr, aber<br />
immerhin ein Wun<strong>de</strong>r. Es war <strong>de</strong>r 17. Dezember. Am Morgen schickte man eine kleine<br />
Gruppe von Sodaten zu einem Flüsschen, um die dortige Brücke mit Dynamit zu<br />
sprengen. Wir hatten erfahren, dass russische Tanks im Anmarsch waren, die uns<br />
angreifen sollten. Zu diesem Zweck mussten sie über diese Brücke kommen. Die<br />
Brücke war aus Eisen und sie stand auf Betonpfeilern. Wir brachten das Dynamit in Position<br />
und zogen uns zurück. Wir leiteten das Kabel zu einer Stelle, die 500 m weiter<br />
entfernt war, so dass wir vor umherfliegen<strong>de</strong>n Splittern sicher sein konnten. Wir<br />
versuchten alle uns ein wenig einzugraben, es war jedoch unmöglich, <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n war<br />
wegen <strong>de</strong>r Kälte hart wie Stahl. Wir warteten.<br />
Plötzlich tauchten zwei Tanks auf; als sie sich auf die Brücke schwangen, sprengte<br />
einer meiner Kamera<strong>de</strong>n die Brücke in die Luft. Die ersten fünf o<strong>de</strong>r sechs Tanks<br />
wur<strong>de</strong>n sofort außer Gefecht gesetzt, als es die Brücke zerfetzte. Die übrigen kehrten<br />
um. Wir vermuteten, die Russen wür<strong>de</strong>n versuchen, sofort eine Behelfsbrücke über<br />
<strong>de</strong>n Fluss zu bauen. Deshalb blieben wir auf unseren Positionen im Tal. Es näherten<br />
sich jedoch keine Tanks mehr. Dafür kamen aber Flieger. Woran ich mich noch<br />
erinnern kann, sind die riesigen schwarzen ,,Vögel", die über uns hinwegdonnerten<br />
und ihre Bomben auf uns herab warfen. Es war eine seltsame Rettung. Woran ich mich<br />
als nächstes erinnere, war, dass ich in einem Deutschen Rot-Kreuz-Flugzeug<br />
aufwachte. Wir lagen dort eng nebeneinan<strong>de</strong>r wie Sardinen. Die Maschine<br />
transportierte gewöhnlich bis zu fünfzehn Personen; hier lagen wir 25 einer neben <strong>de</strong>m<br />
an<strong>de</strong>ren. Ich war noch kaum bei vollem Bewusstsein, aber ich kann mich <strong>de</strong>utlich<br />
daran erinnern, wie wir von <strong>de</strong>r russischen Flackabwehr beschossen wur<strong>de</strong>n, als wir<br />
die russischen Linien überflogen. Nach mir kamen nicht mehr viele lebendig aus<br />
Stalingrad heraus. Wir lan<strong>de</strong>ten in Lemberg, in <strong>de</strong>r heutigen ukrainischen Stadt Lwow,<br />
unweit <strong>de</strong>r polnischen Grenze. Ich verbrachte etwa eine Woche dort in einem<br />
Militärkrankenhaus.<br />
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