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Prudens Bewohner - Siebenbuerger.de

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Von zu Hause erhielt ich monatlich etwa einen Brief. Trotz <strong>de</strong>r Zensur entnahm ich <strong>de</strong>n<br />

Schreiben, dass sich das Leben in Pru<strong>de</strong>n von Grund auf geän<strong>de</strong>rt hatte. Unter <strong>de</strong>n<br />

Kommunisten hatten die Deutschen ihr Eigentum verloren und die Verwandten, <strong>de</strong>ren<br />

Söhne o<strong>de</strong>r Väter gegen die Kommunisten gekämpft hatten, wur<strong>de</strong>n zu Opfern. Meine<br />

Mutter verlor ihren Grund und Bo<strong>de</strong>n und je<strong>de</strong>r musste aufpassen, was er sagt. Stalin<br />

war nun <strong>de</strong>r Herrscher und seine Geheimpolizei war allgegenwärtig.<br />

Während ich noch auf <strong>de</strong>r Plantation Farm <strong>de</strong>s Mr. Thompson arbeitete, suchte ich mir<br />

im November 1948 ein neues Quartier in Littleport, ein großes Dorf im Marschland mit<br />

etwa fünf tausend Einwohnern. Meine Wirtsleute waren sehr streng, <strong>de</strong>nn ich musste<br />

je<strong>de</strong>n Abend um zehn Uhr unbedingt zu Hause sein. An diese Abmachung konnte ich<br />

mich natürlich nicht lange halten. Eines Abends nahm mich Hermann Hi1<strong>de</strong>brandt,<br />

einer meiner Arbeitskollegen, in seinem Wagen mit nach Peterborough zu einer<br />

Vorstellung. Ich war fasziniert von einem armlosen Mann, <strong>de</strong>r mit seinen Zehen<br />

wun<strong>de</strong>rbar Violine und Kornett spielte. Es war fast Mitternacht, als wir zurück in<br />

Littleport waren. Ich war ausgesperrt wor<strong>de</strong>n. Die Nacht verbrachte ich bei Hermann<br />

und packte am nächsten Morgen meinen Koffer. Es gelang mir, eine ältere Frau zu<br />

überre<strong>de</strong>n, mich in ihrem Haus unterzubringen. Nach einigen Monaten war ihre<br />

Tochter meine Frau.<br />

Anfang Januar 1949 erhielt ich einen Brief, aus <strong>de</strong>m hervorging, dass ich nach<br />

Deutschland fahren müsse, um aus <strong>de</strong>m Deutschen Heer entlassen zu wer<strong>de</strong>n und dass<br />

ich anschließend dort einen Monat Urlaub verbringen könnte. Wir mussten uns wie<strong>de</strong>r<br />

in March mel<strong>de</strong>n und wir wur<strong>de</strong>n gefragt, ob wir Freun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Verwandte hätten, wo<br />

wir wohnen könnten. Ich hatte eine Nichte, die in einem Dorf auf einem Bauernhof<br />

neben Frankfurt am Main lebte. Ich wusste, dass ich dort wohnen könnte. Auch fragte<br />

man uns, ob wir für immer in West-Deutschland bleiben wollten. Ich sagte jedoch, dass<br />

ich zurückkommen wolle. Wir erhielten unser Gespartes zurück und ich schickte <strong>de</strong>n<br />

Scheck meiner Nichte, damit sie ihn einlösen könne, so dass ich, wenn ich ankäme,<br />

über mein Geld verfügen könne. Eine ganze Gruppe fuhr von Harwich aus per Schiff<br />

nach Hoek in Holland, wo wir übernachteten. Am nächsten Morgen brachte uns ein<br />

Zug nach Deutschland. In einem Militärlager in Münster wur<strong>de</strong> ich aus <strong>de</strong>m Deutschen<br />

Heer entlassen und nach acht Jahren kehrte ich wie<strong>de</strong>r ins Zivilleben zurück. Ich erhielt<br />

60 Mark Entlassungsgeld. Es war ein herrliches Gefühl zu wissen, dass ich von nun an<br />

selber entschei<strong>de</strong>n konnte und nicht mehr auf Befehle warten musste. In Münster traf<br />

ich viele meiner Kamera<strong>de</strong>n aus Trento und man kann sich vorstellen, wieviel wir<br />

erzählten und uns nach Freun<strong>de</strong>n und Verwandten erkundigten. Dann war Zeit für<br />

meinen Urlaub. Meine Nichte lebte auf einem Bauernhof in Bonames. Dort ließ ich es<br />

mir fünf Wochen lang gut gehen. Ich half ein wenig auf <strong>de</strong>r Farm aus. Im Vergleich zu<br />

meiner täglichen Arbeit in England, wo ich <strong>de</strong>n ganzen Tag schwer arbeiten musste,<br />

war dieses ein Kin<strong>de</strong>rspiel. Ich genoss je<strong>de</strong>n einzelnen Tag. Während ich dort war,<br />

fan<strong>de</strong>n drei Maskenbälle statt. An einen erinnere ich mich ganz beson<strong>de</strong>rs. Mädchen<br />

und Frauen trugen die Masken bis Mitternacht. Am besagten Abend tanzte ein<br />

Mädchen die ganze Zeit mit mir. Um Mitternacht wur<strong>de</strong>n nach einem Tusch <strong>de</strong>r Band<br />

die Masken abgenommen. Ich guckte meine neue Freundin erwartungsvoll an und<br />

konnte meinen Augen nicht trauen. Sie war min<strong>de</strong>stens 50 Jahre. "Oh Misch" brummte<br />

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