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Prudens Bewohner - Siebenbuerger.de

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Arbeiter mussten die Farmer <strong>de</strong>m Staat 15 Shilling pro Tag zahlen und wir erhielten<br />

weiterhin je<strong>de</strong> Woche unser Geld, wie oben erwähnt. Wir Siebenbürger hielten wie<br />

immer zusammen. Einige Farmer behan<strong>de</strong>lten uns tatsächlich sehr gut. Wenn wir harte<br />

Arbeit zu verrichten hatten, gaben sie uns Zigaretten o<strong>de</strong>r sogar zusätzlich Geld.<br />

Natürlich gab es auch an<strong>de</strong>re, die streng und gemein waren und versuchten, die letzte<br />

Kraft aus uns herauszupressen. Der erste Farmer, bei <strong>de</strong>m ich arbeitete, war einer von<br />

<strong>de</strong>r letzten Sorte. Dann verbrachte ich einige Wochen bei Mr. Haylock, <strong>de</strong>ssen Farm<br />

sich in Coveney befand. Er war ein großzügiger Mann. Wir trugen alle Kakiuniformen,<br />

die mit P.W. (Prisoner of War, auf <strong>de</strong>utsch: Kriegsgefangener) bedruckt waren. Bald<br />

gehörten wir zum vertrauten Bild <strong>de</strong>r Nachbarschaft.<br />

Mit <strong>de</strong>n Gefangenen <strong>de</strong>s Barton Fields Camp grün<strong>de</strong>ten wir wie<strong>de</strong>r einen Chor, viele<br />

waren auch Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Chores von Trento gewesen. Es war weitgehend ein Chor<br />

<strong>de</strong>r Siebenbürger. Wir organisierten Veranstaltungen im Lager, zu <strong>de</strong>nen wir Leute<br />

einlu<strong>de</strong>n. Unser Lagerkommandant war mit uns zufrie<strong>de</strong>n und wir wur<strong>de</strong>n eingela<strong>de</strong>n<br />

und gaben Konzerte im ganzen Distrikt. Schön langsam bemerkten die Leute, obwohl<br />

es lange gedauert hatte, dass wir schließlich auch Menschen waren. Außer <strong>de</strong>m Chor<br />

hatten wir eine Blaskapelle und ein Streichorchester und unsere Konzerte waren sehr<br />

beliebt. Michael Schuster war als Militärgeistlicher in Italien zurückgeblieben, aber<br />

unser neuer Dirigent hieß ganz zufällig auch Michael Schuster. Er stammte aus <strong>de</strong>m<br />

Dorf Wurmloch, unweit von Mediasch. Eines <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkwürdigsten Konzerte gaben wir<br />

in <strong>de</strong>r schönen Kathedrale von Ely. Eines Tages, als wir bei <strong>de</strong>r Arbeit waren, kam ein<br />

Farmer zu uns, um zu sehen, wie es uns ginge und er nannte uns "Good boys". Da uns<br />

das Englische noch ziemlich fremd war, verstan<strong>de</strong>n wir ihn nicht und dachten, er nenne<br />

uns "Bullocks" (auf <strong>de</strong>utsch: Ochse). "Ha, <strong>de</strong>r will, dass wir wie Ochsen arbeiten"<br />

dachten wir. Prompt arbeiteten wir nach Vorschrift. Der arme alte Farmer verstand<br />

unsere Reaktion nicht und bot uns zusätzliche Zigaretten an. Wir aber wollten nicht<br />

beschimpft wer<strong>de</strong>n und kehrten an jenem abend tief beleidigt zum Lager zurück. Ich<br />

entschloss mich, <strong>de</strong>n Lagerdolmetscher zu fragen, welche Beleidigung uns zugedacht<br />

wor<strong>de</strong>n war. Erst jetzt verstan<strong>de</strong>n wir, dass uns <strong>de</strong>r arme alte Mann uns ein<br />

Kompliment machen wollte. An <strong>de</strong>m Abend entschloss ich mich, Englisch zu lernen.<br />

In drei Wochen hatte ich so viel gelernt, dass ich mich beim Farmer für das<br />

Missverständnis entschuldigen konnte.<br />

Eine Woche vor Weihnachten 1946 gaben wir ein beson<strong>de</strong>res Weihnachtskonzert, zu<br />

<strong>de</strong>m alle Wür<strong>de</strong>nträger <strong>de</strong>r Stadt eingela<strong>de</strong>n waren. Das war ein großer Erfolg und<br />

trug beträchtlich dazu bei, dass wir von <strong>de</strong>n Gemein<strong>de</strong>mitglie<strong>de</strong>rn akzeptiert wur<strong>de</strong>n.<br />

Am Heiligen Abend waren wir zu einem Choralsingen in die St. Mary's Church in Ely<br />

eingela<strong>de</strong>n. Unser Chor sollte mit ihrem Kirchenchor singen. Der Pfarrer predigte<br />

zuerst und unser Dolmetscher übersetzte ins Deutsche. Dann predigte unser<br />

Lagerpater und es wur<strong>de</strong> ins Englische übersetzt. Die Chöre sangen ,,0h Come all ye<br />

Faithful" mit abwechseln<strong>de</strong>n Strophen in Deutsch und in Englisch. Dann sang ich die<br />

ersten zwei Strophen von "Stille Nacht, heilige Nacht" als Solist in Deutsch und <strong>de</strong>r<br />

Chor summte im Hintergrund. Nach <strong>de</strong>m Gottesdienst kehrten wir ins Lager zurück,<br />

um unser Fest zu feiern. Die Hauptstube war mit einem Weihnachtsbaum geschmückt<br />

und unser Chor sang die bekannten Lie<strong>de</strong>r und man sagte Gedichte auf und las<br />

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