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Prudens Bewohner - Siebenbuerger.de

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schlachteten und aßen wir. Die nächsten zwei Wochen entlu<strong>de</strong>n und verlu<strong>de</strong>n wir<br />

Militärlaster mit Versorgungsgütern in Hermagor. Danach brachte man uns per<br />

Eisenbahn zurück nach Italien, nach Ancona am Adriatischen Meer. Hier steckte man<br />

uns zum ersten Mal hinter Stacheldraht. Als wir unser kahles Gefangenenlager sahen,<br />

wussten wir, dass wir nicht so bald nach Hause fahren wür<strong>de</strong>n. In Ancona war es<br />

unangenehm heiß, das Essen war spärlich und schlecht. Zum Glück hatte ich meinen<br />

großen Koffer mitnehmen dürfen. Was ich dort noch an Vorräten aufbewahrte, half mir,<br />

diese Wochen leichter zu überstehen als manch einer unserer Kamera<strong>de</strong>n.<br />

In Ancona blieben wir bis spät im Juli. Dann verlud man uns wie<strong>de</strong>r in Lastkraftwagen<br />

und brachte uns nach Trento in Norditalien, wo wir die nächsten neun Monate<br />

verbringen sollten, in amerikanischen Zelten untergebracht, das Lager umgeben von<br />

Stacheldraht und bewacht von britischen und einigen polnischen Aufsehern.<br />

In Trento betrat ich <strong>de</strong>n Schwarzmarkt. Die Verpflegung war auch hier wie<strong>de</strong>r sehr<br />

schlecht und - was für viele noch schlimmer war - wir hatten keine Zigaretten mehr.<br />

Die Tauschrate begann mit vier Keksen für eine Zigarette. Dann wur<strong>de</strong>n sie teurer:<br />

sechs Kekse für eine Zigarette und eine Woodbine noch dazu. Wir schliefen zehn Mann<br />

in einem Zelt und oft teilten wir eine Zigarette, in<strong>de</strong>m je<strong>de</strong>r einige Züge tat. Ich dachte<br />

und sagte zu mir im Stillen: “Misch, das geht so nicht weiter." Ich besaß ein Paar<br />

hübsche <strong>de</strong>utsche Stiefel und ich entschloss mich, sie zu verschachern. Ich hatte einen<br />

Deutschen kennen gelernt, <strong>de</strong>r schon früher in Kriegsgefangenschaft geraten war. Er<br />

war in <strong>de</strong>n USA gewesen. Er war eigentlich immer noch Kriegsgefangener, aber er fuhr<br />

Laster für die Amerikaner und brachte Versorgungsgüter ins Lager. Ich verkaufte ihm<br />

meine Stiefel für italienische Tabakblätter, die ich mit einigen Freun<strong>de</strong>n fein schnitten<br />

und in leere Schokola<strong>de</strong>nbüchsen legten. Am nächsten Tag tauschte ich ein Paar<br />

Wollsocken, die ich noch aus <strong>de</strong>m Lager von Gorizia hatte, für Zigarettenpapier.<br />

Außer<strong>de</strong>m schenkte mir mein <strong>de</strong>utscher Freund 30 Pakete mit Keksen, von <strong>de</strong>nen ich<br />

die meisten an meine Zeltkamera<strong>de</strong>n verschenkte. Mein Kontaktmann war froh, dass<br />

er mich gefun<strong>de</strong>n und ich freute mich, dass ich ihn gefun<strong>de</strong>n hatte.<br />

Nach<strong>de</strong>m ich aus <strong>de</strong>m Tabak Zigaretten gedreht hatte, gab ich einige meinen<br />

Kamera<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Zelt. Danach machte ich mich auf die Socken zum<br />

Offizierspferch. Die Offiziere hatten genau so wenig Tabak wie auch wir und ich hatte<br />

keinerlei Schwierigkeiten, einen schneeweißen Arztkittel, <strong>de</strong>n mein<br />

Verbindungsmann gegen 80 Glimmstängel begehrte. Ein Oberst zückte eine prächtige<br />

Uhr aus purem Gold und fragte, wie viele Zigaretten ich dafür kriegen könne. "Wenn<br />

du sie für 200 Zigaretten verkaufen kannst", sagte er, "dann kriegst du 20 davon." Ich<br />

nahm die Uhr und um halb zehn Uhr am nächsten Morgen traf ich meinen<br />

Kontaktmann, als er mit seinem Laster ankam.<br />

Seine Augen leuchteten, als er die gol<strong>de</strong>ne Uhr sah. "Einer unserer Offiziere möchte<br />

diese Uhr verkaufen", sagte ich. "Er hofft dafür l000 Zigaretten zu erhalten." Er prüfte<br />

sie gründlich und war offensichtlich beeindruckt. "Könnte sie nicht billiger sein?"<br />

fragte er. "Ich weiß, dass du mir nicht die Wahrheit sagst." "Vielleicht verlangt er 800"<br />

sagte ich zweifelnd. Er schüttelte seinen Kopf. "Ich sag dir was" rief er, "ich gebe dir<br />

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