Prudens Bewohner - Siebenbuerger.de
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Nachtwächter, <strong>de</strong>ssen Aufgabe es war, das Dorf vor Dieben und Feuersbrünsten zu<br />
schützen. Auch weckten sie die Leute, <strong>de</strong>ren Kuh unverhofft vor <strong>de</strong>r Zeit kalbte o<strong>de</strong>r<br />
wenn eine Sau Kleine bekam. Unser Dorf hatte drei Nachtwächter, die am Tage ihrer<br />
Arbeit nachgingen und nachts als Wächter ihre Run<strong>de</strong>n drehten. In einer sehr dunklen<br />
Nacht - Michael Schuller durchschritt gera<strong>de</strong> ein Seitengässchen, als ihm aus <strong>de</strong>m<br />
Dunkeln ein Wolf auf <strong>de</strong>n Rücken sprang. Blitzschnell griff Michael zu seiner Schulter<br />
und presste die Schnauze <strong>de</strong>s Tieres so fest, dass dieses nicht in <strong>de</strong>r Lage war, seine<br />
Fänge in Michaels Nacken zu versenken. Welch ein fürchterlicher Kampf das gewesen<br />
sein muss! Michael war ein kräftiger Mann, aber es war keine leichte Sache, <strong>de</strong>n<br />
rabiaten Wolf an seiner Schulter festzuhalten. Der Nachtwächter rang um sein Leben<br />
und er war sich <strong>de</strong>ssen voll bewusst. Der Wolf kratzte mit seinen Hinterfüßen an Michaels<br />
schwerem Le<strong>de</strong>rmantel und schlug auf seinen Rücken. Irgendwie gelang es <strong>de</strong>m<br />
Wächter mit seiner tödlich gefährlichen Bür<strong>de</strong> bis zum nächsten Haus zu gelangen, wo<br />
seine Schreie <strong>de</strong>n Nachbarn weckten. Dieser eilte herbei und mit einer Axt tötete er <strong>de</strong>n<br />
Wolf auf <strong>de</strong>m Rücken <strong>de</strong>s Nachtwächters. Es war gera<strong>de</strong> noch einmal gut<br />
ausgegangen.<br />
Ich war noch in <strong>de</strong>r Schule, als Adolf Hitler Deutscher Kanzler wur<strong>de</strong>. Der Aufstieg zur<br />
Kriegsmacht versetzte nicht nur Rumänien, son<strong>de</strong>rn auch Jugoslawien, die<br />
Tschechoslowakei und die skandinavischen Län<strong>de</strong>r in Alarmzustand. Ich erinnere<br />
mich <strong>de</strong>ssen, was mein Vater aus diesem Anlass sagte: "Hitler wird nichts Gutes<br />
bringen." Wie alle Kin<strong>de</strong>r akzeptierte ich die Meinung meines Vaters und betrachtete<br />
sie als Wahrheit. Als eines Tages <strong>de</strong>r Lehrer ein Loblied auf Hitler anstimmte und sagte,<br />
welch vortrefflicher Mann er sei, mel<strong>de</strong>te ich mich und wie<strong>de</strong>rholte das Urteil meines<br />
Vaters: "Hitler wird nichts Gutes bringen." Dies trug mir eine Prügelstrafe mit <strong>de</strong>m<br />
Rohrstock ein und ich wur<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>r Klasse lächerlich gemacht. Aber meine Schulzeit<br />
war beinahe vorbei und im Sommer <strong>de</strong>s Jahres 1934 verließ ich die Schule und begann<br />
bei meinem Vater die Feldarbeit. Das war nicht das, wonach ich mich gesehnt hatte.<br />
Alle meine Träume hatten etwas mit Musik zu tun. In <strong>de</strong>r Schule war ich in mehreren<br />
Fächern keine Leuchte, aber in Musik war ich <strong>de</strong>r Beste <strong>de</strong>r Klasse. Nach<strong>de</strong>m wir die<br />
Schule verlassen hatten, gab <strong>de</strong>r Lehrer einigen von uns dreimal in <strong>de</strong>r Woche Privatunterricht<br />
in Musik. Das Problem war jedoch, dass <strong>de</strong>r Lehrer zu oft trank und so nicht<br />
in <strong>de</strong>r Lage war, diesen Unterricht or<strong>de</strong>ntlich zu gestalten. So verzichteten wir auf<br />
diese Stun<strong>de</strong>n und begannen unsere Instrumente nach Gehör zu spielen und bald hatten<br />
wir unsere eigene Band. Meine Lieblingsinstrumente waren die Mundharmonika und<br />
das Akkor<strong>de</strong>on. Wir spielten auf Hochzeiten, auf Tanzunterhaltungen in <strong>de</strong>n<br />
Nachbardörfern, bei Taufen o<strong>de</strong>r bei Namenstagfeiern. Für unsere Musik verlangten<br />
wir nicht viel Geld.<br />
Ich hätte zu unseren Namenstagen schon früher etwas sagen sollen. In Siebenbürgen<br />
feierten wir nicht die Geburtstage, son<strong>de</strong>rn die Namenstage, entsprechend <strong>de</strong>n<br />
Heiligen, <strong>de</strong>ren Namen man trug. Ich, zum Beispiel, heiße Michael; <strong>de</strong>shalb bereiteten<br />
meine Eltern für mich ein Fest am 29. September, das Fest <strong>de</strong>s Heiligen Michael vor.<br />
Wenn einer Georg hieß, so feierte er am 23. April, am Sankt Georgstag. Wer Johann<br />
hieß, <strong>de</strong>r feierte am 24. Juni, <strong>de</strong>m Sankt Johannistag. Lukas feierte am 18. 0ktober,<br />
Andreas am 30. November.<br />
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