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Prudens Bewohner - Siebenbuerger.de

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einen Brief und schickte ihn jedoch auf die Adresse meiner Tante, so dass mein Vater<br />

nichts davon erfuhr. Mein Bru<strong>de</strong>r rief mich zu sich nach Heltau zum Teppichknüpfen<br />

und teilte mir mit, dass ich dort schönes Geld verdienen könnte. Heimlich packte ich<br />

einige Sachen und verschwand, ohne jeman<strong>de</strong>m etwas zu sagen. Ich wusste, dass<br />

meine Eltern mich nicht hätten gehen lassen, wenn sie es gewusst hätten. In Heltau<br />

arbeitete ich einen Monat lang, aber als mein Bru<strong>de</strong>r eine Postkarte nach Hause<br />

schickte, um meinen Eltern zu sagen, dass es mir gut gehe, kam mein Vater und holte<br />

mich zurück nach Pru<strong>de</strong>n. Bis heute habe ich ein An<strong>de</strong>nken an diese Zeit als<br />

Teppichknüpfer. Eine Spinnmaschine hatte einen meiner Finger erfasst und heute noch<br />

ist <strong>de</strong>r Nagel dieses Fingers verunstaltet.<br />

So kehrte ich zurück nach Pru<strong>de</strong>n , ein kleines Dorf, das keine Schenke besaß, <strong>de</strong>nn<br />

je<strong>de</strong>r backte sein eigens Brot und kelterte seinen eigenen Wein. Nur die reichsten<br />

Bauern hatten Autos; es hungerte niemand, je<strong>de</strong>r hatte sein Auskommen. Wir waren<br />

ein zufrie<strong>de</strong>nes Völkchen.<br />

Das schrecklichste Abenteuer, <strong>de</strong>ssen ich mich erinnere, erlebte ich in <strong>de</strong>r Woche vor<br />

Weihnachten <strong>de</strong>s Jahres 1933. Obwohl es heute lustig anzuhören ist, war ich damals zu<br />

To<strong>de</strong> erschrocken. Ich war damals 14 Jahre alt, in meinem letzten Schuljahr. An diesem<br />

beson<strong>de</strong>ren Tag war ich mit meinen Eltern mit <strong>de</strong>m Pfer<strong>de</strong>schlitten zum Markt nach<br />

Elisabethstadt gefahren. Meine Eltern kehrten am Nachmittag ohne mich zurück, <strong>de</strong>nn<br />

ich sollte später in Begleitung meines Bru<strong>de</strong>rs, <strong>de</strong>r bei einem Schnei<strong>de</strong>rmeister <strong>de</strong>r<br />

Stadt in <strong>de</strong>r Lehre war, zu Fuß nach Hause kommen. Unglücklicherweise ging beim<br />

Meister ein unvorhersehbarer Auftrag ein und <strong>de</strong>r Meister konnte auf meinen Bru<strong>de</strong>r<br />

nicht verzichten, so dass er erst am nächsten Morgen nach Hause gehen konnte. Mir<br />

blieb nichts an<strong>de</strong>res übrig, als mich allein am späten Abend zu Fuß auf <strong>de</strong>n Heimweg<br />

zu machen.<br />

Wäre es eine Sommernacht gewesen, hätte es mir nichts ausgemacht. Die Berge und<br />

die Wäl<strong>de</strong>r und die Fel<strong>de</strong>r waren mir vertraut und <strong>de</strong>r Fußmarsch wäre mir ein<br />

Vergnügen gewesen. Dies war allerdings eine Winternacht. Ein ängstlicher kleiner<br />

Junge verließ Elisabethstadt. Ich erreichte ohne Zwischenfälle Halvelagen, unser<br />

Nachbardorf, etwa auf halbem Weg gelegen und nun folgte die letzte Etappe meines<br />

Marsches. Außerhalb von Halvelagen schlängelt sich <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>n Berg hinauf und<br />

durch <strong>de</strong>n Wald mit hohen Bäumen, <strong>de</strong>ren Wipfel oft über <strong>de</strong>r Straße<br />

zusammenschlagen und so einen finsteren, beängstigen<strong>de</strong>n Tunnel bil<strong>de</strong>n.<br />

Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen, ich war zu To<strong>de</strong> erschrocken, entsetzt.<br />

Etwa 50 Schritte vor mir erblickte ich auf bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r Straße je einen Wolf, die<br />

mir im Schutze einiger Büsche auflauerten. Ich wusste, wessen Wölfe fähig sind. In<br />

<strong>de</strong>n Sommermonaten sind sie nicht wirklich gefährlich, es sei <strong>de</strong>nn sie wür<strong>de</strong>n in die<br />

Enge getrieben. Im Winter jedoch, wenn sie Hunger haben und in Ru<strong>de</strong>ln auftreten,<br />

bil<strong>de</strong>n sie eine große Gefahr. Wenn sich ihre Zähne im Fleisch <strong>de</strong>s Opfers verbissen<br />

haben - und Wölfe haben es zunächst immer auf <strong>de</strong>n Hals abgesehen - öffnet sich ihr<br />

Gebiss nicht mehr, das Opfer muss ihnen entrissen wer<strong>de</strong>n. Das alles jagte mir durch<br />

<strong>de</strong>n Kopf, während ich verzweifelt nach einem Versteck suchte. Ein Baum war meine<br />

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