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Prudens Bewohner - Siebenbuerger.de

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In dieser Zeit begann ich einem Mädchen aus Halvelagen, einem Nachbardorf, <strong>de</strong>n<br />

Hof zu machen. Sie hieß Katharina Paul. Unsere Väter waren gute Freun<strong>de</strong>; sie waren<br />

im Ersten Weltkrieg in Sibirien zusammen in Kriegsgefangenschaft gewesen. Ich<br />

glaube die bei<strong>de</strong>n wollten uns, ihre Kin<strong>de</strong>r, verkuppeln. Deshalb war ich nicht sehr<br />

begeistert von dieser Sache. Je<strong>de</strong> Woche ging ich einmal zu ihr, aber es war eher<br />

meines Vaters wegen. An Sonntagen pflegte eine Gruppe von Jugendlichen auf einer<br />

Lichtung <strong>de</strong>s nahen Wal<strong>de</strong>s zu tanzen. Mein Bru<strong>de</strong>r und ich sorgten gewöhnlich für die<br />

Musik, <strong>de</strong>nn wir spielten Akkor<strong>de</strong>on, Mundharmonika o<strong>de</strong>r das Flügelhorn. Sogar in<br />

<strong>de</strong>r Kriegszeit herrschte bei uns im Dorf eine ausgelassene Fröhlichkeit.<br />

Im Mai 1943 kamen Hitler und Antonescu darin überein, dass Volks<strong>de</strong>utsche aus Rumänien<br />

zum Deutschen Heer gehen könnten, wenn sie gegen die Kommunisten kämpfen<br />

wollten. Nur wenige blieben in <strong>de</strong>r Rumänischen Armee, die überwältigen<strong>de</strong> Mehrheit<br />

wechselte zur Deutschen Armee. Das wollte ich auch tun. Die Entlohnung war fünfmal<br />

höher, vor allem aber wollte ich <strong>de</strong>utsche ärztliche Behandlung für mein Herz und für<br />

meine Füße. Deshalb fuhr ich nach Elisabethstadt und ließ mich dort von einem<br />

<strong>de</strong>utschen Militärarzt untersuchen. Er untersuchte mich gründlich und ich fiel durch. Ich<br />

wer<strong>de</strong> seinen Ausspruch nie vergessen: " Mit solch einer Puste - gemeint war das Herz -<br />

wirst du nicht weit kommen. Bleib lieber zu Hause und pass auf <strong>de</strong>ine Mutter auf."<br />

Anfang Juni bewarb ich mich wie<strong>de</strong>r. Ich fühlte mich stärker und dachte: "Wenn ich<br />

einigermaßen gesund bin, wer<strong>de</strong>n sie mich wie<strong>de</strong>r in die Rumänische Armee zwingen,<br />

und das will ich nicht." Dieses Mal wur<strong>de</strong> ich angenommen. Der Arzt untersuchte mich<br />

nur oberflächlich und ich verschwieg meine Herzschwäche. Ich füllte ein Formular aus<br />

und unterschrieb es , ein rumänischer Major war da, spielte <strong>de</strong>n Zeugen und entließ<br />

mich aus <strong>de</strong>r Rumänischen Armee. Nun war ich <strong>de</strong>utscher Soldat.<br />

Am 19. Juni 1943 kam es zum A<strong>de</strong>rlass in unserem Dorf, da alle kampffähigen Männer<br />

ihre Heimat auf einmal verließen. Fast die gesamte Bru<strong>de</strong>rschaft, alle, die erwachsen<br />

waren, wur<strong>de</strong>n erfasst, zusammen mit an<strong>de</strong>ren Männern im Alter von 17 bis 45 Jahren.<br />

Viele Tränen wur<strong>de</strong>n vergossen, als wir alle Abschied nahmen. Mein Vater war alt und<br />

schwach gewor<strong>de</strong>n. Er hielt mich fast 20 Minuten in seinen Armen und wollte mich<br />

nicht gehen lassen. "Oh, Misch", schluchzte er "ich wer<strong>de</strong> dich nie wie<strong>de</strong>r sehen." Er<br />

starb im nächsten Jahr. Wenn wir nicht bald abmarschiert wären, wäre ich selbst<br />

zusammengebrochen. Er hatte mich immer schwerstens bestraft, aber ich glaube, er<br />

liebte seinen Jüngsten am meisten. Mein Bru<strong>de</strong>r Franz, <strong>de</strong>r Schnei<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sechs Jahre<br />

älter war als ich, verließ das Dorf am selben Tag. Trotz <strong>de</strong>s Weinens gab je<strong>de</strong>s Mädchen<br />

<strong>de</strong>n schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Burschen kleine Sträußchen und Blumen wur<strong>de</strong>n ihnen vor die Füße<br />

geworfen. Wir marschierten aus <strong>de</strong>m Dorf auf <strong>de</strong>r Straße nach Elisabethstadt und an<br />

<strong>de</strong>r Spitze trug einer die Fahne <strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>rschaft. In Elisabethstadt erwartete uns ein<br />

Militärzug und auf je<strong>de</strong>m Waggon stand in Krei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Name eines Dorfes. Auf drei<br />

o<strong>de</strong>r vieren stand das Wort "Pru<strong>de</strong>n", an<strong>de</strong>re drei o<strong>de</strong>r vier waren mit "Halvelagen"<br />

beschriftet. Mit einem Ruck setzte sich <strong>de</strong>r Zug in Bewegung.<br />

Von diesem Tag an sollte ich meine Eltern und meine Familie nie wie<strong>de</strong>r sprechen und<br />

bis heute haben diese Augen, mein geliebtes Pru<strong>de</strong>n, nie wie<strong>de</strong>r gesehen.<br />

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