Prudens Bewohner - Siebenbuerger.de
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kräftigeren Eintopf und einen Tee mit Milch, was ein ungewöhnlicher Luxus war.<br />
Je<strong>de</strong>s Zelt war mit Tannenzweigen geschmückt. Ich war in <strong>de</strong>r Lage, je<strong>de</strong>m meiner<br />
Zeltkamera<strong>de</strong>n etwa 30 g Tabak zu schenken. Trotz allem waren wir in Gedanken zu<br />
Hause und viele von uns wun<strong>de</strong>rten sich. Ein ganzes Jahr lang hatte ich nur wenige<br />
Nachrichten aus <strong>de</strong>r Heimat erfahren. Vielleicht wür<strong>de</strong> das Jahr 1946 die Wen<strong>de</strong><br />
bringen. Wenigstens war <strong>de</strong>r Krieg zu En<strong>de</strong>.<br />
Im Mai 1946 wur<strong>de</strong>n wir erneut mit <strong>de</strong>m Zug in Richtung Sü<strong>de</strong>n verfrachtet nach<br />
Rimini, auch eine Stadt an <strong>de</strong>m Adriatischen Meer, grob 75 Kilometer von Ancona<br />
entfernt. Dank meiner kommerziellen Begabung verließ ich Trento so reich, wie ich es<br />
noch nie in meinem ganzen Leben war. In Rimini blieben wir bis August. Die<br />
Bedingungen hier waren viel besser: wir hatten mehr Beschäftigung, bessere<br />
Verpflegung, schönere und bequemere Betten. Bisher mussten wir uns mit Decken und<br />
Kartonunterlagen begnügen. Diese Verbesserungen be<strong>de</strong>uteten auch, dass es mit <strong>de</strong>m<br />
Schmuggel vorbei war. Es gab ihn noch, aber nur im Kleinen, kein Vergleich mit<br />
vorher. Ich sang weiter im Chor, ging je<strong>de</strong>n Sonntag zur "Kirche", die hier in einer<br />
Wellblechhütte untergebracht war.<br />
Dreimal in <strong>de</strong>r Woche brachte man uns hinunter zum Meer zum Ba<strong>de</strong>n. Das war ein<br />
Vergnügen, nicht nur weil man sich or<strong>de</strong>ntlich waschen konnte, son<strong>de</strong>rn auch weil man<br />
gewöhnliche Menschen sehen konnte bei <strong>de</strong>r Verrichtung ihrer täglichen Arbeit.<br />
Bisher waren wir selten außerhalb <strong>de</strong>s Gefangenenlagers gewesen. Diese Ausflüge<br />
zum Meer waren für uns willkommene Unterbrechungen im Lageralltag. Sie ließen<br />
uns wie<strong>de</strong>r von Neuem träumen. In Trento träumten wir immer nur vom Essen; in<br />
Rimini verbesserte sich das Essen und das Leben; so träumte je<strong>de</strong>r von Frauen. Nicht<br />
zufällig geschah es, dass sich einige Mädchen unter <strong>de</strong>m Stacheldraht hindurch<br />
zwangen, um das Lager zu besuchen.<br />
Glücklicherweise wur<strong>de</strong>n wir in Rimini weniger scharf bewacht, so konnten einige<br />
Gefangene unter <strong>de</strong>m Stacheldraht durchschlüpfen und sich verstecken. Auch ich<br />
spielte mit <strong>de</strong>m Gedanken durchzugehen. Aber wohin sollte ich flüchten? Eine<br />
italienische Familie hätte mich sicherlich gerne aufgenommen, aber sie war zu weit<br />
weg. Kurz bevor wir Gorizia verließen hatte ich ein Mädchen kennengelernt. Sie war<br />
die Tochter <strong>de</strong>s Schankwirts, <strong>de</strong>ssen Schenke einige von uns immer wie<strong>de</strong>r aufsuchten,<br />
wenn wir von <strong>de</strong>r Wachablösung kamen. Sie hatte einen Bru<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r eigentlich für die<br />
Partisanen arbeitete und in Rumänien Schulen besucht und im Erdölgebiet um Ploiesti<br />
gearbeitet hatte. Die Familie hatte mich ins Herz geschlossen und schlug mir vor, von<br />
meiner Einheit zu <strong>de</strong>sertieren und bei ihnen zu bleiben. Sie hätten mich in <strong>de</strong>n<br />
Gebirgen bei ihren Schafen versteckt, wo mich sicherlich niemand ent<strong>de</strong>ckt hätte. Es<br />
war eine große Versuchung und es gab viele Tränen, als ich mich entschlossen hatte,<br />
bei meinen Kamera<strong>de</strong>n zu bleiben. Damals hoffte ich in <strong>de</strong>r Tat, bald wie<strong>de</strong>r nach<br />
Pru<strong>de</strong>n zurückkehren zu können. Gorizia war nun zu weit weg. Wäre es näher an<br />
Rimini gewesen, hätte ich zu fliehen versucht, um mich dort nie<strong>de</strong>rzulassen.<br />
Aber mein Schicksal wollte es an<strong>de</strong>rs. In Rimini erhielt ich von Onkel Menning einen<br />
Brief, meine erste Post seit einem Jahr. Eines Morgens im August nach <strong>de</strong>m Appell<br />
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