Praktischer Teil - CNLPA
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Mit anderen Worten: Ist es so, dass die Bedeutung ein bestimmtes Werturteil nahe legt und<br />
dieses Werturteil wiederum Erlebens- und Verhaltensweisen hervorruft? Oder ist die Bedeutung<br />
selbst das Werturteil? In diesem Falle wäre eine Untersuchung darüber lohnend,<br />
inwieweit das Werturteil durch den Zusammenhang prädestiniert wird und aufgrund welcher<br />
Gesetzmäßigkeiten es zum Motor für Verhalten und Erleben aufsteigen kann. Im<br />
Rahmen dieser Arbeit kann die Beantwortung dieser philosophischen Frage sicherlich<br />
nicht geleistet werden. Die Frage, wo das Werturteil entsteht, soll an späterer Stelle nochmals<br />
aufgegriffen werden.<br />
1.2.2 Rollen im Reframing-Prozess<br />
Hinsichtlich der chinesischen Geschichte wäre noch zu klären, wer den neuen Zusammenhang<br />
(Reframe) herstellt und wer vom Reframing profitiert (Akteur und Rezipient, vgl. ab<br />
hier Abb. 3). Es gibt zumindest zwei Interpretationsmöglichkeiten. Zum einen kann die<br />
„reframende“ Person mit dem Empfänger des Reframing identisch sein. Das würde bedeuten,<br />
dass die Nachbarn durch das faktische Erfahren neuer Zusammenhänge von selbst<br />
darauf kommen, die Situation in einem neuen Rahmen zu betrachten. Der ursprüngliche<br />
Frame – mit günstiger oder ungünstiger Bedeutung – wird unter dem Eindruck des neuen<br />
Frames autonom ausgewechselt (Frame intern, Reframe intern aus Sicht der Nachbarn).<br />
Zum anderen kann der von den Nachbarn vorgegebene Frame ein Reframing erfahren<br />
durch den Vater, der weise die möglichen Implikationen internal vorwegnimmt (ohne sie<br />
zu benennen), nachdem er die Framings vernommen hat. Der Frame käme also von extern,<br />
der Reframe von intern aus Sicht des Vaters.<br />
Allgemein betrachtet kann eine Person im Kontext eines Reframing-Prozesses zumindest<br />
vier bis fünf Rollen einnehmen, je nachdem, wo welcher Prozess abläuft.<br />
(a) Finden beide Framing-Prozesse intern statt, so füllt er zumindest kurzzeitig die Rolle<br />
des „Erleuchteten“ aus, da er einen Framewechsel vorgenommen hat, der ihn irgendwie<br />
weiterbringt.<br />
(b) Wird ein selbst geschaffener Frame durch eine externe Instanz erfolgreich ins Wanken<br />
gebracht, so befindet sich die Person in der Rolle des Coachee, da er gewissermaßen als<br />
Schüler eines diesbezüglich Weiseren (oder Flexibleren) auftritt.<br />
(c) Bringt hingegen er einen Reframe zustande, der den Frame eines anderen zu relativieren<br />
vermag, dann befindet er sich in der Rolle des Coaches, da er diesem erfolgreich eine<br />
neue Sichtweise aufgezeigt hat. Eine kleine Variation dieses letzteren Falls besteht darin,<br />
dass der Reframe lediglich dazu benutzt wird, die eigene Weltsicht fortzuentwickeln, ohne<br />
den Reframe öffentlich kund zu tun. Vielleicht könnte man in diesem Falle auch sagen,<br />
dass er sich selbst coacht. Andernfalls mag die Rolle des Weisen passen, da er seine eigene<br />
Lebensklugheit erweitert.<br />
(d) Schließlich bleibt die Rolle des Beobachters übrig, bei der aus Sicht der Person sowohl<br />
Framing als auch Reframing extern geschehen und öffentlich gemacht werden. Dieser Fall<br />
dürfte eine interessante Variante der Reframing-Unterweisung sein, nimmt sie doch in unserem<br />
alltäglichen Zusammenleben eine bedeutende Stellung ein. Wenn wir Kindern ein<br />
Märchen erzählen, Erwachsenen einen Film zeigen oder generell eine Metapher zum Besten<br />
geben, dann steckt oftmals die Moral darinnen, dass die Dinge vielfach nicht so sind<br />
wie sie scheinen. Der „richtige Zusammenhang" zeigt sich erst bei genauerem Hinsehen.<br />
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