Praktischer Teil - CNLPA
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
wir einmal, das Beispiel mit den knirschenden Schuhen anders zu betrachten. Es sei mein<br />
Liegen im Bett das Ereignis, während das Knirschen von Schuhen und das sich Fernhalten<br />
anderer Geräusche den Kontext darstellen. Spüren wir dieser Szene innerlich nach, dann<br />
bemerken wir, dass die Bedeutung für uns nicht ganz dieselbe ist wie vor dem Ereignis-<br />
Kontext-Tausch. Vor dem Tausch wurde das Knirschen der Schuhe bewertet, nach dem<br />
Tausch das Liegen im Bett. Wir fragen uns einmal, was das Schlürfen der Schuhe zu bedeuten<br />
hat, das andere Mal, was das Im-Bett-Liegen zu bedeuten hat. Der Fokus ist ein<br />
anderer, obgleich die Konstellation identisch ist. Mit Konstellation soll hier die Gesamtsituation,<br />
gebildet aus allen stattfindenden Ereignissen (Tatsachen), bezeichnet werden (vgl.<br />
Abb. 4).<br />
Ausgeblendetes (Irrelevante / unbekannte Ereignisse)<br />
Kontext (Relevante Nebenereignisse)<br />
Ereignis (Relevantes Hauptereignis)<br />
Abbildung 4: Ereignis, Kontext und Ausgeblendetes bilden die Konstellation<br />
Übrigens ist bemerkenswert, dass ‚Bedeutung’ im Zitat 4 als quantitative Größe der Intensität<br />
eingeführt wird: es wird die (hohe) Bedeutung der "geringen" Bedeutung (engl.: "little<br />
meaning") gegenübergestellt. Da dies im Kontext weiterer (qualitativer) Bedeutungsverständnisse<br />
zur Verwirrung beitragen könnte - z.B. ist der Begriff "Bedeutungs-Reframing"<br />
(meaning reframing) nicht quantitativ gemeint - wollen wir in dieser Arbeit für diesen<br />
quantitativen Bedeutungsbegriff den Begriff "Relevanz" verwenden und von der hohen<br />
bzw. niedrigen Relevanz eines Ereignisses sprechen.<br />
Doch zurück zur Konstellation. Die allermeisten Ereignisse einer Konstellation werden als<br />
nicht relevant ausgeblendet. So mag das Ticken des Weckers auf dem Nachttisch als irrelevant<br />
ausgeblendet oder erst gar nicht wahrgenommen werden und für die Kontextdefinition<br />
folglich unberücksichtigt bleiben. Akzeptiert man diese Unterscheidungen, dann könnte<br />
Kontext als ein Ereignis oder Ereignisgeflecht aufgefasst werden, das einen als relevant<br />
bewerteten Zusammenhang mit einem Hauptereignis aufweist. Hauptereignis und Kontext<br />
zusammen aber bilden den Stimulus, auf den der Framegebende reagiert.<br />
Die zweite bemerkenswerte Information des obigen Zitates 4 ist die vorgenommene Unterscheidung<br />
zwischen geringer und hoher („ganz anderer“) Bedeutung bzw. Relevanz. Was<br />
kann damit gemeint sein? Es könnte gemeint sein, dass eine hohe Bedeutung vorliegt,<br />
wenn ein möglicher oder tatsächlicher Einfluss auf mein Leben bevorsteht, der ein hohes<br />
Maß an Involvement impliziert. Wenn es uns anrührt, hat es eine hohe Relevanz, weil es<br />
etwas in uns oder in unserem Leben "dramatisch" verändert. Lässt es uns eher indifferent,<br />
hat es eine geringe Relevanz, weil keine erheblichen Umstrukturierungen anstehen.<br />
Damit ist das Problem freilich nur verlagert, denn was ist schließlich das Wesen des Involvements?<br />
Zum einen ist festzustellen, dass es Naturelle gibt, die Veränderungen gegenüber<br />
in bestimmten Bereichen generell eher ablehnend gegenüberstehen (Metaprogramm ‚Sameness’).<br />
Zum anderen können Umstrukturierungen sowohl als erwünscht als auch als<br />
unerwünscht bewertet werden, wodurch Involvement entsteht. Es liegt demnach nahe, dass<br />
letztlich die Stärke des Willensimpulses die Höhe der Ereignisrelevanz in einem spezifizierten<br />
Kontext bestimmt.<br />
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