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Materialsammlung - Theater Marburg

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Mittelmäßige politische Führer und ein zur Karikatur verkommener öffentlicher Diskurs machen den liberalen Kapitalismus zu einer<br />

schlechten Werbung für die absolute Idee. Tatsächlich fragt man sich mancherorts, ob die jüngste Finanzkrise für den liberalen<br />

Kapitalismus dieselbe Bedeutung hatte wie der Fall der Berliner Mauer für den Kommunismus.<br />

Es besteht eine enervierende Ähnlichkeit zwischen der naiven Prämisse der Ökonomen vom vollkommen rationalen Markt und dem<br />

„dialektischen Materialismus“ des wissenschaftlichen Sozialismus. Durch die Verschleppung des Begriffs „Rationalität“ im Glauben,<br />

menschliches Verhalten vorhersagen (und daher potenziell kontrollieren) zu können, hat sich der arrogante Generalstab der Ökonomen,<br />

Banker und Bürokraten von heute nicht nur selbst kompromittiert, sondern auch den Grundbegriff von Freiheit.<br />

Wir haben keine wirkliche Alternative zum Markt, ebenso wenig wie wir über eine wirkliche Alternative zur Freiheit verfügen. Keines<br />

der Defizite oder Mankos marktwirtschaftlicher Ökonomien ist so schlimm, wie die Abhilfemaßnahmen dagegen. Aber ebenso wie jeder<br />

Akt individueller und kollektiver Freiheit den „realen Sozialismus“ bedrohte, müssen wir erkennen, dass die menschliche Freiheit – die<br />

Emanzipation der Kreativität – das Ende der Gewissheit bedeutet.<br />

Diese Ungewissheit schwächt den liberalen Kapitalismus nicht – im Gegenteil, sie ist die wesentlichste Quelle der Stärke dieses Systems.<br />

Sie erstreckt sich sehr wohl darauf, was Ökonomen über menschliches Verhalten und den Markt wissen können. In dieser Hinsicht ist die<br />

wichtigste Lehre aus 1989 und seinen Folgen, dass die Entwicklung einer Gesellschaft nie genau vorhergesagt werden kann. Und dass<br />

trotz großer Schwierigkeiten und Spannungen, der raue postkommunistische Kapitalismus von heute noch immer besser ist, als der<br />

degenerierte und tyrannische „reale Sozialismus“ von gestern. (2009)<br />

Norman Manea<br />

Norman Manea’s latest novel, Vizuina (The Lair) was published in Romania in 2010, and will appear soon in Brazil, France, Italy, Germany,<br />

Spain, Sweden, the US, and elsewhere.<br />

http://www.project-syndicate.org/commentary/from-kafka-to-gorbachev

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