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Materialsammlung - Theater Marburg

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Herz-Sommer: Er war der beste Freund meines Schwagers und ging bei uns ein und aus. Kafka ging mit meiner Schwester und mir<br />

spazieren oder ins Freibad. Er ging sehr gerne schwimmen.<br />

SZ: Wie wirkte er auf Sie?<br />

Herz-Sommer: Nicht unbedingt melancholisch. Wenn er mit uns unterwegs war, wirkte er eigentlich wie ein Kind. Er hat uns<br />

Geschichten erzählt, ich kann Ihnen leider nicht mehr sagen, von was sie handelten. Er hatte schöne, große braune Augen. Und er war<br />

ein ausgesprochen nobler Charakter. Kafka sprach übrigens perfekt Tschechisch, was nicht selbstverständlich war für einen Juden in<br />

Prag, denn man sprach zumeist Deutsch.<br />

SZ: Neben Kafka haben Sie auch Größen der Prager und Wiener Bohème kennengelernt. An wen können Sie sich erinnern?<br />

Herz-Sommer: Meine Eltern waren zum Beispiel befreundet mit den Eltern von Gustav Mahler. Ich habe auch Franz Werfel<br />

kennengelernt, er war nicht sehr sympathisch. Max Brod dagegen war als Schriftsteller nicht so erstklassig, aber als Mensch<br />

hervorragend, so hilfsbereit. Er verfasste auch viele Kritiken meiner Konzerte.<br />

SZ: Brod veröffentlichte nach Kafkas Tod auch dessen Werke.<br />

Herz-Sommer: Brod hatte einen Sinn dafür, was für die Ewigkeit ist. Er war klein gewachsen mit einem Höcker, aber er war umgeben<br />

von den schönsten Frauen, weil er überwältigend charmant war. Er hat einen Roman geschrieben, ich weiß nicht, wie er heißt, da komme<br />

ich drin vor: als Klavierlehrerin.<br />

SZ: Brod entkam den Nazis, Sie hingegen wurden mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach Theresienstadt, dem "Vorzeige"-KZ der Nazis,<br />

deportiert. Haben Sie dort ihr Wiegenfest begangen?<br />

Herz-Sommer: Schauen Sie, wir waren dort zwei Jahre, mein Mann hat nicht überlebt. Da hat man andere Sorgen, als den Geburtstag.<br />

Wir haben gehungert. Aber ich konnte dort auftreten, einige Hunderte mal sogar. Das gab mir eine ungeheure Genugtuung. Manchmal<br />

war ich sogar glücklich.<br />

SZ: Nach dem Krieg trafen Sie Max Brod wieder - in Israel.<br />

Herz-Sommer: Ja, wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht. Wir sprachen viel über Kafka und haben gemeinsam musiziert.<br />

SZ: Frau Herz-Sommer Sie gehen noch heute ohne Stock und spielen jeden Tag Klavier. Wie bleibt man so fit?<br />

Herz-Sommer: Ich war immer sehr sportiv und diszipliniert. Ich sagte Ihnen ja: Wir hatten eine spartanische Jugend. Jeden Tag wuschen<br />

wir Kinder uns mit eiskaltem Wasser. Das hat ungeheuer abgehärtet.<br />

SZ: Was wünschen Sie sich zum Geburtstag?<br />

Herz-Sommer: Gar nichts, Ich bin wunschlos. Ich habe das Glück in mir. Ich nehme das Leben so wie es ist, ich suche immer das Gute.

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