als PDF-Dokument herunterladen - Filmstiftung Nordrhein-Westfalen
als PDF-Dokument herunterladen - Filmstiftung Nordrhein-Westfalen
als PDF-Dokument herunterladen - Filmstiftung Nordrhein-Westfalen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Newsletter: Preise für deutsche<br />
Filme in Locarno, Venedig, San Sebastian<br />
und Berlin. Doch daheim in<br />
den Kinos retten die Komiker den<br />
Marktanteil. Wie kann man den<br />
hochgelobten Filmen helfen, ihr Publikum<br />
zu finden?<br />
Michael Schmid-Ospach: Wir<br />
haben ja in letzter Zeit mit „Good Bye, Lenin!”<br />
und „Das Wunder von Bern” sogar<br />
bewiesen, dass auch ausgezeichnete Filme<br />
Blockbuster werden können. Da haben<br />
wir Glück gehabt. Ich glaube aber<br />
auch, dass bei den anderen Filmen noch<br />
freie Besuchermargen sind, die wir durch<br />
verbessertes Marketing und durch ein besseres<br />
Image des deutschen Films ausschöpfen<br />
können.<br />
Wo liegen die Grenzen?<br />
Sich vorzustellen, dass wir an den<br />
Wochenenden zuschlagen, wie zum Beispiel<br />
„Troja”, halte ich für illusorisch. Aber<br />
das ist in anderen Gebieten der so genannten<br />
Bewusstseinsindustrie ähnlich:<br />
Richtig spannende neue Bücher kommen<br />
in der Auflage auch nicht an die „Jerry Cotton“<br />
Hefte heran.<br />
Das bedeutet: Hochkultur verkauft<br />
sich nicht?<br />
Verkauft sich sogar gut in der Gruppe,<br />
die für Hochkultur immer ansprechbar<br />
ist. Inwieweit sie auch andere anstecken<br />
kann, ist schwer vorherzusagen. Manchmal<br />
ist das ein echter Langstreckenlauf.<br />
Langstreckenläufer brauchen<br />
Ausdauer. Brauchen gerade kleine<br />
Filme nicht mehr Zeit im Kino, um<br />
entdeckt zu werden? Oder sollte<br />
man ihnen mit einem Neustart nicht<br />
eine zweite Chance geben?<br />
Die Situation in den Kinos ist ja nicht<br />
so, dass sie soviel Kraft und Luft hätten,<br />
sich auf schwierige Experimente besonders<br />
freudig einzulassen. Und wegen der zehn<br />
Prozent, die durch einen Neustart noch abzuschöpfen<br />
sind, erhebliche eigene Werbeanstrengungen<br />
zu machen, ist schon einiges<br />
verlangt. Ich hoffe aber, dass die intelligenteren<br />
Multiplexe und auch die geförderten<br />
kommunalen Kinos immer mal<br />
wieder Klassiker und Perlen rauskramen<br />
und in Reihen zusammen stellen. Ich könnte<br />
sofort zehn Filme sagen, die ich so gerne<br />
noch mal wieder sehen würde. Filme<br />
von denen ich denke, dass sie völlig zu Unrecht<br />
abgestürzt sind. Aber – und das gilt<br />
für Autorennen wie bei Kinos – der Zweitstart<br />
ist immer der schwierigere.<br />
Wohl auch, weil das Kino nicht<br />
mehr der einzige Ort ist, an dem man<br />
Filme sehen kann. Raubkopien werden<br />
ein Thema des Filmkongresses<br />
sein. Wie groß ist die Bedrohung?<br />
Es ist eine veritable Bedrohung.<br />
Wenn sie auf einer schlechten Kopie einen<br />
Film en miniature gesehen haben, dann<br />
gehen sie nicht noch mal ins Kino, selbst<br />
wenn er ihnen gefallen hat. Damit bringen<br />
sie sich um ein wichtiges Erlebnis und<br />
sie bringen die, die eine geistige und ma-<br />
18<br />
Zum Start des Internationalen Filmkongresses der <strong>Filmstiftung</strong> NRW<br />
verortet der Newsletter im Gespräch mit<br />
<strong>Filmstiftung</strong>s-Chef Michael Schmid-Ospach die Lage des deutschen Films.<br />
Interview mit Michael Schmid-Ospach<br />
Die Kraft der Bilder<br />
terielle Leistung erbracht haben, um den<br />
Ertrag ihrer Arbeit. Ich bin nicht für eine<br />
Kriminalisierung überhaupt, wohl aber<br />
strikt gegen die kommerziellen Piraten. Das<br />
ist kein Kavaliersdelikt.<br />
Gibt es bei der Jugend einen<br />
Wandel der Rezeption vom Kino zum<br />
Laptop?<br />
Das wäre absolut schrecklich, wenn<br />
das Kinoerlebnis so schrumpfen würde. Ein<br />
erheblicher Verlust, denn was man mit einer<br />
kleinen gebrannten Scheibe sehen<br />
kann, auch <strong>als</strong> Gruppenerlebnis übrigens,<br />
ist mit dem, was das Kino bieten kann, ja<br />
nicht zu vergleichen. Außerdem wird ja<br />
nicht unbedingt der neue Film von Oskar<br />
Roehler illegal gebrannt. Als aber die erste<br />
Raubkopie von „Good Bye, Lenin!” in<br />
China auftauchte, las sich das in der Presse<br />
fast <strong>als</strong> eine Erfolgsmeldung für die<br />
neue Stärke des deutschen Films.<br />
Das Problem der Raubkopien ist<br />
aber nicht das einzige Thema des<br />
Filmkongresses ...<br />
Wir werden die Filmkritik noch einmal<br />
beleuchten, denn unsere Großkritiker haben<br />
auch eine Verantwortung, sich und ihre Kri-<br />
Michael<br />
Schmid-<br />
Ospach,<br />
Geschäftsführer<br />
der<br />
<strong>Filmstiftung</strong><br />
NRW<br />
terien zu befragen und befragen zu lassen.<br />
Da gibt es genug Fragezeichen an die hohen<br />
Priester der endabrechnenden Kritik.<br />
Über was wird sonst noch diskutiert?<br />
Für die Branche lebenswichtig ist das<br />
Thema Verleih. Wir haben es „Lost in Distribution“<br />
genannt. Das ist ein lebenswichtiges<br />
Prolbelm der drängenden Art.<br />
Die Finanzierungsfrage ist auf dem Kongress<br />
sozusagen ein Kontinuum. Allen Themen<br />
gemeinsam ist, dass wir in einer national<br />
sich begreifenden Produktionslandschaft<br />
nicht die Erfolge haben können,<br />
die wir insgesamt brauchen, um Rückschläge<br />
überwinden zu können und stark<br />
genug zu sein, um uns gegenüber anderen<br />
Kontinenten zu öffnen und uns auch<br />
auf anderen Kontinenten zeigen zu können.<br />
Dazu gehört auch die Arbeit der<br />
Export Union, deren Gesellschafter<br />
die <strong>Filmstiftung</strong> werden wird. Wie<br />
wird es dort weitergehen?<br />
Die Export Union traditioneller Art ist<br />
ja eine Selbsthilfeorganisation der Branche.<br />
Heute ist es ein größeres Unternehmen mit<br />
vielen Verbündeten. Dem trägt die angestrebte<br />
Neugliederung Rechnung. Wir haben<br />
es hier mit einem sehr schwierigen<br />
Geschäft zu tun, in dem man Filme in<br />
Frankreich ganz anders platzieren muss <strong>als</strong><br />
in Los Angeles und auf dem subtilen Markt<br />
östlich von uns. Da reicht es nicht, irgendwo<br />
beim zweiten Frühstück in Cannes einen<br />
Film nach Lettland, in die Türkei oder<br />
was weiß ich wohin zu verkaufen und<br />
dann loszulassen. Wir müssen unsere Filme<br />
auch ein Stück <strong>als</strong> Botschaften<br />
Deutschlands rund um de Welt begreifen<br />
und entsprechend begleiten. Nur zu sehen,<br />
dass man die Kasse gefüllt hat, weil<br />
man einen Film in 14 Länder verkauft hat,<br />
ist zu wenig. Da gab es ja auch schon gute<br />
Anstrengungen, aber die muss man koordinieren<br />
und aktivieren.<br />
newsletter@filmstiftung.de – Spezial Filmkongress<br />
Nimmt das Ausland den deutschen<br />
Film <strong>als</strong> beachtenswertes Phänomen<br />
wahr?<br />
Natürlich wird der deutsche Film mit<br />
seinen Festivalerfolgen wahrgenommen.<br />
Da wird jetzt schon genau hingeguckt. Andererseits<br />
würde es mir schon reichen,<br />
wenn der deutsche Film endlich in der<br />
Normalität ankommt. Auf eine revolutionäre<br />
Erneuerung des Weltkinos aus<br />
Deutschland wartet niemand.<br />
Dabei passiert gerade im Doku-<br />
Bereich derzeit sehr viel. Mit „Die<br />
Spielwütigen” „Die Mitte” und „Höllentour”<br />
laufen im Juni gleich drei geförderte<br />
Dokus im Kino. Außerdem<br />
hat die <strong>Filmstiftung</strong> NRW mit ihrem<br />
Gerd-Ruge-Stipendium für den<br />
Nachwuchs gesorgt. Sind weitere<br />
Doku-Initiativen in Planung?<br />
Der Ruge-Preis hat wirklich noch an<br />
Profil gewonnen. „Worldwide“ heißt ein<br />
Projekt (Details siehe Seite 6), dass sich an<br />
den internationalen Markt richtet und das<br />
wir mit WDR-Intendant Fritz Pleitgen zusammen<br />
angestossen haben. Wie übrigens<br />
die Doku „Höllentour“ auch.<br />
Was werden die Highlights des<br />
Kinoherbstes?<br />
Ich werde mich nicht <strong>als</strong> Orakel versuchen.<br />
Die sind im Augenblick nicht allzu<br />
hoch im Kurs: In Petersens „Troja” zum<br />
Beispiel kam Kassandra überhaupt nicht<br />
vor. Trotzdem denke ich, dass Otto Waalkes<br />
„Die sieben Zwerge” ein guter Film ist,<br />
der intelligente Unterhaltung verspricht,<br />
und natürlich der neue Film von Oskar<br />
Roehler „Agnes und seine Brüder”. Und<br />
dann setze ich auf die kleinen und großen<br />
Wunder. Filme, wie „Bella Martha”, die<br />
plötzlich einen unerwarteten Erfolg haben,<br />
denn wenn ich etwas ganz sicher vorhersagen<br />
kann, dann dass auch in diesem<br />
Sommer und Herbst die Bilder ihre Kraft<br />
entfalten werden.