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Seit Ende März verhandeln der Bundesverband Deutscher<br />
Fernsehproduzenten (BDF), die AG Neuer Deutscher Spielfilm-<br />
produzenten und der Verband deutscher Spielfilmproduzenten<br />
mit der Gewerkschaft Ver.di, die drei Flächentarifverträge<br />
für Film- und Fernsehschaffende gekündigt hatte.<br />
Tarifgespräche<br />
Im Focus der<br />
Verhandlungen<br />
VON PETER HANEMANN<br />
26<br />
Es geht um Honorare, Urheberrechte<br />
und Arbeitsbedingungen – und um die<br />
Besonderheiten eines filmwirtschaftlichen<br />
Arbeitsmarktes, für den kurzfristige<br />
Beschäftigungsverhältnisse typisch<br />
sind. Anders <strong>als</strong> bei anderen Tarifverhandlungen<br />
stehen die Verhandlungspartner unter<br />
besonderem politischen Druck. Der Druck<br />
wird durch die Reformen des Sozialversicherungssystems<br />
erzeugt – kurz: Hartz - und durch<br />
die andauernde Spardebatte über öffentliche<br />
Ausgaben. Davon ist auch das Finanzvolumen<br />
des öffentlich-rechtlichen Systems berührt. Vor<br />
gut einem Jahr gab NRW-Ministerpräsident<br />
Peer Steinbrück den Ton an: Zuerst in Berlin<br />
und dann auf dem Medienforum NRW in Köln<br />
verlangte er ein Moratorium bei den Rundfunkgebühren<br />
und problematisierte zugleich<br />
Struktur und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks. Im Herbst schlossen sich ihm<br />
seine Kollegen Edmund Stoiber (Bayern) und<br />
Georg Milbradt (Sachsen) an. Die Anstalten begegneten<br />
dem öffentlichen Druck mit dem<br />
Hinweis, dass sie längst begonnen hätten zu<br />
sparen. So kündigte WDR-Intendant Fritz Pleitgen<br />
für die Gebührenperiode 2005 bis 2008<br />
Beim Film geht es immer auch um Kohle:<br />
Moritz Bleibtreu und eine Tasche voller Geld<br />
in „Lola rennt“, Foto: Prokino<br />
„Einsparungen von netto 1,6 Milliarden Euro“<br />
an. Der Druck von oben wird nach unten<br />
weitergereicht. WDR-Fernsehdirektor Ulrich<br />
Deppendorf gibt ihn an Fernsehspiel-Chef<br />
Gebhard Henke mit dem Hinweis weiter, bei<br />
den Budgets zu sparen und auch auf die Höhe<br />
der Schauspielergagen zu achten. Die Botschaft<br />
kommt auch bei den Produzenten an,<br />
die seit Jahren über zu hohe Gagen klagen.<br />
Für BDF-Justitiar Johannes Kreile etwa steht<br />
fest, „dass Schauspieler mehr <strong>als</strong> angemessen<br />
bezahlt werden“.<br />
Trend zur Pauschalierung<br />
Tatsächlich aber stehen die Gagen für Schauspieler<br />
nicht im Mittelpunkt der Tarifverhandlungen.<br />
Nichtsdestotrotz wollen und<br />
müssen beide Seiten definieren, welche Bezahlung<br />
für welche Leistung angemessen ist.<br />
Dazu bekommen sie Lagebeurteilungen gratis.<br />
„In den 90ern gab es eine Gagenbewegung<br />
nach oben, jetzt gibt es einen Trend nach<br />
unten“, sagt etwa Bernhard Hoestermann, Inhaber<br />
der gleichnamigen Berliner Agentur und<br />
Mitglied im Verband der Agenturen (VdA).<br />
Wer vom Abwärtstrend betroffen ist, ist unklar.<br />
Es gibt hochbezahlte Schauspieler mit benennbar<br />
hohen Preisen, die ab und an auch<br />
billig arbeiten (oder für Debüt-Reihen gar umsonst).<br />
Und es gibt weniger gut bezahlte, die<br />
nach oben kommen wollen und es deshalb für<br />
richtig halten, bei Forderungen zurückzustecken.<br />
Im Prinzip werden Schauspieler pauschal oder<br />
tageweise bezahlt. Hoestermann sieht eine<br />
Tendenz früher zu pauschalieren. Während<br />
man früher erst ab etwa zehn Tagen pauschalierte,<br />
verfahre man heute schon ab drei<br />
oder vier Drehtagen so. Hinzu komme, dass<br />
Schauspieler inzwischen bei Pauschalierungen<br />
zu prozentualen Nachlässen bereit sein müssten.<br />
Die gesamte Situation sei heute „mehr<br />
aufgefächert“, so Hoestermann. Insgesamt<br />
gebe es allseitig „Bereitschaft zu größeren<br />
Spielräumen“.<br />
Honorarrahmen nach unten offen<br />
Bislang gab es tarifvertragliche Regelungen<br />
von Schauspieler-Gagen allenfalls im Rahmen<br />
von Vergütungsregeln der Rundfunk-Anstalten.<br />
Für Kreile könnte das bei den Verhandlungen<br />
mit Ver.di „ein Anhaltspunkt“ sein.<br />
Beim WDR, beispielsweise, gibt es allerdings<br />
keine Mindestgagen, sondern nach Angaben<br />
von Ursula Lutkewitz, Fachbereichsleiterin der<br />
Honorar- und Lizenzabteilung, einen Honorarrahmen,<br />
der nach unten hin offen ist. Auch<br />
beim WDR heißt es, dass die Vergütungen<br />
vom Einzelfall abhängen.<br />
Im Kampfgetümmel der laufenden Tarifverhandlungen<br />
setzt Kreile <strong>als</strong> Verhandlungsführer<br />
der Arbeitgeberseite auf „das totale<br />
Buy Out“. Die Fernsehproduzenten wollen<br />
festschreiben, was RTL seit Jahren praktiziert:<br />
Schauspieler einmal für alles bezahlen –<br />
für ihre abgeleistete Arbeit, für TV-Wiederholungen<br />
und anderweitige Nutzungen von<br />
Programmen. Weil es auch bei RTL kein Tarifsystem<br />
für Darsteller gibt, sei das Buy Out<br />
„stets eine angenemessene Praxis der Vergütung<br />
gewesen“, so Jörg Graf (Leiter Produktionsmanagement<br />
im Bereich Business Affairs<br />
newsletter@filmstiftung.de – Schwerpunkt Schauspieler<br />
Programm). Das Modell habe auch Vorteile für<br />
Schauspieler: Sie bekämen einen Vorschuss auf<br />
Leistungen, die womöglich gar nicht anfallen.<br />
US-Import: Escalator-Modelle<br />
Es sind aber auch andere Modelle denkbar. So<br />
präferieren Ver.di und Verbände wie der VdA<br />
das Modell Folgevergütung - zunächst <strong>als</strong><br />
Grundgage für eine (definierte) Arbeitsleistung<br />
und zur Nutzung von Leistungsschutzrechten.<br />
Danach könnte festgelegt werden, was für eine<br />
Erstnutzung (im Rahmen der Kinoverwertung<br />
oder für die erste und zweite TV-Ausstrahlung)<br />
gezahlt werden muss. Geregelt wird<br />
dann auch eine Schwellenwertung etwa für<br />
die Nutzung schauspielerseitiger Leistungsschutzrechte<br />
für die Auswertung auf DVD. Aus<br />
Sicht von Ver.di könnte das über Verwertungsgesellschaften<br />
geregelt werden. Der VdA<br />
vertritt in Sachen Folgevergütung die Position,<br />
dass Schauspieler dann zur Reduktion von Gagen<br />
bereit seien, wenn auf Senderseite im Erfolgsfall<br />
ein Bonus gezahlt wird. Hier verfahren<br />
die Sender ganz unterschiedlich. Während<br />
das ZDF oft Folgevergütungen zahlt, zahlen die<br />
ARD-Anstalten teilweise und die Privaten überhaupt<br />
nicht. „Sie kalkulieren en bloc über zwei<br />
bis drei Verwertungsstufen und wollen die<br />
Künstler nicht am Erfolg beteiligen“, sagt Hoestermann.<br />
In dieser Frage wünscht er sich „eine<br />
beherzter agierende Produzentenschaft“.<br />
Auch für Kinofilm-Engagements wäre<br />
denkbar, dass Schauspieler bei steigendem Erfolg<br />
einen abgestuften Bonus bekommen –<br />
den ersten etwa nach einer zu fixierenden Zahl<br />
von Zuschauern. Vorbild für ein solches Treppenmodell<br />
sind die USA, wo so genannte<br />
Escalator-Verträge üblich sind. Man könnte dabei<br />
an mehreren Stellschrauben drehen, so etwa<br />
an der Höhe Bonuszahlen oder an der<br />
Schwelle ihres Beginns (z.B. nach 500.000<br />
oder einer Million Zuschauern usw.).<br />
Zeitkonten eröffnen<br />
Die Diskussion über die Gagenhöhe verstellt<br />
den Blick auf einen komplexen Zusammenhang<br />
von bezahlter und unbezahlter Arbeit<br />
sowie geregelter und ungeregelter Arbeitszeit,<br />
über den gerade verhandelt wird. Gemeinsames<br />
Ziel ist ein Gesamttarifvertrag, der das<br />
Gagengefüge inklusive Mindestgagen, das Urheberrecht<br />
und die Arbeitsbedingungen regelt.<br />
Für die Gewerkschaft hat die Darstellung der<br />
tatsächlichen Arbeitszeiten in sozialversicherungsrelevanten<br />
Beschäftigungszeiten (-tagen)<br />
oberste Priorität. Aus ihrer Sicht müssen Produktionsdauer<br />
und Beschäftigungstage entkoppelt<br />
werden. Ver.di fordert – nicht nur für<br />
die Berufsgruppe der Schauspieler, sondern für<br />
alle Filmschaffende, die befristet für eine Filmproduktion<br />
beschäftigt sind , die Einführung<br />
eines Zeitkontos für Mehrarbeit und Zuschläge.<br />
Im Anschluss an die Produktionszeit sollen<br />
dann entsprechend dem Zeitguthaben Ausgleichstage<br />
und, bezogen auf die gesamte Beschäftigungszeit,<br />
Urlaubstage angehängt werden.<br />
Dann hätten eben auch Schauspieler größere<br />
Chancen, im berufsbedingt häufigen Fall<br />
zeitweiliger Arbeitslosigkeit für den Bezug von<br />
Arbeitslosengeld I (siehe Kasten S. 25) genügend<br />
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungstage<br />
vorweisen zu können.