als PDF-Dokument herunterladen - Filmstiftung Nordrhein-Westfalen
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Die Tour de France ist eines der größten<br />
Sportereignisse der Welt - für die<br />
einen vor, für andere direkt nach<br />
Olympia und Fußball-WM. Wenn jedoch<br />
Fußballer nach neunzig Minuten mit Wadenkrämpfen<br />
auf dem Rasen rumrollen, haben<br />
Radrennfahrer erst 60 von oft 200 Kilometern<br />
in den Beinen, dazu Sprintwertungen,<br />
vielleicht noch den einen oder anderen Alpenpass.<br />
Die Schwerstarbeiter der Landstraße<br />
vollbringen nahezu übermenschliche Leistungen.<br />
Erstaunlich, dass bislang kaum jemand<br />
diese geballte Ladung Drama und Leid<br />
mit der Kamera eingefangen hat. Oscar-Gewinner<br />
Pepe Danquart („Schwarzfahrer“) dokumentierte<br />
in „Höllentour“ mit Spielfilm-Aufwand<br />
den Thriller der Jubiläums-Tour des Jahres<br />
2003.<br />
Dorthin, wo man das Leiden spüren<br />
kann<br />
Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der<br />
<strong>Filmstiftung</strong> NRW, und ARD-Chef Fritz Pleitgen<br />
traten 2001 mit der Idee einer Tour-Doku an<br />
Pepe Danquart heran, der sowohl mit Spiel-<br />
Pepe Danquart und Rolf Aldag<br />
Fotos: Quinte Film<br />
filmen <strong>als</strong> auch mit <strong>Dokument</strong>ationen Eindruck<br />
gemacht hatte. Gerade war „Heimspiel“ im Kino<br />
gelaufen - sein Porträt des Ostberliner Eishockey-Clubs<br />
Dynamo und dessen Fans. Danquart<br />
begann seine Recherche und begleitete<br />
bereits die Tour de France 2002. Als Protagonist<br />
der „Tour der Leiden“ bot sich das<br />
deutsche Team Telekom (seit 2004: Team T-<br />
Mobile) an, bei denen die ARD <strong>als</strong> Ko-Sponsor<br />
mit dabei ist. Der Kontakt zu den Fahrern<br />
und deren Vertrauen waren Danquart besonders<br />
wichtig. Er wollte dorthin, wo sie kaputt<br />
sind, wo man das Leiden spüren kann.<br />
Parallel holte Produzentin Mirjam Quinte,<br />
die mit Danquart seit vielen Jahren zusammen<br />
arbeitet, für Quinte Film in Freiburg weitere Koproduzenten<br />
mit ins Boot. Schnell war klar,<br />
dass die aufwendige Postproduktion mit einem<br />
Etat von 1,3 Millionen Euro in Deutschland<br />
allein nicht zu stemmen sein würde. So<br />
kamen zum WDR und zu arte die Hamburger<br />
Multimedia Film- und Fernsehproduktions<br />
GmbH sowie die Dschoint Ventschr Filmproduktion<br />
aus Zürich hinzu. Überall fanden sich<br />
Tour-Fans wie Ko-Regisseur Werner Schweizer<br />
(Dschoint Ventschr) oder Hans Robert Eisenhauer<br />
(arte), die vom Projekt begeistert wa-<br />
34<br />
ren. Auch die Förderung der <strong>Filmstiftung</strong> NRW<br />
war bald gesichert.<br />
Schwierige Verhandlungen um Bildrechte<br />
Als besonders schwierig im Vorfeld erwiesen<br />
sich die Verhandlungen mit der A.S.O. (Amaury<br />
Sport Organisation) die alle (Bild-)Rechte an<br />
der Tour de France besitzt. Hier zahlte sich der<br />
Einsatz von Radsport-Fan Fritz Pleitgen aus. Der<br />
mächtige Tour-Chef Jean-Marie Leblanc fand<br />
zwar die Idee klasse, doch der Vertrag mit seinen<br />
vielen knallharten Bedingungen wurde<br />
erst zwei Tage vor dem Start der Jubiläums-<br />
Tour 2003 unterschrieben.<br />
Da war das 20-köpfige Team aus Kinoleuten<br />
schon vor Ort, das in drei Gruppen über<br />
21 Tage den gigantischen Tour-Tross aus 4500<br />
Menschen in 2500 Autos verfolgen sollte.<br />
Danquart organisierte jeden Abend ein Treffen,<br />
bei dem ein Plan für den nächsten Tag<br />
ausgegeben wurde. Der Schweizer Filip Zumbrunn<br />
war auf dem Motorrad ganz nahe beim<br />
Rennen. Fingerkameras im Mannschaftswagen<br />
nahmen die Reaktionen vom Ex-Profi und<br />
Begleiter Mario Kummer auf. Die beiden anderen<br />
Teams fingen an der Strecke die Reaktionen<br />
von Fans, Polizisten oder Reportern ein<br />
und reagierten auf aktuelle Ereignisse. Derer<br />
gab es bei der Großen Schleife von 2003 so<br />
viele, <strong>als</strong> wollte die Tour all die Dramatik der<br />
letzten hundert Jahre noch einmal zusammenfassen.<br />
Es begann mit der Verletzung<br />
des Telekom-Fahrers Andreas Klöden gleich<br />
auf der ersten Etappe. Dann stürzte auch<br />
Sprintstar Erik Zabel im dicht gedrängten Finale<br />
der sechsten Etappe bei Tempo 60,<br />
kämpfte sich aber trotz schlimmer Verletzungen<br />
bis nach Paris. Die Emotionen fuhren Achterbahn<br />
in der Magenta-Truppe: Als Klöden<br />
aufgeben musste, gewann Alexandre Winokurow<br />
die Etappe.<br />
Auf der Massagebank mit Zabel<br />
und Aldag<br />
Der leutselige und sympathische Unnaer Erik<br />
Zabel und sein Zimmergenosse Rolf Aldag bildeten<br />
das menschliche Herz der Höllentour.<br />
Pepe Danquart durfte nach den schweren<br />
Making of<br />
Höllen-<br />
Tour<br />
VON GÜNTER H. JEKUBZIK<br />
Schweiß, Druck, Schmerzen,<br />
Tortur – die Tour de France bietet<br />
jedes Jahr ein Maximum an<br />
Dramatik, das Pepe Danquart<br />
in „Höllentour“ eingefangen hat.<br />
Seine spannende, hautnahe<br />
<strong>Dokument</strong>ation läuft<br />
seit dem 10. Juni im Kino.<br />
newsletter@filmstiftung.de – Making of<br />
Etappen in ihr Zimmer, begleitete sie zur Massage<br />
und bekam Einblicke wie kaum jemand<br />
zuvor. Denn die zu kurzen Erholungsphasen<br />
zwischen Rennen, Siegerehrungen, Transfers<br />
zur nächsten Etappenstadt und üppigen Essen<br />
sind bei den extremen Anstrengungen der<br />
Tour überlebenswichtig. Auch der legendäre<br />
Betreuer und Masseur „Eule“ Dieter Ruthenberg<br />
kommt dabei zu Wort. Mit dieser intimen<br />
Innenansicht spielt der Seriensieger und damalige<br />
Ranglisten-Erste Zabel endlich einmal<br />
die Hauptrolle, während das hochdramatische<br />
Duell zwischen Jan Ullrich und dem späteren<br />
Toursieger Lance Armstrong im Hintergrund<br />
stattfindet.<br />
Während der drei Drehwochen waren<br />
nicht nur die Unwägbarkeiten eines solch einmaligen<br />
Ereignisses zu bewältigen, es drohte<br />
Danquarts Filmleuten auch immer der Ausschluss<br />
durch die strenge A.S.O., wenn gegen<br />
den Vertrag auch in nur einem Punkt verstoßen<br />
worden wäre.<br />
Neue Bilder, die man vom Fernsehen<br />
nicht kennt<br />
Insgesamt erjagte Danquarts Team unter diesen<br />
extremen Bedingungen<br />
70 Stunden<br />
Filmmaterial,<br />
das in fünf Monaten<br />
von seiner Cutterin<br />
Mona Bräuer zu einem<br />
120 Minuten<br />
packenden Doku-<br />
Thriller komprimiert<br />
wurde. Das ästhetische<br />
Konzept war<br />
schnell klar: Danquart<br />
wollte neue<br />
Bilder zeigen, die<br />
man vom TV nicht<br />
kennt. In der digitalenPostproduktion<br />
entstand ein<br />
Pastell-Look für viele<br />
Szenen, der die<br />
Buntheit des Sports<br />
dämpfen sollte und<br />
besser zur Thematik des Leidens passte. Mit<br />
110 Spuren realisierte die Bochumer Ruhr-<br />
Sound eine besonders aufwendige Mischung.<br />
Das Sounddesign entstand bei Cineplus in<br />
Köln. Nur bei den Tönen musste und konnte<br />
in Trainingslagern „nachgedreht“ werden, weil<br />
die Tour mit ihren Hubschraubern und Motorrädern<br />
einfach zu laut ist. Die Kopien wurden<br />
im Mai 2004 bei pro cine filmtechnik in<br />
Neuss gezogen.<br />
Seit dem Rohschnitt komponierte der bekannte<br />
deutsche Jazzmusiker Till Brönner an<br />
einem Soundtrack, dessen Trompete bewusst<br />
an Miles Davis Improvisationen zu Louis Malles<br />
„Fahrstuhl zum Schafott“ anklingt. Die CD<br />
zum Film wird am 14. Juni 2004 bei The-Berliner.com<br />
/ SPV veröffentlicht. Am 10. Juni wird<br />
„Höllentour“ mit circa 20 Kopien im Verleih<br />
von NFP / Filmwelt in den Kinos starten. Die<br />
nächste „Tor-Tour“ de France startet am 3. Juli<br />
in Lüttich. Pepe Danquart wird wieder dabei<br />
sein und vielleicht auch seine „Höllentour“<br />
vorführen.<br />
www.hoellentour-derfilm.de