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Foto: Senator<br />

Newsletter: Wenn Du hörst, dass es<br />

in Deutschland bis zu 20.000 Schauspieler<br />

gibt, was geht Dir da durch den<br />

Kopf?<br />

Peter Lohmeyer: Ich sehe das Schauspiel<br />

immer noch <strong>als</strong> Handwerksberuf, den<br />

man an einer vernünftigen Schule erlernen sollte.<br />

Und wer von diesen 20.000 dürfte eine<br />

Ausbildung haben? Manche schaffen es auch<br />

ohne, wie Jürgen Vogel oder Daniel Brühl.<br />

Dass die dann gleich derart berühmt sind und<br />

nach oben durch schießen, ist schön für sie,<br />

doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Ohne<br />

Ausbildung in den Job zu kommen, halte<br />

ich keineswegs für zukunftsträchtig. Wer eine<br />

Ausbildung hat, dem bietet sich dann doch<br />

zumindest die Chance, noch irgendwo in der<br />

Provinz Theater zu spielen und nicht wirklich<br />

nur auf der Straße zu sitzen.<br />

Du hast Dir in der Branche den<br />

Status <strong>als</strong> Qualitätsmann erarbeitet.<br />

Wie bist Du dahin gekommen?<br />

Gleich nach meiner Schauspielschule bot<br />

mir Ivan Nagel, dam<strong>als</strong> Intendant in Stuttgart,<br />

ein Engagement an und hatte mir die Hand<br />

darauf gegeben – das war quasi mein erster<br />

mündlicher Vertrag. Nur ein paar Tage später<br />

kamen Angebote von der Schaubühne, dem<br />

Schauspielhaus Bochum und einigen anderen.<br />

Würde man vom Fußball ausgehen, müsste<br />

man sagen, das waren die eindeutig besseren<br />

Vereine. Wie auch immer, ich habe den Vertrag<br />

mit Nagel nicht gebrochen und bin nach<br />

Stuttgart gegangen. Ich habe mich nicht verbogen,<br />

und diese Haltung habe ich bis heute<br />

durchgezogen.<br />

Und gehört nicht auch viel Glück<br />

dazu?<br />

Doch, keine Frage. Aber ich habe mich<br />

von Anfang an immer auch nach der Qualität<br />

des Buches und der Rolle gerichtet. Schließ-<br />

20<br />

lich trage ich <strong>als</strong> Schauspieler eine Verantwortung<br />

an der Geschichte und wie sie erzählt<br />

wird. Für mich macht es keinen Sinn, mich auf<br />

einen Stoff einzulassen, der vielleicht<br />

zwischendurch mal einen Durchblicker hat<br />

oder einen schönen Moment. Ein weiteres Kriterium<br />

war immer die Frage, mit wem mache<br />

ich etwas. Ich habe immer wieder Projekte<br />

abgelehnt, bei denen ich den Eindruck hatte,<br />

mit dem Regisseur werde ich mich nicht verstehen.<br />

Ich habe <strong>als</strong>o jedes Angebot sehr genau<br />

unter der Fragestellung geprüft, warum<br />

ich das machen soll und das immer auch unter<br />

Berücksichtigung der Existenzfrage. Wenn<br />

man sich künstlerisch konsequent treu bleiben<br />

will, muss man eben manchmal lernen, auch<br />

hauszuhalten.<br />

Eine Zeit lang hing Dir das Prädikat<br />

„Lowbudgetmeyer” an. Hatte das auch<br />

mal zur Folge, dass Produzenten versuchten,<br />

Dir grundsätzlich die Gagen zu<br />

kürzen?<br />

Nein, das hat noch keiner versucht. Da<br />

können mir die Leute aber auch wenig vormachen,<br />

da ich ja selbst produziert habe. Da<br />

wo Geld da ist, da hole ich mir das dann auch<br />

ab. Ansonsten weiß ich gut, dass die Gagen<br />

– wobei das heute schon wieder etwas anders<br />

aussieht – einfach so dermaßen in die Höhe<br />

gestiegen sind, dass man sich wirklich Gedanken<br />

darüber machen sollte, lieber die Qualität<br />

des Films hoch zu halten. Vielleicht einen<br />

Drehtag dazu zu gewinnen, dadurch, dass der<br />

Anteil der Schauspielergagen am Produktionsbudget<br />

niedriger ausfällt. Als ich in Spanien<br />

und England gearbeitet habe und sah,<br />

was die dort verdienen, dann muss man sich<br />

mal klar machen, dass hier ein extrem hohes<br />

Level herrschte, und die wenigsten Schauspieler<br />

wirklich verdient haben, das zu verdienen.<br />

Oft wird ja mit Quoten argumentiert...<br />

Oliver Baumgarten sprach<br />

mit Peter Lohmeyer über<br />

Schauspieler,<br />

Gagen und<br />

Gelsenkirchener Barock<br />

Nie verbiegen<br />

Es kann mir keiner erzählen, dass bestimmte<br />

Gesichter im Kino oder Fernsehen<br />

derart ziehen, um diese Summen zu rechtfertigen.<br />

Es gibt genug Gegenbeispiele, dass<br />

ein Götz George oder Til Schweiger eben nicht<br />

automatisch für Erfolge garantieren. Ich fände<br />

es ja nicht schlecht, wenn es mit solchen<br />

Stars auch in Deutschland funktionieren würde,<br />

aber wenn der Film keine Qualität hat,<br />

dann kann auch ein Daniel Brühl nicht drüber<br />

hinweg helfen. Dominik Graf hat mal zu mir<br />

gesagt: „Sei doch stolz auf den Titel Independentschauspieler”.<br />

Was gibt’s besseres <strong>als</strong><br />

unabhängig zu sein? Und wenn mal jemand<br />

eine gute Rolle wegen der Kohle abgelehnt<br />

hat, und ich habe sie angenommen, dann sage<br />

ich nur: „Danke, bist schön blöd!”, wenn<br />

es sich für die Geschichte gelohnt hat. Selbst<br />

Low Budget heißt ja, womöglich mehr zu verdienen<br />

<strong>als</strong> der Mensch, der morgens die Post<br />

bringt, und selbst der baut sich gerade sein Einfamilienhaus.<br />

So arm sind wir in Deutschland<br />

noch nicht.<br />

Du würdest <strong>als</strong>o auf einen Teil Deiner<br />

Gage verzichten, wenn dieses Geld<br />

dann nachvollziehbar in die Qualität des<br />

Films investiert würde?<br />

Ja sicher. Wenn von vorn herein klar ist,<br />

dass der Schauspieleranteil zu hoch ist, und es<br />

gibt gleich am Beginn ein offenes Gespräch<br />

mit dem Produzenten, dann kann das Sinn<br />

machen. Ich bin generell lieber am Gewinn beteiligt,<br />

<strong>als</strong> dass ich vorher an der Qualität kratze,<br />

die womöglich nachher den Gewinn ausmacht.<br />

Es muss mir lediglich einleuchten, ich<br />

muss es im Vorfeld nachvollziehen können.<br />

Wie empfindest Du aus Deiner Position<br />

heraus die Politik, zunehmend<br />

auch Society-Promis zu besetzen?<br />

Ich habe das einmal bei einem Fernsehfilm<br />

erlebt. Da sollte ein Gesicht des Senders<br />

vermarktet werden. Ich habe mir von der Kollegin<br />

dann im Vorfeld etwas angeschaut und<br />

newsletter@filmstiftung.de – Schwerpunkt Schauspieler<br />

dachte mir, wenn der Sender will, dass sie das<br />

spielt, soll sie es tun. Aber ohne mich. Ich glaube<br />

wirklich daran, dass Qualität sich durchsetzt.<br />

Klar, es gibt im deutschen Fernsehen Gewohnheitsgesichter,<br />

die wird es noch in 20<br />

Jahren geben, und neue Leute werden sich<br />

kontinuierlich in diese Gewohnheit hineinspielen.<br />

Das ist für den Gelsenkirchener Barock<br />

auch völlig in Ordnung. Ich habe das Glück,<br />

sagen zu können, dass ich meinen Beruf mit<br />

solchen Leuten nicht zusammen ausüben<br />

muss. In Filmen mit ordentlicher Qualität findet<br />

man auch heute immer noch eine wirklich<br />

gute Besetzung.<br />

Du gingst in Deiner Karriere <strong>als</strong>o<br />

konsequent der Qualität nach und bist<br />

Unwägbarkeiten der Branche aus dem<br />

Wege gegangen?<br />

Nicht aus dem Wege gegangen, ich habe<br />

mich damit auseinander gesetzt und entsprechende<br />

Konsequenzen gezogen. Ich habe<br />

in diesem Job immer versucht, auch persönlich<br />

weiter zu kommen und habe nie das<br />

Gefühl, wirklich fertig zu sein. Worauf ich baue<br />

und woraus ich meine Selbstsicherheit ziehe,<br />

ist, dass ich ständig danach suche, meine Qualität<br />

zu steigern.<br />

Was sind Deine Wünsche für die Zukunft<br />

Deiner beruflichen Zunft?<br />

Ich würde mir wünschen, dass man sich<br />

mehr zuhört, und so eine aktivere Auseinandersetzung<br />

über gute, besonders aber auch<br />

über schlechte Filme hat. Es gibt viel zu wenig<br />

Diskussionen. Ich erhoffe mir beispielsweise<br />

von der Filmakademie, ein solches Forum zu<br />

werden. Den Schauspieler an sich wünsche ich<br />

mir vom Denken her sehr viel selbständiger.<br />

Und jeder sollte immer wieder einmal<br />

zwischendurch eine Reise ans Theater machen.<br />

An der Technik kann man immer noch weiter<br />

arbeiten, heißt es im Fußball. Wie viel<br />

Schauspieler hingegen glauben zu schnell: Das<br />

war’s jetzt.

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