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Am Set von „Speer und Er“<br />
Schnee im Juni<br />
VON CHRISTIAN SEEBAUM<br />
Nachkriegsgeneration“, sagt Heinrich Breloer.<br />
Kurz vor Speers Tod 1981 hat er ihn noch persönlich<br />
interviewt. Breloer nennt ihn einen<br />
„asketischen Karrieristen“, einen Intellektuellen<br />
am Zentrum der Macht. Einer, der wissen<br />
konnte, was er tat. Und sich dennoch einließ.<br />
Ein Mann, der eine zeitlang glaubte, jenseits<br />
aller Schranken von Moral und Gesittung leben<br />
zu dürfen, der Verführer und Verführter<br />
zugleich gewesen sei. Der Mensch Speer fasziniert<br />
Breloer, auch wenn er sich vor Fertigstellung<br />
des Films auf kein endgültiges Urteil<br />
festlegen möchte. Denn Filmemachen sei für<br />
ihn auch „immerwährende Such- und Erkenntnisarbeit“,<br />
das Nachstellen der Spielszenen<br />
auf der Basis von historischen <strong>Dokument</strong>en<br />
auch ein Weg um auszutesten, ob<br />
das, was Speer <strong>als</strong> Szenen und Dialoge überliefert<br />
hat, dam<strong>als</strong> „überhaupt so hat funktionieren<br />
können“.<br />
„Aber im Schneideraum muss ich alles<br />
noch mal zum Klingen und Schwingen bringen,<br />
so dass die Geschichte in der Verdichtung<br />
dann auch erhellend wirken kann.“ Dabei erlebt<br />
der Regisseur gerade die Unwägbarkeiten<br />
– Überraschungen am Set und wie gespielt<br />
wird – <strong>als</strong> produktiv: „Worauf wird der Scheinwerfer<br />
fallen, welche Geschichte will erzählt<br />
werden? Was drängt sich mir auch auf? Wie<br />
werden Spielszenen auch gebrochen durch die<br />
<strong>Dokument</strong>e?“ Im Zentrum des Films steht nicht<br />
zuletzt die Frage, wie es Speer nach dem Krieg<br />
gelingen konnte, von der Rolle des Täters in<br />
die eines ersten Zeugen zu wechseln, von des-<br />
sen Bestseller-Büchern sich die Deutschen den<br />
Führer erklären ließen. In „Speer und Er“ gehe<br />
es immer um die deutsche Vergangenheit<br />
und Gegenwart zugleich, um die Gegenwärtigkeit<br />
des Vergangenen, sagt Breloer: „Das<br />
Vergangene ist das Spiel, die Gegenwart ist die<br />
dokumentarische Aufnahme. In den Herzen<br />
rumoren die Gespenster dieser Jahre. Auf den<br />
Gesichtern der Kinder von Speer kann man sie<br />
noch deutlich sehen.“ Das sei der Kern der Geschichte,<br />
so Breloer.<br />
Götz Weidner: Der Filmarchitekt<br />
Der Mann im Hintergrund, der Breloers Bilderreise<br />
in die Vergangenheit überhaupt erst<br />
möglich macht, heißt Götz Weidner. Weidner<br />
ist Filmarchitekt. In Köln hat er noch weit spektakulärere<br />
Sets entstehen lassen <strong>als</strong> Speers Berliner<br />
Büro. So findet man sich in der selben Studiohalle,<br />
nur wenige Meter weiter, plötzlich<br />
auf der aus <strong>Dokument</strong>arfaufnahmen hinlänglich<br />
bekannten Terrasse der Berghofs wieder,<br />
Hitlers Refugium auf dem Obersalzberg.<br />
Freilich besteht hier der Berghof selbst aus<br />
nicht mehr <strong>als</strong> einer Fensterfront, und das<br />
grandiose Alpenpanorama ist ersetzt durch<br />
aufgespannten grünen Stoff, auf den später<br />
der Naturrundblick tricktechnisch einkopiert<br />
wird. Nur die Fassade einer Sommerfrische, die<br />
das harmlose Spießergesicht eines grausamen<br />
Systems gewesen ist.<br />
Eine Halle weiter hat Götz Weidner, der<br />
auch schon bei „Die Manns“ zum Team gehörte,<br />
Hitlers monumentales Arbeitszimmer<br />
aus der von Speer in Berlin erbauten Neuen<br />
Reichskanzlei eindrucksvoll wiederauferstehen<br />
lassen. Fast zu eindrucksvoll für den Geschmack<br />
des Spezialisten: „Ich wollte ja nicht,<br />
dass Leute da reinkommen und sagen: ‚Wow,<br />
ist das toll!‘, sondern dass sie sagen: ‚Ist ja ekelhaft<br />
hier drinnen‘.“ Wofür allerdings, angesichts<br />
des überreichlich an Boden und Wänden<br />
verbauten roten Marmors (bzw. marmormäßig<br />
bedruckte Spanplatten) in dem um<br />
nur 15 Prozent verkleinerten Replikat, ebenfalls<br />
guter Grund bestünde. Dass auf dem Edelset<br />
letztlich nur an drei Tagen gedreht wird,<br />
nimmt Weidner gelassen. Der Mann ist Profi.<br />
Seit seiner phänomenalen Arbeit bei „Das<br />
Boot“ gilt Götz Weidner <strong>als</strong> Wasserspezialist.<br />
Das hat ihm nicht nur ähnliche Projekte in den<br />
USA eingebracht, etwa Jonathan Mostows „U<br />
571“, sondern kürzlich auch das Set Design<br />
bei „Das Wunder von Lengede“. Den dort von<br />
ihm für die Gesteinsformationen erstm<strong>als</strong> eingesetzten<br />
modernen Hartschaumstoff hat<br />
Weidner auch bei „Speer und Er“ benutzt, <strong>als</strong><br />
in den Bavaria Studios der Gefängnishof von<br />
Berlin-Spandau entstand, wo Speer zwanzig<br />
Jahre einsaß. Die Veränderung des Hofes über<br />
die Jahre, die Simulation aller Jahreszeiten und<br />
Wetterlagen in nur einem Monat Drehzeit, bedeuteten<br />
die größte Herausforderung bei<br />
„Speer und Er“, resümiert Weidner. Und weil<br />
es bei historischen Stoffen das harte Los der<br />
Filmarchitekten ist, dass gerade ihre beste Arbeit<br />
vom Zuschauer unbemerkt bleibt, nennt<br />
Weidner „Die unendliche Geschichte“ <strong>als</strong> für<br />
ihn besonders befriedigendes Berufserlebnis,<br />
träumt er von weiteren Aufgaben für Fantasy<br />
und Science-Fiction.<br />
Kurz darauf jedoch ist Götz Weidner wieder<br />
ganz in der Gegenwart des Studio 2 in<br />
Bocklemünd gefragt. In Speers Berliner Büro<br />
sind im Film knapp zwei Monate vergangen,<br />
und Breloer und Kameramann Gernot Roll beratschlagen,<br />
wie weit die Zerstörung durch die<br />
alliierten Bombenangriffe nun sichtbar sein soll.<br />
Götz Weidner kommt hinzu und lässt es sich<br />
nicht nehmen, höchstpersönlich einige Fensterscheiben<br />
einzuschlagen. Es ist immer noch<br />
sehr warm. Gleich wird es wieder schneien.<br />
Der Schauspieler Sebastian Koch und Albert<br />
Speer auf einem Foto von 1936;<br />
Dreharbeiten auf dem nachgebauten<br />
Spandauer Gefängnishof. Fotos: WDR, Ullstein<br />
Setbericht – newsletter@filmstiftung.de 33