Das Magazin zum Jubiläum - BfU
Das Magazin zum Jubiläum - BfU
Das Magazin zum Jubiläum - BfU
- TAGS
- magazin
- www.bfu.ch
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Intensität. <strong>Das</strong> Spiel mit dem Risiko steigert<br />
die Empfindungen und das Gefühl, seinem<br />
alten Ich zu entgehen und sich einen neuen<br />
Platz in der Welt schaffen zu können.<br />
Schwierig einzuschätzen ist die Entwicklung<br />
der Technologien und deren rasche<br />
Demokratisierung. Die Ausrüstung,<br />
mit der das Meer, die Berge, die Erde, der<br />
Schnee oder sogar die Lüfte im Spiel erobert<br />
werden können, verbessert sich ständig. Die<br />
Lust auf grosse Taten, auf Geschwindigkeit,<br />
auf das Experimentieren sowie der Wille,<br />
mit neuen Mitteln neue Wege zu beschreiten,<br />
dürften in den kommenden Jahrzehnten<br />
zunehmen.<br />
Der Wille, bestimmte Orte oder Aktivitäten<br />
sicher zu machen, wird wohl auf immer<br />
mehr Gleichgültigkeit von Seiten bestimmter<br />
Benutzer stossen, die für sich die<br />
absolute Freiheit in Anspruch nehmen, nach<br />
ihren Vorstellungen zu handeln und ihre<br />
Bedürfnisse zu erfüllen. Hinzu kommt eine<br />
ständig wachsende Unkenntnis der Gesetze<br />
und Empfehlungen. Die Lust, gegen Regeln<br />
zu verstossen, und die Ignoranz von Sicherheitsvorschriften<br />
verbinden sich, <strong>zum</strong>al gefährliche<br />
Aktivitäten auf dem Meer oder im<br />
Hochgebirge nichts Besonderes mehr sind.<br />
<strong>Das</strong> Individuum ist in Bezug auf seine Existenz<br />
und auf die Durchsetzung seines Willens<br />
souverän, gemäss ihm darf sich der<br />
Staat in diese Dinge nicht einmischen.<br />
Ob in freier Natur oder in der Stadt – die<br />
Mutproben, denen sich das Individuum allein<br />
oder in der Gruppe unterzieht, werden<br />
sich vermutlich vervielfachen. Diese sprechen<br />
zuerst die junge Generation an, werden<br />
aber bald auch andere Altersgruppen erreichen.<br />
In diesem Kontext ist zu erwarten,<br />
dass Versicherungen immer vorsichtiger<br />
werden und sich weigern, nach einem Unfall<br />
bei einer solchen Selbstprüfung zu bezahlen.<br />
Diese Frage wird schon seit einigen<br />
Jahren debattiert. Es wird heftig über die<br />
Kosten von Rettungsunternehmen diskutiert<br />
und über die Risiken, die Retter eingehen<br />
müssen, um Extremsportler zu bergen,<br />
die sich oft freiwillig und unter Missachtung<br />
der elementarsten Sicherheitsvorkehrungen<br />
in Gefahr begeben haben. Die<br />
Retter sind nicht selten entsetzt über diese<br />
gleichgültige Haltung, die auch ihr eigenes<br />
Leben in Gefahr bringt. Die allgemeine<br />
Meinung geht in die Richtung, dass wer mit<br />
seinen gefährlichen Abenteuern sein Ansehen<br />
verbessern will, konsequenterweise<br />
selbst die Verantwortung tragen und somit<br />
für die Kosten seiner Rettung haften muss.<br />
Vermehren sich solche oft allein durchgeführten<br />
Mutproben, werden der öffentliche<br />
und private Sektor im Fall einer Rettungsaktion<br />
oder einer Hospitalisierung ein Auge<br />
auf die genauen Umstände werfen.<br />
DAVID LE BRETON<br />
ist Professor für Soziologie an der<br />
Universität Strassburg und Mitglied<br />
des Institut Universitaire de France.<br />
Autor der Bücher «Conduites à<br />
risque» und «La sociologie du<br />
risque».<br />
75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 55