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hier - Schlüsselwege deutscher Geschichte

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Reichskriegsgerichts abzuwehren. Bei Bonhoeffers Anklage spielte bis zuletzt die UK-<br />

Stellung (s.o.) eine Rolle mit der Frage, warum die Abwehr ausgerechnet den<br />

Geistlichen unabkömmlich gemacht und ihn damit vom Soldatendienst freigestellt<br />

habe. Der Sturz von Canaris und der Wechsel der Abwehr vom OKW zum<br />

Reichssicherheitshauptamt im Februar 1944 und der 20. Juli 1944 brachten<br />

entscheidende Änderungen. Dohnanyi kam ins KZ-Sachsenhausen, Bonhoeffer im<br />

Oktober 44 vom Untersuchungsgefängnis in Tegel in das Kellergefängnis des RSHA<br />

in der Prinz-Albrecht-Straße.<br />

Die Konspiration einschließlich der Haftzeit forderte noch einmal den Theologen<br />

Bonhoeffer heraus, dessen Situation auch dadurch prägend wurde, weil sie ihn in die<br />

unmittelbare Nähe verantwortungsvoller Männer brachte, die nicht nur aus kirchlichen<br />

Kreisen kamen. Er sagte selbst dazu, er fühle sich als ein moderner Theologe, der noch<br />

das Erbe der liberalen Theologie in sich trage, verpflichtet, diese Fragen<br />

anzuschneiden. Von diesen Überlegungen gibt es nur Andeutungen in Briefen und<br />

Entwürfen. Bonhoeffer fasziniert nun der Gedanke einer "religionslosen"<br />

Interpretation der Welt. Man versteht es, wenn man sich klar macht, dass er von der<br />

menschlichen Fähigkeit und zugleich der Pflicht zur unbedingten Verantwortung für<br />

diese Welt ausgeht. Er knüpft an Kants großartiger Aufklärungsdefinition an, die da<br />

lautet: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten<br />

Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne<br />

Leitung eines Anderen zu bedienen." Hieraus resultiert der Auftrag zur Schaffung der,<br />

wie Bonhoeffer sagt, "mündigen Welt". Dieser Auftrag wird durch einen<br />

verbrecherischen Tyrannen herausgefordert. Bonhoeffer rechtfertigt diese Diesseitsbezogenheit<br />

theologisch-christlich als Mündigkeit im Namen des gekreuzigten und<br />

auferstandenen Christus. Er meine "nicht die platte und banale Diesseitigkeit der<br />

Aufgeklärten, der Betriebsamen, der Bequemen und Lasziven (<strong>hier</strong> höre man gut zu!),<br />

sondern die tiefe Diesseitigkeit, die voller Zucht ist und in der die Erkenntnis des<br />

Todes und der Auferstehung immer gegenwärtig ist." In dieser Weise will er vor Gott<br />

und der Welt sprechen - ohne "Religion", d.h. „eben ohne die zeitbedingten<br />

Voraussetzungen der Metaphysik, der Innerlichkeit usw." (!) Und noch ein wenig<br />

kompromissloser, ja radikaler klingt es: "Gott gibt uns zu wissen, dass wir leben<br />

müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden. Der Gott, der mit uns<br />

ist, ist Gott, der uns verlässt (Markus 15, 34 : Mein Gott, mein Gott, warum hast Du<br />

mich verlassen)...Gott lässt sich aus der Welt herausdrängen ans Kreuz. Gott ist<br />

ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft<br />

uns." Nach Bonhoeffer kann der "religionslose" Christ mit den "Religionslosen" der<br />

Welt Verantwortung für diese Welt übernehmen. Eine wichtige Ergänzung Bethges<br />

darf <strong>hier</strong> nicht unterschlagen werden: "Bonhoeffer wäre gründlich missverstanden,<br />

wenn man meinte, im Vollzug weltlicher Interpretation sollte es die im Gottesdienst<br />

versammelte Gemeinde nicht mehr geben." Verlust kirchlicher Identität sei nicht<br />

gemeint, diese solle gerade neu gemäß der Theologie des Kreuzes gewonnen werden.<br />

In dieser Welt- und Glaubensgewissheit erleben wir den Häftling Dietrich Bonhoeffer<br />

bis zum Schluss. Die Haftbedingungen haben sich in der Prinz-Albrecht-Straße sehr<br />

verschlechtert. Sein Schwager Hans von Dohnanyi, der die Hauptlast der Verteidigung<br />

trug, tat dieses bravourös, konnte aber am Ende nicht verhindern, dass die Gestapo<br />

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