hier - Schlüsselwege deutscher Geschichte
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Entschlüssen aussehen, so sind es nur solche des hemmungslosen Glücksspielers, der in<br />
einem Überraschungscoup einen vermeintlichen Vorteil ausnutzen wollte. Es ist sehr<br />
glaubhaft, dass dem hoch spezialisierten Speer (mit vorbildlicher Architekturausbildung) der<br />
Dilettantismus Hitlers stört. „Er hatte nie einen Beruf erlernt und war im Grunde immer ein<br />
Außenseiter geblieben“, schreibt Speer. Einen zweiten Grundzug Hitlers bemerkt Speer in<br />
dessen Misstrauen. Dieses Misstrauen kann sich an Nichtigkeiten entzünden und zu großen<br />
Aktionen auswachsen. Speer hatte ihm von Russland und von singenden deutschen Landsern<br />
erzählt, in dessen Kreis er sich wohl gefühlt habe. Hitler stutzt und will Näheres über die<br />
Liedtexte wissen. Es sind schwermütige Lieder, deren Texte Speer noch in der Tasche hat.<br />
Hitler glaubt an Defätismus böswilliger Gegner. Speer erfährt viel später, dass Hitler gegen<br />
die für den Druck Verantwortlichen ein Kriegsgerichtsverfahren angeordnet hatte. Hitlers<br />
Charakter und Denken entsprechend ist seine Lebensweise. Nachdem er schon im Februar<br />
1933 seinen Beamten abgewöhnt hatte, seinen Schreibtisch mit Akten voll zu legen, kommt er<br />
auf seinen alten bohemehaften Lebensstil zurück. Diszipliniertes regelmäßiges Arbeiten ist<br />
nicht seine Sache. Er fühlt sich nach wie vor als Künstler. Ob Obersalzberg, Berlin oder<br />
Hauptquartier Rastenburg (Ostpreußen): Hitlers Tag beginnt am späten Vormittag und endet<br />
nachts gegen drei bis vier Uhr. Dazwischen gibt es neben Besprechungen ausgiebige<br />
Mahlzeiten am Mittag, Nachmittag und Abend, kombiniert mit Teestunden. Dabei ist Hitler<br />
als magenkranker Vegetarier und Abstinenzler kein starker Esser und Trinker. Seine Wiener<br />
Diätköchin hat er immer dabei. Natürlich verlangt er zu den Geselligkeiten die Anwesenheit<br />
seines inneren Zirkels, die dann Opfer seiner endlosen Monologe sind. Sie können Minister,<br />
Reichs- und Gauleiter sein, die sich ihres Zuspruchs versichern wollen, immer sind es<br />
Sekretärinnen, Pilot, Fahrer, Adjutanten, Pressechef Dietrich, Fotograf Hoffmann und „sein“<br />
Architekt Speer, wenn er am Ort ist. Nachts sind Spielfilme, auch in der Wiederholung, fällig<br />
mit ermüdenden Gesprächen über Schauspieler usw. Speer leidet offenbar unter solchen<br />
Tages- und Nachtzeiten und nennt den Zustand seine „Bergkrankheit“ (Obersalzberg).<br />
Goebbels, Göring und Himmler trifft man kaum, weil sie nach dem Beispiel des Meisters<br />
ihren eigenen Kreis zur Selbstdarstellung pflegen. Besonders anstrengend sind Hitlers Fahrten<br />
nach München, weil er sich dort seinen alten Künstlergewohnheiten ausgiebig widmet. Hitlers<br />
Tischgespräche nahmen in der Regel abstruse Ausmaße an. In einem „Monolog“ beschäftigte<br />
sich Hitler mit dem Thema Germanen und Islam. Die Araber seien ja bis Tour und Poitier in<br />
Frankreich gekommen und dann erst von den Franken geschlagen worden. Aber die Araber<br />
hätten ruhig gewinnen können. Volkstumsmäßig seien sie auf Dauer den Franken unterlegen<br />
gewesen. Die Franken wären dann eben Mohammedaner geworden, eine Religion, die wegen<br />
ihres Kampfcharakters auch viel besser zu den Germanen gepasst hätte. Zum bohemehaften<br />
Stil Hitlers passt wenig, wie er mit Eva Braun umgeht. Speer, der Mitleid für sie aufbringt,<br />
schreibt dazu (S, 59): „Mich überraschte, dass Hitler alles vermied, was auf eine intime<br />
Freundschaft hinwies, um dann spät abends doch in die oberen Schlafräume zu gehen.“ Speer<br />
wundert sich über diese „unnütze verkrampfte Abstandshaltung“. Hanebüchen sind Hitlers<br />
Aussagen zu Ehe und Kindern. Speer gibt wieder: „Sehr intelligente Menschen sollen sich<br />
eine primitive und dumme Frau nehmen... Heiraten könnte ich nie. Wenn ich Kinder hätte,<br />
welche Probleme! Jemand wie ich hat keine Aussicht einen tüchtigen Sohn zu bekommen.<br />
Sehen Sie, Goethes Sohn, ein ganz unbrauchbarer Mensch... Viele Frauen hängen an mir, weil<br />
ich unverheiratet bin.“ (S.106) In diesem Stil kann Hitler stundenlang zur Qual seiner Zuhörer<br />
dahinreden. Es versteht sich von selbst, dass diese Art des Diktators sich stilbildend auf das<br />
Gehabe seiner Paladine auswirkt, besonders unangenehm im Bereich der Rhetorik, wenn sie<br />
sich derb in schreiender Weise produzieren wollen. Peinlich wird es‚ wenn die Paladine ihrem<br />
Meister nach dem Munde reden. sich dabei aber den Rang streitig machen. Hitler erzählte viel<br />
von seiner strengen Jugend. „Ich habe oft schwere Schläge von meinem Vater bekommen. Ich<br />
glaube aber auch, dass das notwendig war.“ Speer fährt fort: „Frick, Innenminister, rief<br />
dazwischen: Wie man sieht, ist Ihnen das, mein Führer, ja auch gut bekommen. Lähmendes<br />
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