hier - Schlüsselwege deutscher Geschichte
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spekulativ zu erfassen seien. Eine Konstante ist wohl seine Loyalität zum Kaiser, aber<br />
auch seine Resignation, die einen wirklich revolutionären Schritt seinerseits verhindert<br />
haben. Dass Wallenstein im Schatten des Krieges reich und mächtig geworden war, ist<br />
das eine, das andere aber auch, dass er die Misere des Reiches sah, vor allem ein Bild<br />
von einem tüchtigen Landesherrn hatte, der in konsequenter Weise das Wohl seines<br />
Landes im Auge hat. Es ist unwahrscheinlich, dass er daran dachte, ein Usurpator des<br />
Deutschen Reiches zu sein, der es zentralistisch führen würde. Dass er König von<br />
Böhmen werden wollte, ist sicher ebenso unwahrscheinlich. Die Wahrheit mag in der<br />
Mitte liegen – eine gewollte Verstärkung der Reichsexekutive auf jeden Fall, um eine<br />
Regierung nach innen und außen zu garantieren. Ob das vielleicht auch bedeutet hätte,<br />
dass diese „Reichsregierung“ sich verstärkt beim Kaiser in Wien angesiedelt hätte mit<br />
der Folge, dass das Reich in Oesterreich aufginge, ist sicher eine falsche Frage,<br />
einerseits zu modern und geschichtlich verfrüht, andererseits obsolet, weil Wallenstein<br />
den Wiener Hof zu gut kannte. Ob er an eine Hegemonisierung Deutschlands als im<br />
Norden und Osten ganz groß gewordener eigener Reichsstand hätte denken können,<br />
bleibt natürlich auch offen. Wallenstein ist am Ende ein kaiserlicher Paladin des 17.<br />
Jahrhunderts – immerhin anders als ein Kondottiere der Renaissance , der einer<br />
Verschwörung am kaiserlichen Hof zum Opfer fällt.<br />
Das eingangs stehende Motto, zitiert nach Golo Mann, zeigt brennpunktartig den Gang<br />
der Reichsgeschichte, herkommend aus dem ersten Reich, im 30jährigen Krieg in<br />
ihren Tiefpunkt der Erschöpfung fallend, der in sich aber schon den Keim einer<br />
bestimmten Weiterentwicklung signalisiert. Zum Austrag kommt diese<br />
Reichsentwicklung, wie es eben bei Inkubationen sein kann, 200 Jahre später. Gemeint<br />
ist der oesterreichisch-preußische Dualismus, der dann dazu führt, dass tatsächlich am<br />
Ende ein Reichsstand, nicht der kaiserlich-oesterreichische, sondern der New-Comer<br />
Brandenburg-Preußen eine neue, zukunftsweisende Reichseinheit herbeiführt.<br />
Preußens Weg zu einer europäischen Großmacht aus der Schwäche des Reiches heraus<br />
ist ihm keineswegs an der Wiege gesungen. Der erste Hohenzoller, Burggraf Friedrich<br />
von Nürnberg, bekam die Markgrafschaft Brandenburg, auch des Reiches<br />
Streusandbüchse genannt, gewissermaßen am Biertisch, wie es heißt, von seinem<br />
Kaiser Sigismund 1412. Die bescheidene Lage scheint die Dynastie herausgefordert<br />
zu haben.Die erste Erhöhung gelingt 1526, als man sich im säkularisierten Ordensstaat<br />
Preußen - zunächst noch als polnisches Lehen – Herzog nennen darf. Schon 1660<br />
kann der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm I., die polnische Lehenshoheit abstreifen.<br />
Er löste 1640 seinen von Wallenstein sehr kritisierten Vorgänger Georg Wilhelm ab<br />
und trat aus dem Prager Vertrag von 1635 aus (s.o.). Preußen macht ab 1641 eine<br />
eigene „neutrale“ Politik. Die Länderbasis hat sich 1614 bzw.1648 erweitert durch<br />
Kleve, Mark und Ravensberg im Westen (Erbfall) und Hinterpommern als östliche<br />
Bindung neben Brandenburg und Ostpreußen. Das 18.Jahrhundert brachte ja dann in<br />
Aufsehen erregender Weise Schlesien und später Westpreußen und Posen aus den<br />
polnischen Teilungen (bis 1918). Damit ist Brandenburg-Preußen im Reich voll im<br />
Spiel und hat das territoriale Problem der fehlenden Verbindung seiner beiden<br />
Gebietsblöcke im Osten und Westen. Oesterreich dagegen wandert nach Süden und<br />
Südosten immer mehr aus dem Reich hinaus. Das Haus Brandenburg hatte das Glück,<br />
mit dem Großen Kurfürsten, mit Friedrich I , der sich in Königsberg zum König<br />
krönen lassen konnte (1701), mit Friedrich Wilhelm I., dem Soldatenkönig, und mit<br />
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