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hier - Schlüsselwege deutscher Geschichte

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Banalität des Bösen - Ohnmacht des Widerstandes! Speers „Erinnerungen“ als<br />

Protokoll des Schreckens<br />

Manchmal ist eine besondere Perspektive nützlich, eine altbekannte Sache in neuer<br />

Anschaulichkeit zu sehen. Hier hieße es, die Selbstzerstörung <strong>deutscher</strong> Politik in der ersten<br />

Hälfte des 20. Jahrhunderts einmal mehr mit Bestürzung wahrzunehmen, um so mehr ihre<br />

Heilung zu registrieren und dieser im Zeichen des 50 jährigen Bestehens europäischer<br />

Gemeinschaft Dauer zu verleihen.<br />

Liest man die Erinnerungen Speers und hat dabei das Schicksal des deutschen Widerstandes<br />

im Kopf, so sträuben sich einem beim Lesen die Haare. Speers Blick in die Hexenküche<br />

Hitlers bietet die kompakte Gegenwelt zur Welt des Widerstandes, der sich mit deren<br />

Existenz nicht abfinden mochte. Zwei Welten, so unterschiedlich und doch in so fataler Weise<br />

zeitgleich und ineinander verwoben. Beim Lesen von Speers Erinnerungen drängt sich die alte<br />

Frage auf, wie konnte ein Hitler die Akzeptanz seiner Zeitgenossen erwerben? Die Frage wird<br />

ja noch drängender, wenn man sie an den Schreiber Speer richtet, der letztlich in seinem Buch<br />

die Antwort für sich schuldig bleibt. Es macht die besondere Irritation des Buches aus, wenn<br />

man die Frage noch erweitert, warum Speer sich bis zum bitteren Ende nie konsequent hat<br />

von Hitler lösen können. Welch eine nüchterne Klarheit gegenüber Hitler auch möglich war,<br />

zeigt das Beispiel der großbürgerlichen Familie des Widerständlers Dietrich Bonhoeffer,<br />

ausgesprochen am 30. Januar 1933 in Berlin: „ Hitlers Ernennung zum Reichskanzler - das<br />

bedeutet Krieg!“ Wie selbstverständlich konnte <strong>hier</strong> eine tiefe Aversion gegenüber diesem<br />

„wild gewordenen Kleinbürger“ (J. Fest) entstehen, die man in der Familie Bonhoeffer hegte,<br />

wenn man von Hitlers Autofahrten durchs Land mit der Reitpeitsche in der Hand, von dessen<br />

Auswahl seiner Mitarbeiter, von dessen psychopathischen Eigenschaften sprach. Ein<br />

Durchblick, der sich zwar auch aus der geübten Sicht des Psychiatrie-Professors (Vater<br />

Bonhoeffer) ergab, aber sich insgesamt doch aus verlässlicher humanitärer Haltung und<br />

politischer Verantwortung entwickelte. Man kann im Nachhinein über jede Manifestation<br />

eines solchen Geistes gegenüber dem braunen Ungeist dankbar sein. Dieser Blickwinkel<br />

macht auch die ganze Banalität dieses Ungeistes klar. Die Geschichtsforschung hat uns längst<br />

ein Bild der mutigen Gegnerschaft liefern können, wie es am Ende verzweifelte<br />

Widerstandskämpfer wie Stauffenberg erstrebten, als sie sich über die begrenzte Wirksamkeit<br />

ihres Tuns klar wurden. Sie wollten der Nachwelt ein Zeugnis der Gegenwehr liefern - aus der<br />

tiefen Scham heraus, dass Deutschland einem verbrecherischen Regime mit allen<br />

Konsequenzen erlegen war. Anlass für diese Scham bietet die Lektüre der Erinnerungen<br />

Speers im Übermaß.<br />

Speers Erinnerungen bleiben eine der wichtigsten Quellen für die N.S.-Zeit, aus der die<br />

Darstellungen über Hitler geschöpft haben. Der stärkste Eindruck, so scheint es mir, den die<br />

Lektüre des Buches hinterlässt, ist der, dass das Deutschland der 30er Jahre einer ungeheueren<br />

Trivialität in Form der herrschenden Personen und der politischen Verhältnisse aufgesessen<br />

ist. Eine Trivialität, die mit einer höchst möglichen Brutalität und Rechtlosigkeit einher ging,<br />

die ermöglicht wurde durch den unglücklichen Verlauf am Ende der Weimarer Republik.<br />

Weit und breit war keine charismatische Figur zu entdecken, die dem „Trommler“ Hitler in<br />

der damaligen Politszene Paroli hätte bieten können. Die Hindenburgs, Brünings, Papens und<br />

Schleichers waren da nur traurige Beispiele. Die traumtänzerische Unsolidität eines Hitler, die<br />

dann zur Grundlage des Dritten Reiches wurde, trifft Joachim Fest in seinem Hitler-Buch (5.<br />

927): „Seine Entscheidungsschwäche und Lethargie verlangte nach grandios konstruierten<br />

Scheinwelten. . . Der Zug fantastischer Überspanntheit hat in dieser gestörten<br />

Realitätsbeziehung die Ursache.“ In der Tat: Sollte es <strong>hier</strong> und da bei Hitler nach schnellen<br />

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