Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
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einen Spiegel…“ aus dem 1. Korintherbrief<br />
und der Vers „Lehre uns bedenken, dass wir<br />
sterben müssen…“ aus dem 90. Psalm. Auf<br />
diese Weise kann es möglich sein, dass sich<br />
lebensgeschichtliche Erzählungen mit den<br />
Erzählungen von Gottes Geschichte mit uns<br />
Menschen neu miteinander verbinden. Da „fällt“<br />
dann Gott in die je individuelle Erzählung aus<br />
dem Leben „ein“ – neue Erzählungen entstehen<br />
in den alten Erzählungen.<br />
Das kann allerdings nur gelingen, wenn die<br />
Atmosphäre der Begegnung nicht von einer<br />
Mentalität des Überzeugungs- und Übereinstimmungswillens<br />
geprägt ist. Dieser Gefahr<br />
unterliegen wir als Repräsentanten der Kirche<br />
ja alle. Wir möchten gerne, dass andere unsere<br />
Überzeugungen teilen, dass wir in den Vorstellungen<br />
übereinstimmen. Dazu passt das Bild<br />
der „Post-Paket Kommunikation“: Ich möchte,<br />
dass das, was ich sende, ankommt und angenommen<br />
wird. Wesentlich wird es dagegen sein,<br />
eine Begegnungskultur zu entwickeln, die der<br />
„Blumenbeet-Kommunikation“ entspricht, die<br />
sozusagen in einem „neutralen“ Raum stattfindet,<br />
einem freien Raum. In ihm können ganz<br />
unterschiedliche Ideen und Überzeugungen zur<br />
Sprache kommen und die Gesprächspartner<br />
werden selbst herausfinden, was ihnen in ihrer<br />
je persönlichen Situation hilfreich ist. Je mehr<br />
sich Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong> über ihre<br />
eigenen Überzeugungen, ihre Fragen und<br />
Zweifel, ihre Gewissheiten und Unsicherheiten<br />
im Klaren sind, um so leichter wird es ihnen<br />
fallen, diesen Freiraum zu ermöglichen und<br />
andere Überzeugungen und Einstellungen gelten<br />
zu lassen, sich vielmehr dadurch anregen<br />
zu lassen.<br />
In der Begegnung in einem solchen Freiraum<br />
kann sich dann ereignen, was Grözinger als<br />
eine willkommen heißende, eine begrüßende<br />
Gemeinde bezeichnet. 5 Menschen fühlen sich<br />
begrüßt und willkommen mit ihrer ganz individuellen<br />
Geschichte und Einstellung – auch<br />
was den Glauben und die Kirche angeht. Sich<br />
von Gott begrüßt und willkommen geheißen zu<br />
5 Grözinger, Leib Christi – Kirche als Organisation aus<br />
theologischer Perspektive, in WZM, Jg. 54, 2002, S.<br />
359-372<br />
wissen – ich glaube, dieses Bedürfnis steckt<br />
dahinter, wenn Menschen Repräsentanten der<br />
Kirche immer noch viel Vertrauen entgegen<br />
bringen. Denn in einer Welt, in der jedes Individuum<br />
unter dem Druck steht, das individuelle<br />
Leben selbst sinnvoll zu gestalten, steht neben<br />
dem Wunsch nach individuellem Freiraum<br />
gleichzeitig das Bedürfnis, dass das Leben<br />
einen haltenden (göttlichen) Rahmen hat. In<br />
einer Welt des Wählens möchten Menschen<br />
die Erfahrung machen, gewählt zu sein. Ein<br />
wesentlicher Gedanke auch für die Mitarbeitenden:<br />
Als Mitarbeitende bringen nicht sie Gott zu<br />
den Menschen, sondern Gott hat einen jeden<br />
Menschen bereits begrüßt, er ist uns immer<br />
schon voraus.<br />
Religiöse Kommunikation –<br />
eine „Kunst für alle“<br />
Eine religiöse Kommunikation in dieser Weise<br />
bedarf keines besonderen Wissens von Experten.<br />
Sie muss vielmehr zu einer „Kunst für alle“<br />
(Grözinger) 6 werden.<br />
Weil es darin um das „Ineinanderlesen von<br />
Gottesgeschichte und menschlicher Lebensgeschichte“<br />
geht, bedarf es Menschen, die<br />
selbst neugierig sind, ihre eigenen Lebenserzählungen<br />
im Lichte des Evangeliums sehen<br />
und deuten zu können. Eine solche religiöse<br />
Kommunikation ist ein gemeinsames Fragen<br />
und Suchen danach, wie Worte, Bilder und<br />
Geschichten der Bibel Sprech-Hilfen werden<br />
können, das Leben zu verstehen und zu deuten.<br />
Religiös kommunizierende Menschen in<br />
diesem Sinne sind Menschen, die sich auf das<br />
Fremde und das Andere einlassen können,<br />
„die Grenzen zu überschreiten vermögen, die<br />
Beziehungen herstellen können, Netze zu<br />
knüpfen verstehen“. Es sind Menschen, die sich<br />
auf offene Kommunikationsprozesse einlassen<br />
können, ohne zu wissen, was am Ende dabei<br />
herauskommt, in der Gewissheit, dass sie selbst<br />
und der Gesprächspartner nur davon profitieren<br />
können. Menschen in ihren Reihen zu haben,<br />
die dazu bereit sind - etwas Besseres kann<br />
keiner Kirchengemeinde passieren.<br />
6 und folgendes: Grözinger, Was geschieht in religiöser<br />
Kommunikation?, a.a.O.<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
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