Section Days abstract book 2010.indd - RUB Research School ...

Delikatesse der Empfindung setzt Lenz diesen Gedanken literarisch um und spielt anschaulich
die Folgen misslingender Kommunikation durch. Sowohl das Individuum als auch die
Gesellschaft, in der es sich bewegt, geraten durch den Abbruch der Kommunikation in eine
prekäre Lage: Der Einzelne, der die kommunikativen Regeln nicht befolgt, wird isoliert und
gilt als Fremder – als solcher ist er stigmatisiert und erfährt eine gewaltvolle Einschränkung
seiner Autonomie und Handlungsmöglichkeiten. Die Gesellschaft aber, die dies mit
verursacht hat, beschneidet sich über die Verweigerung des Austauschs mit dem ‚Fremden‘
selbst. Sie verarmt und verhärtet sich, wo sie in Bewegung, d.h. lebendig bleiben sollte. Im
Bestreben, ihre Identität vor unvorhersehbaren Einflüssen zu schützen, zementieren der
Einzelne und die Gesellschaft soziale und kulturelle Grenzen und letztlich einen
menschenunwürdigen Zustand. Der Angst vor dem ‚Anderen‘ und dem ‚anderen‘ Sprechen
muss, so Lenz, offen und reflektiert begegnet werden, damit diese Grenzen eines Tages
überwunden werden können.