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SPANISCHE UND DEUTSCHE CHATS IM VER-
GLEICH – NEOGRAFIE ALS GRENZE, KONFLIKT
UND INNOVATION
Daniel Kallweit
Fakultät für Philologie; Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Germany
e-mail: daniel.kallweit@rub.de
Dass sich im Internet und vor allem in der quasisynchronen computervermittelten Kommunikation,
d.h. dem Chat, Schriftlichkeit und Mündlichkeit (Koch / Oesterreicher 1985) stark
vermischen, ist in der Linguistik eine vielfach untersuchte Tatsache (vgl. beispielsweise
Dürscheid 2003 oder Storrer 2001). Diese Vermischung hat in verschiedenen Sprachen zu
unterschiedlichen Ergebnissen, d.h. unterschiedlichen Strategien der Chat-Nutzer geführt, um
die Illusion einer Face-to-Face-Kommunikation (Cabedo Nebot 2009) – möglichst schnelle
und ökonomische Antwort, um Diskurs „in Echtzeit“ beizubehalten – für sich selbst und das
Gegenüber aufrechtzuerhalten. Während man in deutschsprachigen Chatkanälen vornehmlich
verschriftete Umgangssprache bzw. verschrifteten Dialekt findet (Kilian 2002), lässt sich in
spanischsprachigen Kanälen eine starke Veränderung der Schreibweisen erkennen, welche als
Neografie bezeichnet werden soll (Anis 2003, 2007).
Diese neuen Schreibungen lassen sich nun – in Anknüpfung an das Thema des diesjährigen
Section Day – in dreierlei Hinsicht klassifizieren: Erstens stellen sie eine Grenze für viele
Fremdsprachenlerner des Spanischen, aber auch für Teile der spanischsprachigen Bevölkerung
selbst dar, die mit den teils kryptischen Abkürzungs- bzw. Schreibverfahren nur wenig
oder gar nicht vertraut sind1. Auch wenn diese Grenze durch Erlernen der neuen Strategien
(und Konventionen?) überwunden ist, steht die Neografie doch zweitens immer noch in Konflikt
zur offiziellen Orthografie des Spanischen, was zu Interferenzen bei der Textproduktion
außerhalb der computervermittelten Kommunikation (beispielsweise in der Schule oder Universität)
führen kann. Drittens stellen alle neografischen Schreibungen schließlich in gewissem
Maße eine Innovation dar, da sie – wie der Name schon sagt – neue Schreibweisen sind,
die zwar teilweise aus älteren Traditionen schöpfen, aber dennoch stets innovatives Potenzial
in sich tragen.
1 So hatte sich 2006 – wohl nach französischem Vorbild – ein Comité Contra las Faltas de
ortografía Voluntarias y el Lenguaje Sms (Komitee gegen willentliche Rechtschreibfehler und
SMS-Sprache) gebildet, das sich gegen die Verwendung der neuen Schreibweisen in Internetforen
einsetzte. Diese Aktivität wurde jedoch 2008 eingestellt; seitdem existiert lediglich ein
Blog, der ähnliche Ambitionen verfolgt (vgl. http://ccfvls.wordpress.com/2008/07/24/ccfvls/
[Stand 24.8.2010]).
Im Rahmen des Vortrags möchte ich verschiedene Beispiele aus spanischen und deutschen
Chats geben und zeigen, inwiefern die gefundenen Phänomene – wie eben beschrieben – als
Grenze, als Konflikt oder als Innovation gedeutet werden können. Des Weiteren wird ein
Vergleich der in beiden Sprachen genutzten Strategien angestrebt (wobei der Schwerpunkt auf
dem Spanischen liegen wird), um so bestehende Unterschiede aufdecken und ggf. erste Erklä-