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DER ISLAM - EINE RELIGION AUS GRENZEN UND<br />
KONFLIKTEN?<br />
Katarzyna A. Meyer-Hubbert<br />
Fakultät für Philologie; Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Germany<br />
e-mail: katarzyna.meyer-hubbert@rub.de<br />
Jedes Überschreiten einer Grenze bringt das Risiko eines Konfliktes mit sich. Unabhängig<br />
vom Terrain, ob geo-politische, soziale oder religiöse Grenzen, Grenzen zwischen Weltanschauungen,<br />
zwischen Geschlechtern und zwischen historischen Vorgegebenheiten, oder gar<br />
die Grenze des guten Geschmacks – sie alle trennen mehr oder weniger unterschiedliche, unabhängige<br />
und häufig verfeindete Systeme und Größen von einander.<br />
Nach 9/11 ist der Islam zu einem Synonym einer solchen Grenzüberschreitung und allen damit<br />
verbundenen Konflikten geworden. Eine Religion, die als ein System und Werkzeug des<br />
internationalen Terrorismus dargestellt wird, steht am öffentlichen Pranger des Westens und<br />
wurde zum Sündenbock der westlichen Medien.<br />
Der Islam hatte es schon immer etwas schwieriger. Entstanden im 7. Jahrhundert in Arabien,<br />
fand er sich auf einer Religionskarte etablierter Glaubenssysteme des spätantiken Nahen Ostens<br />
und musste sich in diesem Milieu behaupten um zu überleben. Grenzen mussten überschritten,<br />
neue Wege gefunden werden, um die eigene Attraktivität ins Licht stellen zu können.<br />
Dabei waren die Idee des absoluten Monotheismus sowie die Formen der Glaubensausübung<br />
gar nicht revolutionär. Der Islam wurde nicht ernst genommen, nicht anerkannt und<br />
von vielen als eine jüdische oder christliche Sekte verspottet und später schlicht als Synkretismus<br />
abgestuft.<br />
Auch der muslimische Alltag ist von Grenzüberschreitungen geprägt. Fünfmal täglich wird<br />
zum Gebet gerufen und erwartet, dass der Zustand der rituellen Reinheit wieder hergestellt<br />
wird. Ein Betender passiert somit mehrere Grenzen, um schließlich ins Sacrum des Kontaktes<br />
mit Gott zu gelangen. Fünf Kreise der Reinheit – und somit fünf Grenzen – trennen einen<br />
meist rituell unreinen Alltag von dem Weihezustand eines Betenden und diese finden auch<br />
ihre Parallelen in dem konfliktreichen Überschreiten – und Bestimmen – der Grenzen zwischen<br />
der jungen Religion des Islam und seinen etablierten Herausforderern.<br />
Die rituell reinen Kreise – der Gebetsort, die Kleidung, der Körper des Betenden, die Speisen,<br />
die er zu sich nahm und schließlich die reine Absicht, ein Gebet zu sprechen – bilden eine<br />
mehrstufige und komplizierte Grenze zwischen dem Profanum des Alltags und dem Sacrum<br />
des Gebets.<br />
Vom Ort der Entstehung des Islam, dem spätantiken Hiğāz, über die Kleidung der Traditionen<br />
und Rituale, die den Islam eindeutig in den interreligiösen Kontext des spätantiken Nahen<br />
Ostens integrieren bis hin zum mehrmals täglich gewaschenen Unreinheiten auf dem Körper<br />
erstrecken sich die äußeren Grenzen zwischen dem Islam und seinem Umfeld. Die Speisen<br />
seiner Ideen, aber auch der Ideologien, die um diese Religion gewachsen sind und schließlich<br />
die Absicht, sich gegenseitig zu tolerieren und zu akzeptieren, bilden ein Äquivalent zu den<br />
inneren Reinheitskreisen.<br />
In der Mitte dieser Kreise steht ein Mensch, der vor Gott seinen Glauben leben und manifestieren<br />
will. Durch die vielen Grenzen getrennt zeigt sich der Islam der Welt, in der er Aner-