gab November 2023
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MUSIK<br />
NACHGEFRAGT<br />
CMAT:<br />
FOTO:<br />
„Ich habe mich oft dumm gefühlt“<br />
SARAH DOYLET<br />
Auch wenn die Irin CMAT bei den<br />
Music Moves Europe Awards den<br />
ersten Platz der ukrainischen Singer-<br />
Songwriterin Jerry Heil überlassen musste:<br />
Ihr Auftritt im Häkken auf dem Hamburger<br />
Kiez hat bei den Reeperbahn-Festival-Fachbesuchern<br />
auf jeden Fall einen<br />
bleibenden Eindruck hinterlassen.<br />
Auf der Bühne, das zeigt sich schon nach<br />
wenigen Minuten, ist die 27-Jährige wahrhaftig<br />
eine Naturgewalt. Allein dank ihres<br />
Outfits – zu weißen Rüschen-Hotpants<br />
trägt sie grüne Glitzerboots – sticht die<br />
Musikerin ins Auge. Doch es sind nicht<br />
allein solche Äußerlichkeiten, die einen<br />
faszinieren. CMAT, geboren als Ciara Mary-<br />
Alice Thompson in Dublin, steht keine<br />
Sekunde still. Mal turnt sie unter dem<br />
Keyboard herum, mal liegt sie auf dem<br />
Boden, dabei singt sie die ganze Zeit. Ihre<br />
expressive Stimme legt sich über einen<br />
Mix aus Country und Pop.<br />
Nach diesem fulminanten Auftritt braucht<br />
CMAT erst mal ein Bier. Sie probiert eine<br />
lokal gebraute Gerstenkaltschale und<br />
ist begeistert: „Wir Iren lieben Bier.“ Eine<br />
weitere Leidenschaft ihrer Landsleute:<br />
Country. Bereits als Kind hörte CMAT<br />
Johnny Cash – und begeisterte sich für<br />
Karaoke. Unvergesslich geblieben ist ihr<br />
ein Campingurlaub in Frankreich. Als sie<br />
dort beim Karaoke mitmachte, riss sie ihr<br />
Publikum mit: „Alle haben geklatscht. Zum<br />
ersten Mal bekam ich eine wirklich große<br />
Reaktion auf meinen Gesang.“<br />
Dennoch war es für CMAT nicht so leicht,<br />
Musikerin zu werden. „Wenn man nicht<br />
reich ist“, erläutert sie, „gibt es in Irland<br />
wenige Wege in die Musikbranche. Es<br />
fehlt an staatlichen Förderprogrammen<br />
und Auftrittsmöglichkeiten.“ Also zog die<br />
Irin nach Manchester. Dort gründete sie<br />
mit einem Tinder-Date das Duo Bad Sea.<br />
„Damals“, bekennt sie, „haben wir jede<br />
Show gespielt. Doch ich konnte noch<br />
nicht so gut singen wie heute.“ Das war<br />
nicht das einzige Problem. Auch in der<br />
Beziehung mit ihrem Musikerkollegen<br />
hakte es: „Ich war 18, er 27. Allein durch<br />
den Altersunterschied entwickelte sich<br />
eine toxische Dynamik. Ich habe mich oft<br />
dumm gefühlt.“<br />
Die Reißleine zog sie schließlich nach<br />
einem Gespräch mit der Sängerin Charli<br />
XCX. Sie riet ihr zur Trennung und einem<br />
Neuanfang als Künstlerin. CMAT kehrte<br />
nach Irland zurück und beschloss, ein<br />
halbes Jahr lang jede Woche einen Song<br />
zu schreiben, den sie dann online stellte.<br />
Auf diese Weise gewann sie immer mehr<br />
Fans, ihr Debütalbum „If my Wife Knew<br />
I’d Be Dead“ stieg 2022 direkt an die<br />
Spitze der irischen Charts. Nun folgt<br />
ihre zweite Platte „CrazyMad, for me“.<br />
Mit ihren neuen Liedern hat sie sich an<br />
ihrer toxischen Beziehung abgearbeitet.<br />
„Eigentlich“, gesteht sie, „wollte ich ein<br />
abstraktes Konzeptalbum machen. Bis<br />
ich beschlossen habe, meine Geschichte<br />
einfach direkt zu erzählen.“ Dabei nimmt<br />
CMAT ihrer Hörer mit auf eine dreigeteilte<br />
Reise. In einem Stück wie „Rent“ ist<br />
noch einmal ihre Wut hochgekocht. Mit<br />
„Torn apart“ übt sie Selbstkritik: „Wenn<br />
ich mich verliebe, denke ich immer: Mit<br />
dieser Person werde ich den Rest meines<br />
Lebens verbringen. Ehrlich gesagt war<br />
mein damaliger Partner realistischer.<br />
Dank seiner Erfahrung war ihm klar, dass<br />
wir uns eines Tages trennen würden.“<br />
Der dritte Part schaut zum Beispiel mit<br />
„Have Fun!“ nach vorne. CMAT hat wieder<br />
Spaß am Leben. Dennoch redet sie sich<br />
in Rage, als sie über das Queersein in<br />
Irland nachdenkt. „Für mich war meine<br />
Bisexualität kein großes Problem, weil sich<br />
die katholische Kirche nicht für die Sexualität<br />
einer Frau interessiert“, resümiert<br />
sie. „Schwule haben es schwerer, weil ein<br />
Mann in Irland ein echter Kerl sein muss.“<br />
*Dagmar Leischow