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BfN -Skripten 146 - Bundesamt für Naturschutz

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a) (MÜLLER-KROEHLING 2001a, CONRADY 2002), die Raufußhühner (SUCHANT 1993) (vgl. Kap.<br />

3.1.10) diverse Singvögel (z.B. Baumpieper (Anthus trivialis)) oder eben die Arten der Schlagflora.<br />

Das Zulassen der Entnahme von kleinen Baumgruppen, zum Beispiel in der Form von Femelhieben<br />

27 , ist aus diesen Gründen je nach den örtlichen Gegebenheiten positiv zu werten. Die Flächen<br />

sollten aber nicht Größen erreichen, bei denen die oben geschilderten Probleme der Veränderung von<br />

Kleinklima und Boden bedeutsam werden. STURM (1993) empfiehlt daher nur einzelstamm- bis trupp-<br />

und gruppenweise Nutzungen wie Plenter- und Femelschlagverfahren. Diese Freistellungsgrößen von<br />

etwa der Länge eines ausgewachsenen Baumes (30 - 40 m) entspräche auch den im Urwald vorkommenden<br />

durchschnittlichen Flächeneinheiten (vgl. Mosaik-Zyklus-Konzept nach REMMERT (1993)).<br />

Diese Flächengröße kann zudem als Grenzwert angenommen werden, bei dem es noch nicht zu den<br />

oben geschilderten Problemen der Veränderung von Kleinklima und Boden kommt. Wälder, die<br />

durch Femelschlagverfahren zur Schaffung von Naturwaldbiotopen entstehen, entsprechen wohl dem<br />

Ursprungstyp der Wälder am ehesten, da zeitbegrenzt Waldlichtungen mit ihrer besonderen Artenvielfalt<br />

entstehen (HEYDEMANN 1982).<br />

Eine Förderung der Baumartenvielfalt durch die waldbauliche Integration von Lichtbaumarten wie Eiche<br />

oder Kiefer würde allerdings durch eine ausschließliche Waldbewirtschaftung im Plenterbetrieb regional<br />

behindert werden, da diese Lichtbaumarten dadurch tendenziell „ausgedunkelt“ werden. Für Eiche und<br />

Kiefer auf besseren Standorten empfiehlt beispielsweise RICHTER (2000) Verfahren der gruppen- bis<br />

horstweisen (Schlagdurchmesser 30 - 60 m 28 ) Vorverjüngung.<br />

Nach Angaben von ROUSSEL (1972) ist erst bei größeren Lücken von zwei bis drei Baumlängen eine<br />

deutliche Zunahme der Lichtverhältnisse festzustellen. So gibt es neben bestimmten Arten, die bereits<br />

in femelartigen Löchern, einen ausreichenden Lebensraum finden, auch andere Arten, die größere<br />

Freiflächen benötigen. Dies sind zum Beispiel die Heidelerche (Lullula arborea) (ROTHHAUPT &<br />

VOGEL 1996, BAUER & BERTHOLD 1997, HÖLZINGER 1999) oder der Ziegenmelker (Caprimulgus<br />

europaeus) (SCHOLL 1979, BAUER 1980).<br />

GLUTZ VON BOLTZHEIM (1962) beschreibt das Biotop des Ziegenmelkers folgendermaßen: „Lichtungen,<br />

Schneisen, Kahlschläge und Wege mit sandig-steinigem und mehr oder weniger kurz bewachsenem<br />

Boden in Wald- und Buschbeständen trockener und sonniger Gegenden.“ Solche Bedingungen<br />

fand der Ziegenmelker in Mitteleuropa nur auf den allerärmsten Böden, wo selbst die Kiefern<br />

nur noch einen sehr lichten Bestand bildeten. Mit dem Einsetzen der Kiefernmonokulturen und der<br />

dazugehörigen Kahlschlagswirtschaft wurden dann solche Gebiete in großem Maß künstlich geschaffen.<br />

Die intensive Streunutzung (vgl. Kap. 3.1.11) trug ihren Anteil dazu bei, indem nährstoffarme<br />

podsolige Braunerden ohne Humus entstanden. Diese boten ausreichend vegetationsarme Flächen,<br />

die der Ziegenmelker als Bodenbrüter benötigt.<br />

Stellt man also als <strong>Naturschutz</strong>ziel die Sicherung des Lebensraums <strong>für</strong> den Ziegenmelker in den Vordergrund,<br />

so wirkt sich der Kahlschlag oder mindestens der Schirmschlag 29 positiv auf dessen Bestand<br />

aus. BLAB (1993) findet es durchaus vertretbar, kleinere Kahlschläge von 0,7 - 1 ha unter bestimmten<br />

Pflege- und Bewirtschaftungsbedingungen durchzuführen. Andere Faktoren, die Lebensräume<br />

<strong>für</strong> solche Arten schaffen können, sind zum Beispiel die natürliche Dynamik und der Prozessschutz.<br />

Bezüglich des Ziegenmelkers (SCHOLL 2002) oder auch des Kleinen Waldpförtners (Hipparchia<br />

alcyone) (BOLZ & GEYER 2001) wirft sich in der <strong>Naturschutz</strong>zieldiskussion einerseits die Frage auf,<br />

ob eine Art, die andernorts in gesicherten Populationen auftritt, auch an ihrer derzeitigen habitatbedingten<br />

Arealgrenze besonders geschützt werden muss, wenn dieser Schutz nur mit „künstlichen“<br />

und zum Teil statischen Eingriffen in die derzeitig natürlichen Entwicklungsprozesse zu erzielen ist<br />

(vgl. FLADE 2000). Andererseits gibt es Hinweise dahingehend, dass sich gerade an solchen Arealgrenzen<br />

neue genetisch differenzierte Populationen entwickeln, die die Plastizität der Arten bewirken.<br />

Diese ermöglicht die Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen und führt damit letztlich zur<br />

27<br />

Holzernte durch Entnahme von kleinen Baumgruppen bis zu einer Baumlänge<br />

28<br />

nach SCHMALTZ 1992<br />

29<br />

Es bleiben lediglich einige alte Bäume, die so genannten Überhälter, auf der Fläche. Diese Verjüngungsmethode<br />

wird bzw. wurde größtenteils beim Anbau von Lichtbaumarten wie der Kiefer angewendet.<br />

35

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