Download der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum - Richard ...
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Formierung <strong>der</strong> Wagneranhänger im Vorfeld <strong>der</strong> Festspiele 1876<br />
Die geistige Abwehrbewegung gegen Wagner seit den<br />
1870er Jahren wurde wesentlich auch von einem beson<strong>der</strong>en<br />
Phänomen beför<strong>der</strong>t: <strong>der</strong> Bildung von Wagnervereinen,<br />
die von vielen Außenstehenden als befremdlich empfunden<br />
wurden. Kaum zuvor hatte ein Künstler, <strong>der</strong> zudem<br />
noch lebte, eine ähnliche Organisation hinter sich gewusst,<br />
die mit mo<strong>der</strong>nen Mitteln für seine Sache in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
warb und neue Anhänger generierte. Die Wagnervereine<br />
wurden teilweise als so neuartig und bedrohlich empfunden,<br />
dass <strong>der</strong> Schriftsteller und Kunsthistoriker an <strong>der</strong><br />
Universität München, Wilhelm Heinrich Riehl, Ende 1871<br />
sogar zur Bildung von „Schutz- und Trutzbünden“ gegen<br />
die neue Bewegung aufrief. 27<br />
Obwohl es nicht zu einer Sammlung <strong>der</strong> Wagner-Kritiker in<br />
einem eigenen Forum kam, stießen die organisierten Wagner-Anhänger<br />
in <strong>der</strong> Frühzeit auf reichlich Unverständnis<br />
und offenen Wi<strong>der</strong>stand in <strong>der</strong> Gesellschaft. Mit märtyrerhaftem<br />
Pathos schil<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wagner-Vereine,<br />
<strong>der</strong> Musikalienhändler Emil Heckel aus Mannheim,<br />
rückblickend die Stimmung kurz vor <strong>der</strong> Reichsgründung:<br />
27 Gregor-Dellin, Wagner Chronik, S. 135.<br />
28 Veltzke, Mythos des Erlösers, S. 96.<br />
29 Brigitte Hamann, Die Familie Wagner, Reinbek bei Hamburg 2005 (2. Auflage 2009), S. 62.<br />
„Auch bei den Freunden <strong>der</strong> neuen Kunst zeigte sich in jener<br />
Zeit in den meisten gesellschaftlich angesehenen Kreisen<br />
eine geheime Scheu, sich offen zu Wagner zu bekennen.<br />
Die Verunglimpfung seiner Person und die Entstellung<br />
seines Zieles, wie sie in einem ungleich geführten Kampfe<br />
allenthalben zutage traten, warfen ihren Wi<strong>der</strong>schein auch<br />
auf seine Anhänger und benachteiligten <strong>der</strong>en Stellung im<br />
bürgerlichen Leben.“ 28<br />
Die Bildung eines Vereins entsprach zunächst ganz den<br />
Formen bürgerlicher Geselligkeit und Interessensvertretung,<br />
wie sie im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t allgemein blühten. Der<br />
Schritt von einem Kreis einzelner Liebhaber <strong>der</strong> Wagnerschen<br />
Kunst zu einer formierten Gesellschaft von Anhängern<br />
Wagners und seiner Weltanschauung war zugleich die<br />
Geburtsstunde des „Wagnerianers“. Cosima Wagner schil<strong>der</strong>te<br />
ihren Kin<strong>der</strong>n 1881, was sie und das Haus Wahnfried<br />
unter diesem neuartigen Typus verstanden: „Als Opernkomponist<br />
ist Dein Papa nicht wie ein Partei-Haupt zu betrachten,<br />
wohl aber als Stifter von Bayreuth, als Philosoph,<br />
und in so fern darf man Wagnerianer Diejenigen nennen,<br />
welche ihm überall folgen, <strong>zum</strong> Unterschied zu Denen,<br />
welche: O Du hol<strong>der</strong> Abendstern, Leb’ wohl mein lieber<br />
Schwan, ja die Träume und das Schusterlied mögen. Daher<br />
kann es Wagnerianer geben, weil es eine Wagner’sche Idee<br />
giebt, die diese zu verwirklichen suchen, keine Lisztianer,<br />
weil Dein Großpapa ein großer Künstler ist, aber keine<br />
Idee verwirklicht, ebenso wenig wie Beethoven etc. Wagnerianer<br />
wird es immer ebenso wenige geben, als es viele<br />
Besucher <strong>der</strong> „Opern“ Wagner’s geben wird.“ 29<br />
Damit ist zugleich die Diskrepanz angesprochen, welche<br />
sich durch die gesamte frühe Wagnervereinsgeschichte<br />
zieht. Auf <strong>der</strong> einen Seite standen die idealistischen Hoffnungen<br />
und Bemühungen <strong>der</strong> Familie Wagner und einiger,<br />
engster Vertrauter, die Vereine durch die Erziehung<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im Bayreuther Sinne zu einer gläubigen<br />
Gemeinschaft umzuformen und über sie die Wagnerschen<br />
Ideen weiter nach außen zu tragen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
standen die ganz praktischen Anliegen einer bürgerlichen<br />
Vereinsmehrheit, die einer ideologischen Durchdringung<br />
verschlossen blieb und eher allgemeinen Kunstinteressen<br />
und Geselligkeitsvorstellungen folgte.<br />
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