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2.1. Vorbereitungen, Menschwerdung und Erniedrigung - Christologie

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Vor etlichen Jahren kam es im Verlauf einer von mir geleiteten Bibelst<strong>und</strong>e<br />

zur Auseinandersetzung zwischen einem jungen Theologen <strong>und</strong> mir über<br />

die Jungfrauengeburt Jesu. Während seines Universitätsstudiums hatte er<br />

unter anderem gelernt, dass diese nicht auf historischem Geschehen beruhe,<br />

sondern nur ein christianisiertes Stück griechischer Göttermythologie darstelle.<br />

Nun brachte er diese Anschauungen zum Ausdruck <strong>und</strong> versuchte,<br />

ihnen mit Hilfe griechischer <strong>und</strong> hebräischer Vokabeln besonderen Nachdruck<br />

zu verleihen. Da sich die Versammlung daraufhin in eine nutzlose<br />

Diskussion verwickelte, musste ich ihn zum Schweigen auffordern. Die<br />

Schrift sage es anders, stellte ich fest, folglich sei er im Unrecht. Eine öffentlich<br />

vorgebrachte Irrlehre könne man nicht dulden. Nach dieser zwangsweisen<br />

Unterbrechung verlief die weitere Bibelbetrachtung zwar ruhig, doch<br />

erfuhr ich später, dass der junge Mann den dortigen Kreis noch bei anderen<br />

Gelegenheiten irritiert <strong>und</strong> mit seinen Gedanken infiziert hatte. Mein entschiedenes<br />

Beharren auf dem »Es steht geschrieben!« hatte wohl an jenem<br />

Abend zu einem guten Ende geführt, aber um die Ausbreitung dieser Ideen<br />

zu verhindern, hätte man den Zuhörern noch mehr biblische Argumente<br />

<strong>und</strong> theologische Zusammenhänge einsichtig machen sollen <strong>und</strong> aufzeigen<br />

müssen, wohin der falsche Weg führt, wenn er erst einmal eingeschlagen<br />

worden ist. Will man dem Feind wirksam entgegentreten, muss die Kenntnis<br />

seiner Aufmarschpläne möglichst umfassend sein. So müssen auch wir<br />

die Argumente des Glaubensgegners kennen, um sie widerlegen <strong>und</strong> zerstören<br />

zu können. Darum will ich im folgenden kurz das Denkschema der kritizistischen<br />

Theologie skizzieren, die die Jungfrauengeburt Jesu ablehnt. Es<br />

lässt sich auf zwei Gr<strong>und</strong>gedanken reduzieren:<br />

1. Das erste Argument entstammt der Traditionsgeschichte <strong>und</strong> stützt sich<br />

auf die Gr<strong>und</strong>these, die Tradition der Jungfrauengeburt sei sehr dürftig <strong>und</strong><br />

trete zudem zeitlich spät auf. Der Gedankengang leitet sich von der Vermutung<br />

ab, dass die ersten Zeugen im Neuen Testament von der Jungfrauengeburt<br />

nichts gewusst hätten. Die frühesten Schriften — die Briefe des Paulus<br />

— machten keine Aussagen zur Jungfrauengeburt; vielmehr zeigten<br />

Ausdrücke »geboren von einem Weibe« (Gal. 4, 4) u. a., dass von der Geburt<br />

Jesu wie von jeder normalen Geburt gesprochen werde. Markus, den<br />

man für den ältesten Evangelisten hält <strong>und</strong> der ums Jahr 70 geschrieben habe,<br />

kenne ebenfalls keine Jungfrauengeburt. Auch die Anführung der<br />

Stammbäume Jesu im Matthäus- <strong>und</strong> Lukasevangelium widerlegten eine<br />

Jungfrauengeburt, indem sie eine normale Abstammung voraussetzten.<br />

Schliesslich habe auch Johannes sie nicht erwähnt, zumal sie sich rein logisch<br />

nicht mit dem johanneischen Konzept der Präexistenz vertrage. Denn<br />

wie kann Jesus erst in Maria gezeugt werden, wenn er schon zuvor existierte?<br />

Diese Gedankengänge haben die kritischen Theologen unserer Zeit dazu<br />

veranlasst, die Geburtsberichte der Evangelisten Matthäus <strong>und</strong> Lukas als<br />

allmählich entstandene, späte Traditionen einzustufen. Bereits das Zurücktreten<br />

von Josefs Charakter in den Evangelien weise auf die Tendenz hin,<br />

Jesus <strong>und</strong> seine Mutter stärker zu betonen <strong>und</strong> sei der erste Schritt auf dem<br />

Wege, der zur Vorstellung von der Jungfrauengeburt geführt habe. Die im<br />

Neuen Testament vorliegenden Geburts- <strong>und</strong> Kindheitsgeschichten Jesu<br />

werden somit als sehr spät in die Evangelien eingearbeitetes »Kolorit« gewertet,<br />

das keinen Anspruch auf Historizität erhebe.

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