2.1. Vorbereitungen, Menschwerdung und Erniedrigung - Christologie
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Der nächste Punkt ist besonders interessant <strong>und</strong> für meine Begriffe sehr bezeichnend.<br />
In Lk.1,38 heisst es: »Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn<br />
Magd.« Das Wort »doule« bedeutet wörtlich »der weibliche Sklave des<br />
Herrn «. Wenn wir uns Ps.86,16 zuwenden — einem jener messianischen<br />
Psalmen, wo der Geist Christi spricht — lesen wir diese bemerkenswerten<br />
Worte: »Wende dich zu mir <strong>und</strong> sei mir gnädig; stärke deinen Knecht mit deiner<br />
Kraft <strong>und</strong> hilf dem Sohn deiner Magd.« Es gibt ausser hier <strong>und</strong> in<br />
Ps.116,16 keinen weiteren Ausdruck dieser Art in der Schrift, der auf irgendeinen<br />
Mann als »Sohn deiner Magd« hinweist. 107 So sehen wir, wie die<br />
Jungfrauengeburt von einem w<strong>und</strong>erbaren Streiflicht berührt wird. In<br />
Ps.116,16, einem anderen messianischen Psalm (in beiden Psalmen kommt<br />
derselbe Vers vor) lesen wir: »Ach Herr, ich bin dein Knecht, ich bin dein<br />
Knecht, der Sohn deiner Magd.« Wer war die Magd des Herrn? Nur Maria!<br />
Es ist völlig richtig, dass bei der Septuaginta dieses Wort »Magd« in den<br />
Psalmen »paidiskee« lautet, während es in Lukas »doule« heisst. Beide Worte<br />
jedoch bedeuten absolut das gleiche, nämlich »der weibliche Sklave«, so<br />
dass praktisch der Ausdruck ebenfalls das gleiche bedeutet: »der Sohn deines<br />
weiblichen Sklaven«. Bei denen, die ihren Herrn lieben <strong>und</strong> wissen, in welche<br />
Tiefen Er um unseretwillen hinabstieg, werden Worte wie diese einen<br />
besonderen Klang in ihrem Herzen hervorrufen. »Der Sohn deines weiblichen<br />
Sklaven.«<br />
Das nächste Beispiel, das ich nennen will, ist Lk.1,46 ff, verglichen mit Vers<br />
68ff. In den erstgenannten Versen erhalten wir das sog. »Magnificat«, in<br />
den letzteren den »Benedictus«. Warum? Sind wird jemals auf den Gedanken<br />
gekommen zu fragen, warum wir hier in diesem Kapitel zwei Lieder<br />
haben, das eine »Magnificat« <strong>und</strong> das andere »Benedictus« genannt, das letztere<br />
von Zacharias <strong>und</strong> das erstere ausgerechnet von Maria? Wenn wir ein<br />
Lied von Zacharias <strong>und</strong> eines von Josef hätten, könnten wir das verstehen,<br />
denn wir wissen, wie im Orient die Väter vor Freude singen, wenn ein<br />
männliches Kind zur Welt gekommen ist. Aber es ist dort immer der Vater,<br />
der singt, niemals die Mutter. Nun singt zwar Zacharias sein Lied zur Geburt<br />
des Täufers, jedoch Maria ihr Lied zur Geburt Christi. Josef ist hier<br />
völlig stumm; er singt nicht einen Ton. Der Vater ist im Heiligen Lande<br />
sonst niemals stumm, denn Kinder werden dort willkommen geheissen. Er<br />
ist vielleicht manchmal bei uns stumm, wo Kinder nicht immer erwünscht<br />
sind; aber im Orient ist das anders, besonders unter Gottes auserwähltem<br />
Volk. Diese Tatsache — nicht ein direkter Beleg, sondern ein sog. Streiflicht<br />
— ist in sich selbst ein hinreichender Gr<strong>und</strong>, die Jungfrauengeburt zu begründen.<br />
Andernfalls ist das Lied der Maria völlig unverständlich. Es gibt<br />
keine Möglichkeit, es zu erklären, ausser, dass Josef nicht der Vater unseres<br />
Herrn ist, während Zacharias der (leibliche) Vater des Täufers war. Meiner<br />
Meinung nach ist dieses das stärkste Beispiel indirekter Art, das ich zu<br />
erbringen habe. Benötigen wir noch ein weiteres Zeugnis?<br />
Jetzt kommen wir aber zu Vers 39: »Maria aber stand auf in den Tagen <strong>und</strong><br />
ging eilends auf das Gebirge.« Dieser Satz ist ebenfalls schwierig zu erklären,<br />
wenn nicht die Jungfrau Mutter würde. Man erwartete von keiner Frau, al-<br />
107 Es gibt noch eine weitere Stelle im Zusammenhang mit dem Sabbath-Gebot in Ex.23,12: „Sechs Tage<br />
sollst du deine Arbeiten verrichten. Aber am siebten Tag sollst du ruhen, damit dein Rind <strong>und</strong> dein Esel<br />
ausruhen <strong>und</strong> der Sohn deiner Magd <strong>und</strong> der Fremde Atem schöpfen“.