Geschlecht und esellschaf eraus e geben v® Ilse Lenz ichik® Sigrid ...
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Staples gleichermaßen in seiner wichtigen Untersuchung „Black Masculinity"<br />
über ethnische Unterschiede. Er verbindet dabei die Situation schwarzer<br />
Männer unter dem amerikanischen Rassismus mit der Dynamik des Kolonialismus<br />
in der Dritten Welt, <strong>und</strong> hat mit diesem Ansatz bisher noch kaum<br />
Nachfolger gef<strong>und</strong>en."<br />
Die klassen- <strong>und</strong> rassenbedingten Unterschiede zu erkennen ist sehr<br />
wichtig, aber es haben sich noch andere Unterscheidungsmerkmale h<strong>eraus</strong>kristallisiert.<br />
Es wurde immer deutlicher, daß auch in ein <strong>und</strong> derselben kul<br />
turellen oder institutionellen Situation verschiedene Männlichkeiten entstehen<br />
können. Untersuchungen an Schulen haben dies zuerst gezeigt, so zum<br />
Beispiel Paul Willis' „Learning to Labour" an einer Schule der Arbeiterklasse.<br />
Willis machte zwei Gruppen aus: die harten „Draufgänger", die eine<br />
aufmüpfige Männlichkeit entwickelten, die sie in die Fabriken führte, <strong>und</strong> die<br />
„Streber", Jungen aus demselben Milieu, die sich den schulischen Anforderungen<br />
fügten <strong>und</strong> hinsichtlich des schulischen Erfolgs miteinander konkurrierten.<br />
Überraschend ähnliche Muster fand man an einer australischen Oberschichtsschule,<br />
<strong>und</strong> auch in weiteren Schuluntersuchungen."<br />
Solche Beobachtungen führten zusammen mit der psychoanalytischen<br />
Charakteranalyse (siehe oben) <strong>und</strong> Ideen aus der Schwulenbewegung (siehe<br />
unten) zum Konzept einer hegemonialen Männlichkeit. Es reicht nicht, die<br />
Mannigfaltigkeit von Männlichkeitsformen zu erkennen. Es geht auch um die<br />
Verhältnisse zwischen den verschiedenen Arten von Männlichkeit: Bündnisse,<br />
Dominanz <strong>und</strong> Unterordnung. Diese Verhältnisse entstehen durch Praxen,<br />
die ein- oder ausschließen, einschüchtern, ausbeuten, <strong>und</strong> so weiter. Männlichkeit<br />
bedeutet auch <strong>Geschlecht</strong>erpolitik."<br />
In den Schuluntersuchungen zeigten sich solche hegemonialen Muster<br />
sehr deutlich. In manchen Schulen ist die Art von Männlichkeit hegemonial,<br />
die sich im Wettkampfsport bewähren kann. Erfolge im Sport sind ein<br />
Männlichkeitsbeweis, sogar für Jungen, die Sport verabscheuen. Wer dieses<br />
vorherrschende Männlichkeitsmuster ablehnt, muß sich ihm durch Kampf<br />
oder Geschick entziehen. James Walker hat in seiner Untersuchung einer<br />
Großstadtschule in Australien ein Beispiel dafür anzubieten. Er beschreibt<br />
den Fall dreier Fre<strong>und</strong>e, die den Rugby-Kult an ihrer Schule verachteten.<br />
Aber sie konnten sich ihm nicht so ohne weiteres entziehen, sie mußten zuerst<br />
einen anderen Bereich finden, in dem sie sich Respekt verschaffen<br />
konnten - das gelang ihnen, indem sie die Schülerzeitung übernahmen."<br />
Hegemonie bedeutet deshalb nicht vollständige Kontrolle. Es läuft kein<br />
automatischer Prozeß ab, man kann ihn unterbrechen - oder er unterbricht<br />
59 Collinson, Knights <strong>und</strong> Collinson 1990, Tolson 1977, Messerschmidt 1993, Staples<br />
1982.<br />
60 Willis 1977, Kessler et al. 1985.<br />
61 Carrigan, Connell <strong>und</strong> Lee 1985 bieten eine Definition hegemonialer Männlichkeit;<br />
eine Kritik dieses Konzepts findet man bei Donaldson 1993.<br />
62 Walker 1988.<br />
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sich vielleicht von selbst. Messner zitiert problematische Fälle von Footballspielern,<br />
deren „legale" Gewalt ausartete. Als andere Spieler schwer verletzt<br />
wurden, lief diese Inszenierung männlicher Aggression Gefahr, die ganze<br />
Sportart in Verruf zu bringen.<br />
Solche Beobachtungen zeigen, daß die Beziehungen, die Männlichkeit<br />
konstruieren, dialektisch sind; sie passen nicht in ein Sozialisationsmodell,<br />
das zwischen Ursache <strong>und</strong> Folge eindeutig unterscheidet. Die Männlichkeit<br />
der „Draufgänger", die in „Learning to Labour" beschrieben wird, war natürlich<br />
nicht von der Schule intendiert. Viel wahrscheinlicher haben die Jungen<br />
ihre oppositionelle Männlichkeit in bewußter Abgrenzung von der schulischen<br />
Autorität entwickelt. Widersprüchlichkeiten anderer Art zeigten sich<br />
in Kleins Bodybuilding-Studie. Einige aktive Bodybuilder suchten Selbstbestätigung,<br />
indem sie schwulen Männern, die sie bew<strong>und</strong>erten <strong>und</strong> begehrten,<br />
sexuelle <strong>und</strong> andere Dienste verkauften. Aber homosexuelle Handlungen<br />
diskreditieren in homophoben G<strong>esellschaf</strong>ten die Männlichkeit, die diese<br />
Männer buchstäblich verkörpern. Jene, die sich prostituieren, fänden w<strong>und</strong>erbare<br />
Möglichkeiten, ihre Handlungen umzuinterpretieren <strong>und</strong> ihre homosexuellen<br />
Beziehungen zu leugnen."<br />
Wenn wir verschiedene Männlichkeitstypen unterscheiden, heißt das noch<br />
nicht, daß wir sie als starre Kategorien begreifen. Die psychoanalytische Theorie<br />
der Charaktertypen kann hier irreführen. Es ist essentiell, die Be<br />
ziehungsdynamik zu erkennen, in der das soziale <strong>Geschlecht</strong> entsteht. Cynthia<br />
Cockburn schreibt in ihrer glänzenden Untersuchung „Brothers" über die kollektive<br />
Konstruktion von Männlichkeit in Londoner Druckereien vom<br />
„...Aufbrechen alter Strukturen in der Arbeiterklasse <strong>und</strong> der Auflösung patriarchaler Beziehungsmuster,<br />
welche die Handwerkstradition bestimmten. Die Autorität alter Männer,<br />
die Unterwürfigkeit der Jungen, die Männlichkeitsrituale in den Druckereien <strong>und</strong> vor allem<br />
der Ausschluß von Frauen schwinden dahin."<br />
Cockburn betont den politischen Charakter der Konstruktion von Männlichkeit,<br />
<strong>und</strong> sie betont deren Wandlungsfähigkeit. Einen ähnlichen Standpunkt<br />
nimmt ein kanadisches Forscherteam in „Recasting Steel Labour" ein, eine<br />
der ersten Männerstudien, die Umfrage-Forschung <strong>und</strong> Ethnographie verbindet.<br />
In der Stahlfabrik von Hamilton begleitete ein dramatischer Einstellungswandel<br />
gegenüber weiblichen Kollegen <strong>und</strong> traditionellen Männlichkeitsideologien<br />
die gewerkschaftlichen Bemühungen gegen eine geschlechtliche<br />
Diskriminierung. Aber diese Bemühungen wurden von Rationalisierungsmaßnahmen<br />
der Unternehmensführung zunichte gemacht, so daß sich<br />
im Endeffekt weniger am <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis änderte als möglich gewesen<br />
wäre. "<br />
63 Zur Dialektik in Schulen siehe Connell 1989, beim Sport siehe Klein 1993.<br />
64 Cockburn 1983 (S. 1711). Ihre späteren Arbeiten haben den politischen Charakter<br />
des Prozesses stärker h<strong>eraus</strong>gestrichen, Cockburn 1991. Über Stahlarbeiter siehe<br />
Corman, Luxton, Livingstone <strong>und</strong> Seccombe 1993.<br />
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