Geschlecht und esellschaf eraus e geben v® Ilse Lenz ichik® Sigrid ...
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den, denkenden Geist <strong>und</strong> dem mechanischen, vernunftlosen Körper. Diskurstheorien<br />
haben diese Spaltung auch nicht überwinden können: sie haben<br />
Körper zu Objekten symbolischer Praxis <strong>und</strong> Machtausübung gemacht, aber<br />
nicht zu deren Teilnehmern.<br />
Um diesem Denkschema zu entkommen, reicht es nicht, die Bedeutung<br />
der körperlichen Unterschiede geltend zu machen, so wichtig das für die<br />
neuere feministische Theorie auch gewesen sein mag. Es geht vielmehr darum,<br />
sich die aktive Mitwirkung (agency) von Körpern bei sozialen Prozessen<br />
bewußt zu machen. Die Krisenberichte am Beginn dieses Kapitels zeigten die<br />
Rebellion von Körpern gegen bestimmte Arten von Druck. Die Rebellion<br />
war recht wirksam, aber noch kein Tätigsein (agency) des Körpers im eigentlichen<br />
Sinne. Ich möchte für eine noch stärkere theoretische Position<br />
plädieren <strong>und</strong> Körper als Teilnehmer am sozialen Geschehen (agency) begreifen,<br />
die den Verlauf sozialen Verhaltens mitbestimmen."<br />
Don Meredith hat ein Talent fürs Geschichtenerzählen <strong>und</strong> erzählte sehr ausführlich <strong>und</strong><br />
unterhaltsam von seiner pubertären Suche nach dem „ersten Mal". Nach einer Reihe von<br />
Fehlschlägen kam er endlich ans Ziel, ging eine Beziehung ein <strong>und</strong> mußte dann feststellen,<br />
daß es ihm nicht gelang, zu ejakulieren. Nach <strong>und</strong> nach wurde er allerdings erfahrener:<br />
„Ich bin sehr anal orientiert <strong>und</strong> habe das eher zufällig in der Beziehung zu einer<br />
jungen Frau entdeckt. Ich habe es wirklich genossen. Sie steckte mir den Finger in den<br />
Anus <strong>und</strong> ich dachte, Mein Gott, ist das phantastisch!' Beim Masturbieren habe ich diese<br />
Zone zwar irgendwie berührt, bin aber nie wirklich eingedrungen. Aber ich glaube, dieses<br />
Erlebnis hat viel bei mir ausgelöst. Als diese junge Frau das machte, ist es mir durch <strong>und</strong><br />
durch gegangen, hat mich elektrisiert. Bei ihr hatte ich nie Schwierigkeiten zu ejakulieren.<br />
Sie hat mich wirklich an der richtigen Stelle berührt. Und nun hatte ich das Gefühl, daß<br />
ich gerne auch eine Beziehung mit einem Mann haben möchte, der auch in mich eindringt.<br />
Und das alles hat mich sehr erregt, die ganze Vorstellung."<br />
Der körperliche Vorgang <strong>und</strong> die Erregung sind hier mit dem sozialen Geschehen<br />
(action) verwoben. Don erfährt seinen Körper <strong>und</strong> dessen Möglichkeiten<br />
in der Interaktion. Und eigentlich kann man sagen, er hat seinen Körper<br />
durch die Interaktion entdeckt. Er wurde von seiner Partnerin praktisch<br />
zu seinem Anus geführt. Die Klimax seines ersten <strong>Geschlecht</strong>sverkehrs war<br />
zugleich ein physisches Erlebnis <strong>und</strong> der Höhepunkt der längeren Erzählung<br />
über Dons Jungfräulichkeit - „Wow, ich habe das noch nie erlebt".<br />
Die soziale Qualität körperlicher Vorgänge hat nichts damit zu tun, ob<br />
etwas Soziales das physische Geschehen umrahmt. Es gibt da eine intimere<br />
Verbindung, die vor allem im Bereich der Phantasie zum Zuge kommt - in<br />
Dons Geschichte wird dies deutlich, vor allem wo er sich eine neue Beziehung<br />
zu einem Mann vorstellt, „der auch in mich eindringt".<br />
Diese Phantasie wird ausgelöst vom Erlebnis, zum ersten Mal mit dem<br />
Finger penetriert zu werden. Auslöser war also eine soziale Interaktion, aber<br />
es war wirklich auch eine körperliche Erfahrung. Die körperlichen Reaktio-<br />
20 Turner 1984. Rhode 1990 repräsentiert den derzeitigen feministischen Standpunkt zu<br />
den <strong>Geschlecht</strong>sunterschieden in den USA.<br />
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neu hatten einen direkten Einfluß auf Dons sexuelles Verhalten. „Soziales<br />
Geschehen" (agency) scheint kein zu starker Begriff zu sein, um zu beschreiben,<br />
was Dons Schließmuskel, Prostata <strong>und</strong> Schwellkörper hier miteinander<br />
bewerkstelligt haben.<br />
Der Sportforschung entgeht dieser Aspekt, wenn sie den Schwerpunkt<br />
auf die Entstehung des sozialen <strong>Geschlecht</strong>s durch die Trainingsmethoden<br />
legt. Joggen beispielsweise ist sicherlich eine sozial disziplinierte Aktivität.<br />
Ich sage mir das jeden zweiten Morgen, wenn ich mich aus dem Bett kämpfe<br />
<strong>und</strong> meine Laufschuhe zubinde. Trotzdem starten jeden August in Sydney<br />
40.000 Paar Füße in der William Street freiwillig zum „City to Surf" -Lauf.<br />
So ein Massenrennen ist ein überzeugender Beleg sozialen Vergnügens durch<br />
ein gemeinsames körperliches Ereignis.<br />
Die Idee des „Widerstandes" gegen die disziplinäre Praxis kann auch<br />
keine Antworten liefern, was passiert, wenn der Käfig der Disziplin auf den<br />
Boden fällt <strong>und</strong> sich verbiegt. Vor zwei Tagen saß ich im Bus Richtung Uni<br />
versität einer jungen Frau gegenüber, die Laufschuhe trug, Laufsocken <strong>und</strong><br />
Laufshorts, außerdem eine Seidenbluse, lange silberne Ohrringe, Make-up<br />
<strong>und</strong> gefönte Haare, mit Kämmen festgesteckt. Wurde sie gleichzeitig von<br />
zwei IVormsystemen kontrolliert, Sport <strong>und</strong> Mode, die beide irgendwo um die<br />
Hüfte herum ihre Macht einbüßten? Zumindest hat sie aus beidem etwas<br />
Witziges gemacht <strong>und</strong> ging geschickt damit um.<br />
Wenn Körper sowohl Objekte als auch Agenten der Praxis sind, <strong>und</strong> aus<br />
der Praxis wiederum die Strukturen entstehen, innerhalb derer die Körper definiert<br />
<strong>und</strong> angepaßt werden, haben wir es mit einem Muster zu tun, das von<br />
der derzeitigen sozialen Theorie nicht erfaßt wird. Dieses Muster könnte man<br />
körperreflexive Praxis nennen.<br />
Das elektrifizierende Gefühl, das Don Meredith verspürte, illustriert die<br />
Zusammenhänge. Das körperliche Vergnügen, mit dem Finger penetriert zu<br />
werden - aufgr<strong>und</strong> der Stimulation der Prostata <strong>und</strong> des Schließmuskels -<br />
hatte soziale Auswirkungen. Es führte direkt zu der Phantasie, eine neue soziale<br />
Beziehung einzugehen, mit einem Mann, „der in mich eindringt. Und<br />
das alles hat mich sehr erregt."<br />
Diese Erregung war eine Grenzüberschreitung. Don hält sich für heterosexuell.<br />
Er hat Annäherungsversuche eines schwulen Mannes während seiner<br />
langen Bemühungen, seine Unschuld zu verlieren, abgewehrt, „schlug ihn<br />
mit einem Zeltpflock in die Flucht". Aber die körperliche Erfahrung, penetriert<br />
zu werden, führt jetzt zur Vorstellung einer homosexuellen Beziehung,<br />
<strong>und</strong> in kurzer Zeit auch zu wirklichen homosexuellen Kontakten. (Don hatte<br />
aber kein Glück. Bei seinem ersten experimentellem schwulen <strong>Geschlecht</strong>sverkehr<br />
verlor sein Partner die Erregung.)<br />
Die Entspannung des Schließmuskels <strong>und</strong> die Stimulierung der Prostata<br />
haben nichts an sich, was eine Beziehung zu einem Mann nötig machen würde.<br />
Eine Frau kann das genauso gut machen. Es ist die soziale Gleichsetzung<br />
von analer Penetration <strong>und</strong> männlichem Sexualpartner, die Dons körperliche<br />
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