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Geschlecht und esellschaf eraus e geben v® Ilse Lenz ichik® Sigrid ...

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Modell des sozialen <strong>Geschlecht</strong>s zusammenzubasteln% Das ist im Prinzip das<br />

Vorgehen der <strong>Geschlecht</strong>srollentheorie, die - wie im ersten Kapitel gezeigt<br />

wurde - ein soziales Skript einer biologischen Dichotomie hinzufügt. Moderate<br />

Strömungen der Soziobiologie räumen die kulturelle Ausformung eines<br />

biologischen Imperativs ein. Eine ähnliche Position vertrat 1980 Alice Rossi,<br />

die eine der ersten feministischen Soziologinnen war:<br />

„Die Differenzierung des sozialen <strong>Geschlecht</strong>s ist nicht einfach eine<br />

Funktion der Sozialisation, der kapitalistischen Produktionsverhältnisse oder<br />

des Patriarchats. Sie gründet sich auf einem biologischen <strong>Geschlecht</strong>sdimorphismus,<br />

der die f<strong>und</strong>amentale Aufgabe hat, die Art zu erhalten." '°<br />

Demzufolge wäre Männlichkeit die soziale Ausgestaltung der biologischen<br />

Funktion „Vaterschaft".<br />

Wenn der biologische Determinismus genauso falsch ist wie der soziale<br />

Determinismus, dann ist es unwahrscheinlich, daß eine Kombination aus beidem<br />

richtig sein könnte. Es gibt Gründe für die Annahme, daß eine Verbin<br />

dung dieser beiden Analyseebenen nicht zufriedenstellen kann. Zum einen<br />

sind sie gar nicht vergleichbar. Die Biologie wurde immer für realer, für<br />

gr<strong>und</strong>legender gehalten. Sogar die Soziologin Rossi spricht davon, daß sich<br />

der soziale Prozeß auf dem <strong>Geschlecht</strong>sdimorphismus „gründet", <strong>und</strong> hält<br />

die reproduktive Funktion für „f<strong>und</strong>amental". Und in der Soziobiologie gilt<br />

das natürlich um so mehr. (Diese Metaphern, würde ich meinen, spiegeln eine<br />

völlig falsche Vorstellung vom Zusammenhang zwischen Geschichte <strong>und</strong><br />

organischer Evolution.)<br />

Auch die Differenzierungsmuster der beiden Ebenen passen nicht zusammen<br />

- obwohl dies ständig angenommen wird <strong>und</strong> sich manchmal in Begriffen<br />

wie „<strong>Geschlecht</strong>sdimorphismus im Verhalten" ausdrückt. Der soziale<br />

Prozeß kann in der Tat körperliche Unterschiede ausarbeiten (ein wattierter<br />

Büstenhalter, ein Penisfutteral, der Hosenbeutel). Der soziale Prozeß kann<br />

körperliche Unterschiede aber auch verzerren, komplizieren, ihnen zuwiderlaufen,<br />

sie verleugnen, minimieren oder modifizieren. Der soziale Prozeß<br />

kann festlegen, daß es nur ein soziales <strong>Geschlecht</strong> gibt („unisex" -Mode, geschlechtsneutrale<br />

Arbeit), oder zwei (Hollywood), oder drei (viele nordamerikanische<br />

Indianerkulturen), oder vier (europäische städtische Kultur, als<br />

man nach dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert damit begann, Homosexuelle auszugrenzen),<br />

oder ein ganzes Spektrum von Fragmenten, Variationen <strong>und</strong> Übergängen.<br />

Der soziale Prozeß hat auch unsere Wahrnehmung des geschlechtlichen Körpers<br />

völlig verändert, wie Thomas Laqueurs bemerkenswertes Buch über den<br />

historischen Übergang vom Ein-<strong>Geschlecht</strong>-Modell zum Zwei-<strong>Geschlecht</strong>-<br />

Modell in der Medizin, aber auch im Alltagsverständnis beweist."<br />

10<br />

11<br />

Rossi 1985 (S. 161)<br />

Zum multiplen <strong>Geschlecht</strong> siehe Williams 1986, Trumbach 1991. Die Geschichte der<br />

wissenschaftlichen Wahrnehmung des biologischen <strong>Geschlecht</strong>s beschreibt Laqueur<br />

1992.<br />

Wie wir es auch drehen <strong>und</strong> wenden, ein Kompromiß zwischen biologischer<br />

<strong>und</strong> sozialer Determination taugt nicht als Basis für eine Erklärung des<br />

sozialen <strong>Geschlecht</strong>s. Und trotzdem können wir weder den durch <strong>und</strong> durch<br />

kulturellen Charakter des sozialen <strong>Geschlecht</strong>s, noch die Gegenwärtigkeit des<br />

Körpers ignorieren. Es scheint, als wäre ein anderer Zugang zu diesem Gegenstand<br />

nötig.<br />

Dieser andere Zugang kann damit beginnen, daß wir die hohe Bedeutung akzeptieren,<br />

die der physische Aspekt von Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit -<br />

zumindest in unserer Kultur - für die kulturelle Deutung des sozialen <strong>Geschlecht</strong>s<br />

hat. Das männliche soziale <strong>Geschlecht</strong> bedeutet unter anderem ein<br />

bestimmtes Hautgefühl, bestimmte Formen <strong>und</strong> Spannungen der Muskeln,<br />

bestimmte Körperhaltungen <strong>und</strong> Bewegungen, bestimmte Möglichkeiten<br />

beim Sex. Körperliche Erfahrungen stehen oft im Vordergr<strong>und</strong>, wenn wir uns<br />

an unser bisheriges Leben erinnern, <strong>und</strong> bestimmt somit auch unser Bewußtsein,<br />

wer oder was wir sind. Hier ein Beispiel aus einem unserer Interviews,<br />

in dem Sexualität eine große Rolle spielte.<br />

Hugh Trelawney ist ein heterosexueller Journalist um die Dreißig, der seine ersten sexuellen<br />

Erfahrungen mit 14 Jahren machte. Hugh behauptet, <strong>Geschlecht</strong>sverkehr gehabt zu<br />

haben, bevor er zu masturbieren anfing, was sehr ungewöhnlich ist. Er erinnert sich an<br />

eine magische Woche mit perfekten Wellen, dem ersten Drink in einem Hotel <strong>und</strong> an den<br />

„Beginn meines Lebens".<br />

„Das Mädchen war eine 18jährige Puppe vom Maroubrastand. Weiß der Teufel,<br />

was sie überhaupt mit mir zu tun haben wollte. Sie muß ein bißchen zurückgeblieben gewesen<br />

sein, gefühlsmäßig, wenn nicht auch geistig. Ich nehme an, daß es ihr nur um das<br />

Image ging, verstehen Sie, ich war damals schon so ein langhaariger Surf-Typ. Ich weiß<br />

noch, daß ich mich auf sie gelegt habe <strong>und</strong> nicht wußte, wohin damit, <strong>und</strong> ich dachte,<br />

mein Gott, was wird das jetzt... <strong>und</strong> als ich ihn dann endlich irgendwie hineinbekommen<br />

habe, ging es nur ein kleines Stück, <strong>und</strong> ich dachte, das ist aber nicht viel.<br />

Dann muß sie ihr Bein ein bißchen bewegt haben, <strong>und</strong> es ging weiter, <strong>und</strong> ich dachte,<br />

oh!, mein Gott, das ist toll. Und dann muß ich nach fünf oder sechs Stößen gekommen<br />

sein, <strong>und</strong> ich dachte, daß das Gefühl unerhört ist, weil ich dachte, daß ich gleich sterben<br />

würde... Während dieser Woche habe ich ein völlig anderes Gefühl für mir bekommen.<br />

Ich habe erwartet - ich weiß nicht, daß ich mehr Schamhaare bekomme, daß mein<br />

Schwanz größer wird. Aber es war so eine Woche, verstehen Sie, nach dieser Woche<br />

wußte ich, wo's lang geht."<br />

Diese Geschichte ist für das sexuelle Erwachsenwerden nicht ungewöhnlich.<br />

In fast jeder Nuance ist das komplizierte Zusammenspiel von Körper <strong>und</strong> sozialen<br />

Prozessen zu erkennen. Die Gelegenheit <strong>und</strong> das Interesse sind - wie<br />

Hugh es darstellt - sozialer Natur (die „Strandpuppe" , der „Surf-Typ"). Die<br />

notwendige Verrichtung ist physisch, „ihn hineinbekommen". Dem jungen<br />

Hugh fehlt das erforderliche Wissen <strong>und</strong> Können. Aber sein Können verbes-<br />

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