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Geschlecht und esellschaf eraus e geben v® Ilse Lenz ichik® Sigrid ...

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gensatz dazu werden Mittelschichts-Männer zunehmend zu den Repräsentanten<br />

beruflicher Fertigkeiten, was in Zusammenhang steht mit einem tiefgreifenden<br />

historischen Wandel des Arbeitsmarktes, der wachsenden Bedeutung<br />

beruflicher Qualifikation <strong>und</strong> eines Erziehungssystems, das nach<br />

Klassenkriterien fördert <strong>und</strong> selektiert.'<br />

Diese Klassenprozesse haben die vertraute Assoziation zwischen Männlichkeit<br />

<strong>und</strong> Maschinerie verändert. Die neuen Informationstechnologien erfordern<br />

sitzende Tätigkeit an einer Tastatur, was ursprünglich Frauenarbeit<br />

war (die Lochkartenstanzerinnen). Die Vermarktung der Personalcomputer<br />

hat das Image dieser Arbeit teilweise verändert <strong>und</strong> zu einem Bereich des<br />

Wettbewerbs <strong>und</strong> der Macht werden lassen - männlich, technisch, aber nicht<br />

Arbeiterklasse. Dieses veränderte Image wird von den Computerzeitschriften,<br />

den Anzeigen der Hersteller (Apple nannte sein Laptop „PowerBook") <strong>und</strong><br />

einem boomenden Markt für aggressive Computerspiele unterstützt. Der<br />

Körper des Mittelschichtsmannes war durch die Klassengrenzen von physischer<br />

Stärke getrennt, gewinnt nun aber neue gesteigerte Macht in den<br />

Mann/Maschine-Systemen der modernen Kybernetik.<br />

Ich würde daraus schließen, daß wir dem Körper nicht entrinnen können,<br />

wenn es um die Konstruktion von Männlichkeit geht; aber wenn etwas unentrinnbar<br />

ist, heißt das noch nicht, daß es unveränderbar sein muß. Der körperliche<br />

Prozeß wird Teil der sozialen Prozesse, <strong>und</strong> damit auch ein Teil der Geschichte<br />

(der persönlichen wie der kollektiven) <strong>und</strong> ein möglicher Gegenstand<br />

von Politik. Aber damit kehren wir nicht zu der Vorstellung vom Körper<br />

als Landschaft zurück. Der Körper kann sich dem sozialen Symbolismus<br />

<strong>und</strong> seiner Kontrolle auf verschiedenste Weisen widersetzen, <strong>und</strong> darum wird<br />

es im folgenden gehen.<br />

In W. B. Yeats w<strong>und</strong>ervollem Gedicht „Byzanz" wird ein goldener, mechanischer<br />

Vogel beschrieben, Symbol für die Künstlichkeit einer in die Jahre gekommenen<br />

Zivilisation, die alle „Komplexität von Schlamm <strong>und</strong> Blut" verachtet.<br />

Die Bilder von Unnahbarkeit <strong>und</strong> Abstraktheit stehen im Gegensatz zur<br />

Zeile, ,bloße Komplexität, die Wut <strong>und</strong> der Schlamm in den Adern der Menschen"''<br />

. Das „bloße" ist zutiefst ironisch. Es ist genau diese Mannigfaltigkeit<br />

<strong>und</strong> Widerspenstigkeit der Körper, auf die Yeats' Ironie anspielt.<br />

Die Philosophie <strong>und</strong> die Sozialwissenschaften sprechen oft von „dem<br />

Körper". Aber Körper stehen im Plural (1994 ungefähr 5,4 Milliarden) <strong>und</strong><br />

14 Donaldson 1991 (S. 18). Über Südafrika siehe Nattrass 1992; über Erziehung <strong>und</strong><br />

neue Klasse siehe Gouldner 1979.<br />

15 „Byzanz", in Yeats 1970 (S. 212-214). 16 Connell 1983 (S. 19).<br />

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sind sehr verschieden. Es gibt große <strong>und</strong> kleine Körper; Körper, die ständig<br />

mit Schlamm oder Schmiere beschmutzt sind, Körper, die sich gekrümmt haben,<br />

weil sie sich ständig über Schreibtische beugten, <strong>und</strong> wieder andere mit<br />

makellosen, manikürten Händen. Jeder dieser Körper hat seine Geschichte,<br />

jeder ist Veränderungen unterworfen, wenn er wächst <strong>und</strong> altert. Der soziale<br />

Prozeß, der die Körper umhüllt <strong>und</strong> erhält, wandelt sich mit der gleichen Unausweichlichkeit.<br />

Was man vom „Körper" im allgemeinen sagen kann, trifft auf den männlichen<br />

Körper im besonderen zu. Zuerst einmal sind männliche Körper unterschiedlich,<br />

<strong>und</strong> werden durch Wachstum <strong>und</strong> Alter noch unterschiedlicher. In<br />

einem früheren Essay über „Die Körper der Männer" schrieb ich, daß sich<br />

die körperliche Männlichkeit vor allem aus einer Kombination aus Kraft <strong>und</strong><br />

Können speist, wie es der Sport symbolisiert.<br />

„Ein erwachsener Mann zu sein bedeutet, Raum zu beanspruchen, eine physische Präsenz<br />

in der Welt zu haben. Wenn ich eine Straße hinuntergehe, straffe ich meine Schultern <strong>und</strong><br />

vergleiche mich insgeheim mit den anderen Männern. Wenn ich spät nachts eine Gruppe<br />

junger Punker passiere, frage ich mich, ob ich furchterregend genug aussehe. Auf einer<br />

Demonstration taxiere ich die Polizisten <strong>und</strong> frage mich, ob ich größer <strong>und</strong> stärker sein<br />

werde, wenn es hart auf hart geht - eine lächerlicher Gedanke in anbetracht~ der technischen<br />

Ausrüstung der Polizei, <strong>und</strong> trotzdem eine fast automatische Reaktion.<br />

Das schrieb ich vor zehn Jahren. Nun gehe ich auf die Fünfzig zu, der betreffende<br />

Körper ist etwas kahler geworden, deutlich gebeugter, fraglos weniger<br />

Raum einnehmend, <strong>und</strong> gerät sehr viel weniger wahrscheinlich in brenzlige<br />

Situationen auf der Straße.<br />

Die Körper von Männern sind nicht nur unterschiedlich <strong>und</strong> Veränderungen<br />

ausgesetzt, sie können auch in einem positiven Sinn widerspenstig<br />

sein. Körpern werden bestimmte Möglichkeiten nahegelegt, am sozialen Leben<br />

teilzunehmen, <strong>und</strong> die Körper verweigern sich oft. Zwei Beispiele dazu<br />

aus den lebensgeschichtlichen Interviews.<br />

Hugh Trelawney, dessen Geschichte seiner sexuellen Initiation wir vorhin zitiert haben,<br />

hat als Student einen nicht ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Er wurde zum „animal of<br />

the year" an seiner Universität gewählt, war maßlos bei Alkohol, Drogen <strong>und</strong> Sex. Ein<br />

paar Jahre nach seinem Studium arbeitete er als Lehrer, wurde zum Alkoholiker <strong>und</strong> erkrankte<br />

ernsthaft. Er hörte auf zu arbeiten, stürzte durch seine Abhängigkeit in eine emotionale<br />

Krise <strong>und</strong> unterzog sich einer Entziehungskur. Sein verletzter Stolz bezog sich sowohl<br />

auf den Körper als auch auf die soziale Demütigung: „Das darf alles nicht wahr<br />

sein. Ich bin ein erstklassiger Football-Spieler. "<br />

Die Exzesse von Tip Southern waren noch ausufernder, obwohl er aus einer privile-<br />

gierteren Schicht stammte. Seine Schulclique nannte sich die „kranke<br />

Truppe", trug selt-<br />

same Kleider, benahm sich auf Parties daneben <strong>und</strong> rauchte sehr viel Haschisch.<br />

„ Wir waren ziemlich radikal, rebellisch, zornige junge Männer. Männer mit Idealen,<br />

<strong>und</strong> trotzdem ständig am Feiern. Dem Ende zu war es nur noch ein großer Nebel. Ein<br />

Saufgelage nach dem anderen. Wir waren voll drauf <strong>und</strong> ständig blau; wirklich sehr be-<br />

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