07.10.2013 Aufrufe

ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III

ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III

ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Eva Parra Membrives<br />

einem beliebten Freudenhaus geführt werden.<br />

Dass die Strafe kaum dazu führen kann, den Sohn an sein Ziel zu führen, braucht<br />

wohl nicht unterstrichen zu werden. Sollte der Wunsch, Agnes zu besitzen, auf Liebe<br />

statt auf sexuelle Leidenschaft fußen, wäre diese von dem Vater erdachte Züchtigung<br />

monströs und würde den Schmerz des abgewiesenen Jünglings zweifellos eher verstärken<br />

als verringern. Dass jener aber sich erwartungsvoll als erster auf den Weg<br />

macht, um seine Unruhe an Agnes Körper zu lindern, zeigt, dass Männer nicht mit<br />

ihrem Herzen, sondern einzig mit einem unterhalb der Gürtellinie gelegenen Organ<br />

lieben können.<br />

In Roswithas letzter Legende wird Agnes’ Keuschheit wundersam durch ein heiliges,<br />

in letzter Minute eingreifendes Licht, beschützt, so dass eine sündhaft befleckende<br />

Strafe ausbleibt. Hingewiesen sei aber auf die innerliche Ruhe, mit der das junge<br />

Mädchen die Drohung einer sexuellen Nötigung von Seiten ihres Peinigers empfängt:<br />

262<br />

Ich halte unverbrüchlich Treue<br />

Nur meinem Meister, der mich leitet,<br />

er wird mit seiner Hand mich schirmen<br />

damit ich, nicht befleckt von Sünde,<br />

des Fleisches Schande überwinde 40<br />

Vor allem die letzten beiden Verse sollen hier näher erläutert werden. Die heilige<br />

Agnes sucht bei Gott die Kraft, die fleischliche Schande unbefleckt zu überwinden,<br />

und nicht – dies sei jetzt besonders zu unterstreichen – ihr zu entgehen. Der Ausgang<br />

der Geschichte, der Agnes makellose, unversehrte Reinheit vorweist, soll an<br />

dieser Stelle keineswegs von der Dichterin vorweggenommen werden. Nicht eine<br />

körperliche Keuschheit – wie später erlangt – scheint Agnes vorzuschweben, sondern<br />

eine seelische. Sollte das Fleisch auch geschändet werden, so Roswitha aus Agnes<br />

Munde, wird Gott doch helfen die Seele unbefleckt zu lassen. Wie kann aber eine<br />

im Bordell sexuell missbrauchte Frau frei von Sünde bleiben? Vor allem, wenn man<br />

bedenkt, dass Frauen, wenn erst erprobt, sich maßlos ihrer Sexualität hingeben?<br />

Wird Agnes, selbst nachdem sie die Sinnlichkeit erkannt hat, weiterhin an der körperlichen<br />

Liebe uninteressiert sein?<br />

40 Roswitha von Gandersheim, a.a.O., 1936, 1<strong>32</strong>. Im Original: “Hinc ego, quae sectando fidem Christi<br />

meliorem / Illum cognosco necnon cognoscor ab illo, / Ipsius dextra me defendente superna / spero delicti<br />

numquam maculis violari, / Carnis spurcitias fragilis sed vincere cunctas” Roswitha von Gandersheim,<br />

Hrotsvithae opera, 1970, 217<br />

<strong>ZGR</strong> 1-2 (<strong>29</strong>-<strong>30</strong>) / <strong>2006</strong>, 1-2 (<strong>31</strong>-<strong>32</strong>) / <strong>2007</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!