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ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III

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Ana-Stanca Tabarasi<br />

entstanden sind, macht sich diese Neuerung der Perspektive auch an seinen Gartenschreibungen<br />

bemerkbar. Schon das 18. Jahrhundert wusste seine Wendung vom<br />

Abstrakt-Rhetorischen und Allegorischen zu würdigen: „Die Hofverse dauerten fort,<br />

bis fern von Höfen in seinem Garten Brockes die Natur und eben so fern von Höfen<br />

Bodmer und Breitinger Sitten mahlten“, heißt es in Johann Gottfried Herders<br />

Briefen zu Beförderung der Humanität. 8 Dieser Deutung zufolge sind Hofferne und<br />

Naturgefühl eng miteinander verbunden; eine Ansicht, die auch der politischen<br />

Theorie des Landschaftsgartens entspricht 9 . Heute weiß man freilich, dass Brockes,<br />

der politisch kluge Kaufmann und Senator, neben manchen hofkritischen Versen<br />

durchaus auch Gelegenheits- und Hofverse verfasst hat 10 , und dass seine Naturbeschreibungen<br />

sich trotz ihres neuen Landschaftsgefühls auch von Verflechtungen<br />

älterer Motive und Topoi nähren. 11 Trotz ihrer Bahn brechenden Neuheit in<br />

Deutschland stehen sie (auch abgesehen von den Topoi) in einer Tradition; nur ist<br />

diese keine deutsche, sondern die englische.<br />

Dass der englischkundige Brockes eine umfassende Kenntnis der Ideen der<br />

britischen Aufklärung besaß, ist unbestreitbar, zumal diese auch sonst im Hamburg<br />

seiner Zeit großen Anklang fanden. Der Einfluss von Derhams Physikotheologie, der<br />

dort um 17<strong>30</strong> besonders groß war, wurde bereits erwähnt; doch schon viel früher<br />

hatte Johann Mattheson in Hamburg die erste deutsche moralische Wochenschrift<br />

(Der Vernünfftler, 1713/14) gegründet, die an den englischen Vorbildern Joseph Addisons<br />

und Richard Steeles (The Tatler und The Spectator) orientiert war. In diesen<br />

waren die ersten kritischen Beiträge erschienen, die eine Loslösung von der<br />

barocken Gartenallegorik forderten und nach dem klassizistischen Prinzip ars est<br />

celare artem eine Gartenkunst theoretisierten, die im Verborgenen agierte und<br />

dadurch der Natur und dem genius loci den Vorrang ließ. So hatte Addison in seiner<br />

Essay-Reihe über die Vergnügungen der Einbildungskraft (The Spectator <strong>Nr</strong>. 411-<br />

421, 21. Juni – 3. Juli 1712) darauf hingewiesen, dass diejenigen Kunstwerke, die der<br />

Natur am meisten ähneln, die angenehmsten seien:<br />

268<br />

For my own part, I would rather look upon a Tree in all its Luxuriancy and Diffusion of<br />

Boughs and Branches, than when it is cut and trimmed in to a Mathematical Figure; and<br />

cannot but fancy that an Orchard in Flower looks infinitely more delightful, than all the<br />

little Labyrinths of the most finished Parterre. 12<br />

8 Herder (1883), S. 128.<br />

9 Zur politischen, antihöfischen Idealisierung des tugendhaften Landlebens während der „Garten-<br />

revolution“ vgl. u. a. Buttlar (1982) und Gamper (1998) .<br />

10 Hierzu Ketelsen (1980), S. 163.<br />

11 Hierzu Kimber (1980), S. 51.<br />

12 The Spectator <strong>Nr</strong>. 414 (Bd. II, S. 725f.).<br />

<strong>ZGR</strong> 1-2 (<strong>29</strong>-<strong>30</strong>) / <strong>2006</strong>, 1-2 (<strong>31</strong>-<strong>32</strong>) / <strong>2007</strong>

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