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ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III

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Ana-Stanca Tabarasi<br />

Aus der englischen Debatte übernimmt Brockes auch die Aufwertung der Berge, zu<br />

der auch die (ihm bekannten) naturwissenschaftlichen Schriften des Schweizers Johann<br />

Jakob Scheuchzer beigetragen hatten. 24 Dieser hatte im Auftrag der Royal Society<br />

1708 sein Ouresiphaites Helveticus sive Itinera alpina tria publiziert, in dem<br />

er, zum ersten Mal in der Geschichte, eine wissenschaftlich fundierte Argumentation<br />

für den Nutzen der Alpen bot: die Gletscher seien die eigentliche Ursache der reinen,<br />

gesunden Luft und der frischen Gewässer der Tiefe; außerdem seien die Berge ein<br />

Schutz gegen Sturmwinde und enthielten wertvolle Steine und Erze. Bis dahin hatten<br />

die Berge als schreckliche Ruinen, Spuren der Verwüstung durch das Strafgericht,<br />

Kehrichthaufen, oder Warzen auf dem Antlitz der Erde gegolten. 25<br />

Scheuchzers Informationen waren von Derham aufgegriffen und als theodiziales Argument<br />

eingesetzt worden. Im gleichen Sinn schrieb auch Jakob Wilhelm Feuerlein<br />

in Deutschland eine Dissertatio de montibus, divinitatis testibus, contra Lucretium<br />

et Burnetum (17<strong>29</strong>) 26 . Neben Lukrez polemisierte er dabei auch mit dem Engländer<br />

Thomas Burnet (1635?-1715), der in seiner Geologieabhandlung Telluris theoria sacra<br />

(1681), die 1684-89 auch als The Sacred Theory of Earth in einer englischen<br />

Version erschienen war 27 , von der Unregelmäßigkeit der Welt eher unangenehm<br />

beeindruckt gewesen war. Dass die Erdoberfläche ungleich zwischen Festland und<br />

Wasser aufgeteilt ist, die Inseln beliebig zerstreut und die Küstenlinie ungerade, die<br />

Hügel, Täler, Wiesen, Seen, Sümpfe, Wüsten ganz ohne Symmetrie und Regel, all<br />

das hatte Burnet als störend gewertet. Berge seien nicht schöner als die Wolken (traditionsgemäß<br />

ein Symbol für Unregelmäßigkeit, im Gegensatz zum Uhrwerk als<br />

Symbol des ordnungsvollen Mechanismus). Sie seien riesige Falten auf dem Gesicht<br />

der Erde, das einst jung und schön war.<br />

liebe, vgl. auch die <strong>Nr</strong>. 48 (<strong>30</strong>. November 1724) und die <strong>Nr</strong>. 1<strong>31</strong> (4. Juli 1726) des Patrioten, wo ebenfalls<br />

Mustergüter aufgeklärter Adeliger und Bürgerlicher beschrieben werden.<br />

24 Vgl. Hentschel (2002), S. 16. Zu Scheuchzers Ideen im Allgemeinen s. auch Kempe (2003). Die Bergapologie<br />

war schon früher durch Conrad Gesner, einen Zürcher Arzt und Botaniker und Anhänger Zwinglis<br />

eingeleitet worden. Vgl. Groh / Groh (1996), S. 35.<br />

25 Ein damals vielbesprochenes Buch, das auf der These der natura lapsa baute und die Berge negativ<br />

deutete, war Godfrey Goodmans The Fall of Man, or the Corruption of Nature (1616). Dass die Natur<br />

durch den Sündenfall mit ins Verderben gezogen worden sei, hatte, im Unterschied zu Calvin, auch Luther<br />

gelehrt.<br />

26 Vgl. Trotha (1999 a), S. 45.<br />

27 Thomas Burnets Telluris Theoria Sacra war eines der meistgelesenen und -beachteten Geologiebücher<br />

der Zeit. Newton besaß ein Exemplar, Leibniz erwähnte es in der Protogaea (1693), Locke nahm es ernst,<br />

Joseph Addison hatte als Schüler Burnets ca. 1698-99 eine Ode Ad insignissimum virum D. Tho. Burnetum,<br />

Sacrae theoriae telluris autorem verfasst. Richard Steele allerdings nennt sie im Spectator (<strong>Nr</strong>. 38,<br />

13 April 1711) „a romance that passed for science in its day“, und deutet damit die Wandlung der Naturauffassung<br />

an.<br />

272<br />

<strong>ZGR</strong> 1-2 (<strong>29</strong>-<strong>30</strong>) / <strong>2006</strong>, 1-2 (<strong>31</strong>-<strong>32</strong>) / <strong>2007</strong>

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