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ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III

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Eva Parra Membrives<br />

Das Beispiel ist so offensichtlich frauenfeindlich, dass man sich fragen könnte, aus<br />

welchem Grund gerade diese Heiligenvita von Roswitha ausgesucht wurde, um sie in<br />

ihren, das Weibliche hervorhebenden, Plan einzubauen. Doch das Vertrauen in<br />

Roswithas Können sollte so leicht nicht aufgegeben werden. Bewusst ist sich die<br />

sächsische Autorin in jedem Augenblick ihrer Pflicht als „Clamor validus“ 28 . Ein etwas<br />

genauerer Blick auf die von ihr hier beschriebene ehebrecherische Liebesbeziehung<br />

kann die Anpassung an ein geschändetes Frauenkonzept schnell als trügerisch<br />

zeigen.<br />

Wenn auch der heilige Gongolf durchwegs der unbestreitbare Held in der gleichnamigen<br />

Geschichte bleibt, so muss doch seine Gattin nicht unbedingt als ganz so<br />

schuldig dargestellt werden, wie die mysogine Tradition es verlangt. Ist Gongolfs<br />

Frau bei anderen Autoren, die sich ebenfalls mit der Geschichte befassen, kaum etwas<br />

mehr als dieses klischeehafte, teuflische Weib, deren unzählige Liebhaber in<br />

ihrem Haus und Leben ein- und ausgehen, ohne je ihre unmäßige sexuelle Lust stillen<br />

zu können <strong>29</strong> , so hat doch Roswitha eine gänzlich verschiedene Idee, wie die unzüchtige<br />

Verbindung zustande gekommen sein kann. Dass ein Ehebruch stattfand,<br />

und dass dieser von der Frau, und nicht von Gongolf ausging, ist geschichtlich belegt,<br />

und gilt so leider für die Autorin als unabweisbare Tatsache. Ganz dem Erwartetem<br />

– und dem Tradierten – gegenüber findet aber die Gandersheimer Autorin<br />

doch noch einen Weg, um den Ursprung der sinnlichen Veranlagung in dem Manne<br />

zu finden und nicht der Frau zuzuweisen:<br />

258<br />

ein unglücklicher Priester Gongolf<br />

entbrannt in Leidenschaft zur Herrin.<br />

Und ach! Verblendet gab die Ärmste<br />

Der sündigen Versuchung nach,<br />

sich hing ihr Herz an jenem Burschen<br />

und ward dem eigenen Gatten untreu. <strong>30</strong><br />

Frauen auf dem Hintergrund einer frauenfeindlichen Exegese des Alten Testaments im antik Judentum,<br />

Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1986, 40 und ff.<br />

28 Wie die Dichterin sich selbst beschrieb. Auf die Anlehung an die bekannten Wörter Johannes des Täufers<br />

sei jetzt nur hingewiesen: “Ego vox clamantis in deserto”, Joh. 1:24. Siehe auch Martos, J. / Moreno,<br />

R., Rosvita de Gandersheim. Obras completas, Huelva, Servicio de Publicaciones, <strong>2006</strong>, XV.<br />

<strong>29</strong> Poly, J.P., “Gengoul, l’époux martyr. Adultère féminin et norme populaire au Xe siècle”, La femme au<br />

Moyen Age, Paris 1992, 47-63.<br />

<strong>30</strong> Roswitha von Ganderheim, a.a.O., 1936, 77-78. Im Original: “Scilicet infelix Gongolfi clericus audax /<br />

Ardebat propriam plus licito dominam. / Pro dolor! Haec, male victa dolo serpentis amaro, / Infelix citius<br />

aestuat in facinus, / Inhaerens servo cordisque calore secreto / Legalem dominum respuit ob famulum.”<br />

<strong>ZGR</strong> 1-2 (<strong>29</strong>-<strong>30</strong>) / <strong>2006</strong>, 1-2 (<strong>31</strong>-<strong>32</strong>) / <strong>2007</strong>

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