ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III
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278<br />
Die Bäuche gebähren;<br />
Die Gräber verzehren. 40<br />
Ana-Stanca Tabarasi<br />
Dieses barocke Lamento über die Vergänglichkeit alles Irdischen (Vanitas-Motiv)<br />
stammt aus einem „alten“ Buch. Es entspricht aber anscheinend nicht mehr der<br />
Stimmung zu Brockes Zeiten, denn es wird in den nachfolgenden Versen durch die<br />
christliche Ergebenheit korrigiert: bevor es in dem „finstern Pfuhl der Schwermut“<br />
versinkt, rettet sich das Ich, indem es ausruft: „Des Höchsten Ordnung ists; kann die<br />
zu tadeln seyn?“ Die Freude, die der Bogengang vorher erweckt hat, hilft zur ausgeglichenen<br />
Konklusion, indem das himmlische Leben implizit als Trost dient:<br />
Wann nur der Jahre Quell, der Herr der Zeit,<br />
Den Meinigen und mir vielleicht in diesem Leben<br />
Nur einen kurzen Gang gegeben,<br />
Und etwa mir insonderheit<br />
Kein langes Wandeln mehr beschieden;<br />
So bin ich herzlich wol damit zufrieden,<br />
Und scheide sonder Gram, wills Gott, aus dieser Welt,<br />
Nicht darum, weil ich muß, nein, weil es Gott gefällt. 41<br />
Da die Rede von „dieser Welt“ und nicht von „der Welt“ ist, wird hier implizit eine<br />
andere Welt vorausgesetzt, wo das Leben fortgesetzt werden soll. Rückblickend kann<br />
man jetzt auch die oben genannten kontradiktorischen Attribute der Barockallee<br />
interpretieren: das menschliche Leben ist sowohl als ummauerter Kerker definiert,<br />
der Müdigkeit erweckt, aber auch als die Quelle irdischer Freuden (der Licht- und<br />
Schattenspiele, zwar vergänglich, aber schön; ihr Vergleich mit dem „güld’nen Sand“<br />
deutet möglicherweise auf den Reichtum); in erster Linie ist es aber da, damit man<br />
den Schöpfer dafür preisen kann. Die Angst, dass die Allee enden könnte, symbolisiert<br />
die Todesangst.<br />
Rein gartengeschichtlich kann man hier die ersten Anzeichen einer (zaghaften)<br />
Kritik an dem kerkerartigen Aufbau der Taxuswände erkennen, sowie eine erste Parallele<br />
zwischen der Gartenstruktur und dem Leben, möglicherweise als logische<br />
Schlussfolgerung, die von der Identifikation des jenseitigen Lebens mit dem Paradiesgarten<br />
gezogen wird. Noch ist der Garten barock, und die Identitätsarbeit spielt<br />
sich im vorgegebenen Rahmen ab; es machen sich aber auch Sorgen über ihre Begrenzungen<br />
bemerkbar. Zusammen mit dem Interesse für das Erhabene und das<br />
Malerische der Landschaft bildet dies die Voraussetzung für die weitere Entwicklung<br />
40 Ebd, S.236.<br />
41 Ebd., S. 237.<br />
<strong>ZGR</strong> 1-2 (<strong>29</strong>-<strong>30</strong>) / <strong>2006</strong>, 1-2 (<strong>31</strong>-<strong>32</strong>) / <strong>2007</strong>